Warum Christian Hochstätter in Bochum scheiterte
Der Unkontrollierbare
Fast fünf Jahre lang war Christian Hochstätter das Gesicht des VfL Bochum. Nun ist diese Zeit vorbei. An seinem Ende ist er selbst schuld – wie die Reaktionen der Spieler auf seine Entlassung zeigen.
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Jüngst flatterte eine Meldung herein, die zunächst nicht für große Aufregung sorgte. Der VfL Bochum trennte sich von Coach Jens Rasiejewski. Nun gut, Trainerentlassungen sind nichts Ungewohntes im Fußballbusiness. Bei lediglich einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz in der zweiten Liga eine nachvollziehbare Handlung. Doch Moment einmal: Da war noch etwas. Nicht nur Rasiejewski, auch Sportvorstand Christian Hochstätter musste seinen Platz an der Castroper Straße räumen. Jener Mann, der im Sommer noch intensiv vom Hamburger SV umworben wurde — und damit selbst den Anfang vom Ende seiner Ära in Bochum einleitete.
»Wir haben uns nach einer sorgfältigen und intensiven Suche für Christian Hochstätter entschieden. Er soll (…) den weiteren Weg dieses Clubs maßgeblich gestalten«. Diese Worte stammen von Hans-Peter Villis, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des VfL Bochum. Er sprach sie am 08. Juni 2013 — einer Zeit, in der der VfL, der gerade mit Peter Neururer den Klassenerhalt geschafft hatte, wieder einmal die Rückkehr in die Bundesliga ins Visier nahm. In seiner ersten Transferphase verkaufte Hochstätter das 18-jährige Wunderkind Leon Goretzka für 3,25 Millionen Euro nach Schalke. Samt clever verhandelter Weiterverkaufsgebühr. Dafür kamen Danny Latza, Christian Tiffert und Felix Bastians. Namen, die in der zweiten Liga einen Klang hatten.
Der Unkontrollierbare
Sportlich bergauf ging es zunächst jedoch nicht. Mit 40 Punkten landete der VfL auf Rang 15. Im Winter 2015 dann der erste große Knall unter der Regentschaft des Neffens von Helmut Haller. Neururer, der zu diesem Zeitpunkt mit dem VfL auf einem abermals enttäuschenden elften Platz lag, wurde seines Amtes enthoben. Inklusive des Vorwurfs von vereinsschädigendem Verhalten. »Neururer hat Spielern das Recht zugesprochen, das höchste Gremium im Verein zu kritisieren. Das geht nicht«, sagte Hochstätter damals. Der geschasste Trainer reagierte empört. Er habe lediglich seinen Kapitän Andreas Luthe unterstützt, nachdem dieser sich gegen öffentlich geäußerte Kritik von Villis wehrte. Wer auch immer Recht hatte: Hochstätter bewies mit dieser Entscheidung, dass er keine Angst vor großen Namen hatte und mit aller Macht seine Vorstellung vom VfL Bochum durchdrücken würde. Auch die über Jahre hinweg ständig wiederholte Kritik Neururers, der Hochstätter zuletzt noch Anfang Januar 2018 als »unkontrollierbar« bezeichnete, ließ er ohne Kommentar an sich abprallen.
Die Entscheidung über Neururers Nachfolger wurde zum größten Coup des Sportvorstands in Bochum. Unter dem Niederländer Gertjan Verbeek hielt der VfL die Liga und entwickelte sich in der Saison 2015/2016 zu einer Mannschaft, die für attraktiven Offensivfußball stand. Die Gefahr zur grauen Maus zu werden, schien mit Rang fünf endlich gebannt. Hochstätter trieb die Entwicklung des Vereins weiter voran, ließ einen neuen Trainingsplatz bauen und zeigte Mut bei der durchaus kontroversen Diskussion um die U23, indem er sie aus Kostengründen vom Spielbetrieb abmeldete. Die Fans waren euphorisch, das Ruhrstadion wieder voll: Der VfL wähnte sich auf einem guten Weg zurück in die Bundesliga. - Drei Trainer, drei Entlassungen, drei gestörte Verhältnisse
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Doch mit der Saison 2016/2017 kam der Bruch. Erstmals agierte Hochstätter auf dem Transfermarkt unglücklich. Mit dem Abgang von Simon Terrodde ging auch die Torgefahr. Die Neuzugänge um Alexander Merkel und Nils Quaschner waren mit der Aufgabe, die entstandene Lücke zu schließen, überfordert. Statt sich mit Hannover 96 und dem VfB Stuttgart um den Aufstieg zu streiten, landete der VfL wieder im Mittelfeld. Und Hochstätter hatte hieran seinen Anteil: Im November 2016 wurde das Interesse des Hamburger SV an ihm öffentlich.
