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Wenige Tage nach seinem Wechsel zum FC Bayern lädt Michael Cui­sance ein kurzes Video auf seinen Social-Media-Kanälen hoch. Darauf zu sehen Cui­sance selbst, nebst dem neuen Transfer-Coup der Bayern, Super­star Phil­ippe Cou­tinho. Here with my Bro“, hört man aus dem Mund des jungen Fran­zosen. Phil­ippe Cou­tinho grinst den aus seiner Sicht ver­mut­lich Unbe­kannten kurz an, fast schüch­tern, wäh­rend der Fran­zose stolz in die Kamera blickt. Michael Cui­sance – ange­kommen bei den ganz großen Namen seiner Kunst. Drei Monate später wird eben dieser Fran­zose sich für ledig­lich 30 Minuten als echter“ Bayern-Profi gefühlt haben dürfen. Nur 19 Minuten Seite an Seite mit seinem Bro“.

Am Wochen­ende bekam der zuletzt wenig beach­tete 19-Jäh­rige reich­lich mediale Auf­merk­sam­keit. In der zweiten Mann­schaft der Bayern blieb Cui­sance zunächst draußen, weil er zu spät zum Treff­punkt erschienen sei. Und weil Cui­sance bereits im Vor­feld seines Trans­fers zum FC Bayern im Sommer mit kuriosen Ver­hal­tens­weisen auf­fiel, schrieben sich die Schlag­zeilen über ihn in den ver­gan­genen Tagen wie von selbst. Seht her, der Pro­blem-Profi“ schafft es nicht mal mehr in die Start­for­ma­tion einer 3.Liga-Mannschaft! Schnell machten die ganz großen Fragen die Runde: Ist der junge Fran­zose zu stör­risch? Zu ver­wöhnt, zu unge­zogen? Dabei wurde die größte Frage meißt außer Acht gelassen: Warum lebt dieser zwei­fellos talen­tierte Fran­zose über­haupt in Mün­chen? Was hatten die Bayern mit ihm vor? Was für einen Spie­ler­typus hatten sie im Sommer gesucht? Die Ant­wort auf diese Fragen ist so kurz wie ernüch­ternd: Sie wissen es anschei­nend selber nicht.

Aus der B‑Lösung Roca wurde die C‑Lösung Cui­sance

Dabei hätte sich die Geschichte von Cui­sance im Sommer auch in eine völlig andere Rich­tung ent­wi­ckeln können. Mit dem Glad­ba­cher Trai­ner­wechsel von Hecking zu Rose bot sich, so schien es, eine neue Per­spektiv für den Mit­tel­feld­mann. Cui­sance hatte nach einer guten Debüt­saison bis zum Ende der Saison 2018/19 unter Hecking nur elf Bun­des­liga-Spiele machen dürfen. In Summe 268 Minuten. Unter Rose schien sich dies zu ändern. Dieser tes­tete den 19-Jäh­rigen in der Vor­be­rei­tung ins­be­son­dere als Nummer Zehn in einem Rauten-System, ebenso als offen­sive Acht. Der Fran­zose über­zeugte, zum Bei­spiel im Test­spiel gegen Rayo Valle­cano mit einem Tor und einem Assist. Doch wäh­rend sich Cui­sance sport­lich als ernst­hafte Option prä­sen­tierte, schien er selber längst nicht mehr daran inter­es­siert zu sein, seinem neuen Trainer diese Option über­haupt zu bieten. Über die Ereig­nisse in den darauf fol­genden Wochen wurde mitt­ler­weile viel geschrieben. Cui­sance – das scheint klar – hatte sich in eben jenen Vor­be­rei­tungs­tagen auf eine aggres­sive Weise wech­sel­willig prä­sen­tiert und damit ver­sucht, sich auf dem Trans­fer­markt zu plat­zieren.

Auf eben diesem Markt suchte Bayern Sport­di­rektor Hasan Sali­ha­midzic nach der Absage von Wunsch-Sechser Rodrigo Her­nandez ver­zwei­felt nach Alter­na­tiven. Und als die Zeit immer weiter voran schritt, der öffent­liche Druck auf Sali­ha­midzic stetig stieg, machte man an der Säbener Straße ernst­hafte Bestre­bungen, Marc Roca für 40 Mil­lionen Euro von Espanyol Bar­ce­lona los­zu­eisen. Der frisch­ge­ba­ckene U21-Euro­pa­meister war zwar wie Lands­mann Rodrigo eben­falls ein defen­siver Mit­tel­feld­spieler, über­zeugte aber weniger mit seinen Defensiv-Qua­li­täten als mit seinem ver­ti­kalem Pass­spiel. Aus Rodrigo sollte also Roca werden. Bloß: Zeit­gleich stieg auch die Wahr­schein­lich­keit für eine lang­fris­tige Ver­pflich­tung von Leroy Sané. Der Kreuz­band­riss des Außen­bahn­spie­lers ver­hin­derte nicht, dass man in Mün­chen damit plante, eine drei­stel­lige Mil­lio­nen­summe für Sané locker zu machen. Folg­lich ent­schied man sich an der Säbener Straße dazu, bei anderen Trans­fers sorg­samer mit dem eigenen Geld umzu­gehen. Und so wurde aus einer B- eine C‑Lösung. Aus Roca wurde Cui­sance. 

Würde Cui­sance zum so drin­gend benö­tigten Stra­tegen reifen?

Karl-Heinz Rum­me­nigge hatte Tage vor dessen Ver­pflich­tung noch geäu­ßert, einen echten Mit­tel­feld-Lenker ver­pflichten zu wollen. Einen Spieler, wie es ihn seit dem Weg­gang von Xabi Alonso nicht mehr gegeben hatte. Im Fan-Lager des Rekord­meis­ters fragte man sich schon damals, ob Cui­sance eine solche Rolle würde ein­nehmen können. Und hoffte darauf, dass die Ent­scheider in Cui­sance Qua­li­täten ent­deckt hatten, die anderen bisher ver­borgen geblieben waren. Viel­leicht könnte Cui­sance, ein tech­nisch ver­sierter Mit­tel­feld­spieler, der in den ver­gan­genen Jahren auch an kör­per­li­cher Masse zuge­legt hatte, ja doch den feh­lenden Stra­tegen im Mit­tel­feld geben. Oder zumin­dest in diese Rolle hin­ein­wa­chen. Schließ­lich hatten auch große Feld­herren wie Toni Kroos oder Bas­tian Schwein­steiger in Mün­chen mal als offen­sive Mit­tel­feld­spieler ange­fangen.

Doch um junge Spieler zu formen, bedarf es einen mutigen Trainer. Der ihnen auch dann das Ver­trauen schenkt, wenn er selber unter Druck gerät. Trainer wie Louis van Gaal hatten diesen Mut und haben dieses Credo stets kon­se­quent befolgt. Niko Kovac, auf den Cui­sance im Sommer traf, war in seiner gesamten Amts­zeit quasi pau­senlos damit beschäf­tigt, seine eigene Posi­tion zu sichern. Für den Aufbau junger, durchaus talen­tierter Spieler blieb dabei keine Zeit. Das hatte auch sein Pro­jekt“ Renato San­ches fest­stellen müssen. Schlechte Vor­aus­set­zungen für einen 19-Jäh­rigen, um sich in einem Kader wie dem des FC Bayern zu inte­grieren.