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» Dieser Text erschien erst­mals am 27. Juni 2013.

Roman­ti­sche Fuß­ball­i­dylle, wie man sie in Eng­land oft noch antrifft, sucht man im Stadt­teil Barnes ver­geb­lich. Schon der Name des Stadt­be­zirks im Süd­westen Lon­dons klingt eher nach Teatime als nach Pau­sentee: London Borough of Rich­mond upon Thames. Hier, genau genommen auf den Barn Elms Playing Fields, ist der Stone­wall Foot­ball­club zuhause, der erfolg­reichste schwule Fuß­ball­verein der Welt. Doch vor­nehm geht es auch im Stadt­teil Barnes, zwi­schen Straw­berry Hill und Rich­mond Park, nur selten zu.

Eric Najib ist Trainer, Tor­wart, seit 2006 auch Geschäfts­führer. Und er ist stink­sauer. Das ohnehin ernste Gesicht wirkt jetzt noch grim­miger. Gerade hat sein Team 0:1 ver­loren. Im Halb­fi­nale der schwulen Euro­pa­meis­ter­schaft in Dublin. Ver­loren gegen Vil­lage Man­chester FC. Aus­ge­rechnet. Denn wie in allen Ligen Eng­lands gelten Duelle zwi­schen London und Man­chester als beson­ders pres­ti­ge­trächtig. Der obli­ga­to­ri­sche Tritt an den Pfosten, Absage des ver­ein­barten Inter­views. In sol­chen Momenten erin­nert Najib auch äußer­lich seinem Namens­vetter Eric Can­tona. Der Fran­zose, exzen­trisch, lau­nisch, immer nah am Aus­raster, war in den 1990er Jahren als Spieler von Man­chester United Publi­kums­lieb­ling der eng­li­schen Pre­mier League. Ein Grenz­gänger.

Weil Stone­wall in den ver­gan­genen Jahren fast regel­mäßig die großen Tur­niere wie die Gay­Games und Euro­Games bestimmten, schmerzt ein vor­zei­tiges Aus­scheiden dop­pelt. Nie­der­lagen nagen am Selbst­ver­ständnis der erfolgs­ver­wöhnten Lon­doner Kicker. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie in der Midd­lesex County Foot­ball League gegen Crick­le­wood Wan­de­rers und den AFC Wem­bley antreten müssen – oder gegen schwule Teams aus Ham­burg und Man­chester.

1990: Das Outing von Justin Fas­hanu

In Eng­land outete sich der erste Pro­fi­fuß­baller über­haupt: Justin Fas­hanu von Not­tingham For­rest offen­barte sich im Jahr 1990. Er wurde dar­aufhin nicht nur aus dem Team geworfen, son­dern auch von der eigenen Familie ver­stoßen. Nachdem acht Jahre später Miss­brauchs­vor­würfe gegen Fas­hanu erhoben wurden, erhängte er sich unter mys­te­riösen Umständen.

Nur ein Jahr nach dem spek­ta­ku­lären Outing Fas­hanus wurde der Stone­wall Foot­ball­club gegründet. Ein gewisser Aslie Pitter schal­tete im März 1991 eine Anzeige: Suche nach Mög­lich­keiten, mit Gleich­ge­sinnten im Liga­be­trieb Fuß­ball zu spielen.“ Das Echo war über­wäl­ti­gend. Viele Spieler, die in nor­malen“ Clubs spielten, sich aber ver­ste­cken mussten, sahen in dem neuen Verein die Chance zur Ent­fal­tung ihrer eigenen Iden­tität. Obwohl sie Fuß­baller sind. Oder gerade weil sie Fuß­baller sind.

Der Ver­eins­name sei zwar bewusst gewählt worden, eine poli­ti­sche Aus­sage sei damit jedoch nicht ver­bunden, ver­si­chert Eric Najib. Der Begriff Stone­wall steht für Aus­ein­an­der­set­zungen zwi­schen Homo­se­xu­ellen und der Polizei 1969 in New York. Aus­löser war eine Razzia in der Schwulen-Bar Stone­wall Inn“ in der Chris­to­pher Street. Erst­mals wider­setzte sich eine große Gruppe von Homo­se­xu­ellen der Staats­macht, was noch heute als Wen­de­punkt im Kampf für Gleich­be­hand­lung und Aner­ken­nung gesehen wird. In Eng­land nennt sich neben den Fuß­bal­lern aus dem Süd­westen Lon­dons auch die bedeu­tendste Orga­ni­sa­tion von Lesben und Schwulen im König­reich Stone­wall.