Vor der Saison erklärte er sich bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dass es etwas länger dauerte, bis Nico Elvedi Chef wurde, lag an seinem Naturell und einer Blinddarmentzündung. Aber definitiv nicht an seinen überragenden Passquoten.
So eine Blinddarmentzündung ist alleine deshalb unnötig, weil der Wurmfortsatz selbst komplett überflüssig ist. Also kommen Blinddarmentzündungen per se zur Unzeit, weil sie das Resultat des Schlendrians der Evolution sind. Besonders ungünstig kommen sie aber dann, wenn man Profifußballer ist und in den letzten Zügen der Sommervorbereitung liegt – wortwörtlich.
Nico Elvedi musste sich im Sommer kurz vor Saisonstart einer Blinddarm-Operation unterziehen, der planmäßige Ersatz für den nach Southampton transferierten Abwehrchef Jannik Vestergaard lag flach. Die nächste Sprosse auf seiner steilen Karriereleiter musste noch darauf warten, erklommen zu werden.
Mit 18 Jahren war der junge Schweizer im Sommer 2015 nach nur einem Jahr als Profi vom FC Zürich nach Gladbach gekommen. Trotzdem zahlte die Borussia vier Millionen Euro für den Verteidiger, der damals auch schon die Schweizer U19-Nationalmannschaft als Kapitän anführte. Anfang November debütierte er in der Liga, einige Wochen später in der Champions League. In der Rückrunde stand er an fast jedem Spieltag in der Startformation von André Schubert, der ihm den merkwürdigen Spitznamen „Eisvogel“ verlieh.
Zwölf Einwohner pro Quadratkilometer
Auch in den beiden folgenden Saisons verpasste Elvedi insgesamt nur zehn Spiele. Urs Meier, sein Trainer in Zürich, schien recht zu behalten: „Nico bringt alles mit, was es für eine große Zukunft braucht. Nichts bringt ihn aus der Ruhe“, hatte er vor dessen Wechsel nach Gladbach gesagt. Elvedi hatte dabei in zweierlei Hinsicht Glück in Gladbach: Einerseits erleichterten die vielen Schweizer im Borussia-Kader die Eingewöhnung, auch wenn er zu Beginn an jedem freien Tag nach Zürich zu Freunden und Familie fuhr. Andererseits konnte er sich heimlich, still und leise auf der großen Bühne beweisen, während die Kollegen um Thorgan Hazard, Raffael oder Xhaka die Schlagzeilen bestimmten. Obwohl er Sergio Ramos als sein Vorbild nennt, passt das zum Charakter des mittlerweile 22-Jährigen: „Ich habe ihn nicht zum Captain gemacht, weil er ein Lautsprecher ist“, sagte sein Schweizer U19-Trainer Heinz Moser damals über Elvedi, „sondern sozialkompetent und mit seiner Leistung die Akzeptanz der anderen besitzt.“
Ob es daran liegt, dass die Familie Elvedi aus dem Val Lumenzia im Schweizer Kanton Graubünden stammt, wo fast ausschließlich die surselvische Version des Rätoromanischen gesprochen wird? Oder weil bei einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von zwölf Einwohnern pro Quadratkilometer nicht viel Kommunikation nötig ist? Man weiß es nicht. Fakt ist aber, dass Elvedi selbst sich vor der Saison vornahm, mehr Verantwortung zu übernehmen: „Ich habe das Ziel, in den nächsten Jahren ein Leader zu werden.“ Dafür muss man kein Lautsprecher sein. Aber verstecken sollte man sich ebenfalls nicht. Gladbachs Manager Max Eberl befand zwar: „Elvedi ist einer der meistunterschätzten Spieler der Bundesliga“, aber eben auch: „Er darf ruhig ein bisschen mehr Selbstvertrauen zeigen.“