Der wankende Bundesliga-Dino wollte den ehemaligen Nationalspieler als Sportdirektor verpflichten. Es entwickelte sich eine medial ausgetragene Feilscherei wie auf dem Hamburger Fischmarkt. Der VfL wusste um den Wert seines Chefinstrukteurs und forderte drei Millionen Euro, der HSV war nicht bereit, so viel Geld in die Hand zu nehmen. »An eine Größenordnung, die Bochum sich vorstellt, ist nicht zu denken«, äußerte sich Dietmar Beiersdorfer klar und deutlich. Der Deal platzte und Hochstätter musste sich von den Fans die Frage gefallen lassen, ob er wirklich noch mit vollem Herzen beim VfL war. Sein Ansehen in Bochum bekam die ersten kleinen Risse.
»Es bleibt ein fader Beigeschmack«
Diese wurden bis zur vergangenen Woche nicht gekittet. Nein, sie wurden größer und größer. Nach Rang neun wurde Verbeek entlassen. Nicht jedoch am Ende der Saison, sondern zwei Wochen vor Start der Spielzeit 2017/2018. Erneut waren atmosphärische Störungen der Grund. Denn die fachlichen Qualitäten waren auch laut Hochstätter weiterhin »unbestritten«. Eine zumindest diskussionswürdige Entscheidung. Klar ist lediglich: Dem neuen Coach Ismail Atalan, welcher sich zuvor seine Sporen bei den Sportfreunden Lotte verdient hatte, blieb nur wenig Zeit Mannschaft und Umfeld kennenzulernen. Und kaum hatte er dies getan, war er auch schon wieder weg. Lediglich 91 Tage nach seiner Einstellung musste er bereits wieder Adieu sagen. Seine Aussage danach hätten ebenso Neururer und Verbeek treffen können: »Es bleibt ein fader Beigeschmack«. Drei Trainer, drei Entlassungen, drei gestörte persönliche Verhältnisse.
Nicht nur die Entlassung sorgte für Schlagzeilen. Gleichzeitig suspendierte Hochstätter Kapitän Felix Bastians für 14 Tage. Hintergrund war, dass er vor dem Spiel gegen Nürnberg Nudeln mit Butter zum Essen bekam. Das Problem: Bastians ist bekanntermaßen laktoseintolerant. Er verpasste das Spiel. Seine Reaktion soll hart gewesen sein. Angeblich fielen die Worte »Brot kann schimmeln, ihr könnt nichts«.
Der mittlerweile angezählte Sportvorstand war dringend auf eine richtige Entscheidung angewiesen und wählte Jens Rasiejewski als neuen Trainer, einen seiner Vertrauten im Klub. Zunächst schien dies auch den gewünschten Effekt zu bringen. Nur eines der ersten acht Ligaspiele unter Rasiejewski ging verloren. Doch dann hagelte es vier Niederlagen in Folge und der VfL stürzte wieder tief in den Abstiegskampf.
»Dann ist dieser Verein nicht handlungsfähig«
Die Stimmung kippte komplett. Bei einigen Fans war Hochstätter zu einem roten Tuch geworden. Gerrit Starcewski, ein in Bochum bekannter Anhänger des VfL und bekennender Gegner des Vorstandes sagte Anfang Januar »Die Außendarstellung unseres Klubs ist katastrophal. So einen Weg wollen wir nicht mehr weiter mitgehen«.
Als Hochstätter sich später auf einem Fan-Talk auch noch zu der Äußerung »Wenn ich morgen sage, ich bleibe zu Hause, dann ist dieser Verein nicht handlungsfähig« hinreißen ließ und zugab, dass er den Kader »nicht für die 3. Liga, sondern für die 1. Liga«, geplant habe, sah sich der Verein gezwungen zu handeln. Der immer mehr zur One-Man-Show verkommenen Amtszeit des 54-jährigen wurde ein Ende gesetzt, um alle Kräfte auf das Spiel gegen Darmstadt zu bündeln.
Gleich fünf (Ex-)Spielern gefiel dies in den sozialen Netzwerken. Unter anderem dabei: Felix Bastians, der mittlerweile nach China geflüchtet ist und mitten im Wechseltheater um seine Person verriet: »Es wurde der Mannschaft mehrfach gesagt, dass jeder, der Christian Hochstätters Weg nicht mitgehen möchte, hochkommen soll, um seinen Vertrag aufzulösen. Das habe ich getan«. Nicht nur er. Auch der VfL Bochum.