Live-Fußball ist längst rund um die Uhr verfügbar, heißt es. Aber stimmt das? Und was macht das mit einem? Ein Marathon-Selbstversuch mit schmerzhafter Erkenntnis.
„Ich ziehe in den Krieg“, sage ich am Morgen zur Supermarkt-Kassiererin. Die mich gar nichts gefragt hat und so schaut als sei ihr gerade klargeworden, dass das mit Maik gestern Abend ein großer Fehler war. Gern würde ich ihr erzählen was ich vorhabe. Dass ich mir zwölf Stunden am Stück Fußball reinziehen werde.
„Zwölf Stunden am Stück?! Das ist ja Wahnsinn“, würde die Supermarkt-Kassiererin antworten. Zumindest in meiner Fantasie. Und ich würde sagen: „Einer muss es ja tun.“ Die Überlegung dahinter ist simpel: Fußball, so heißt es, ist längst omnipräsent. Fußball, so heißt es, kann man inzwischen rund um die Uhr schauen. Immer ein Spiel, immer live verfügbar.
Der Tag verspricht Einiges
Aber: stimmt das? Und: Wie fühlt sich das an? Zwölf Stunden Fußball am Stück. Zwölf Stunden Groundhopping vom Sofa aus. Was lernt man über den Fußball fernab von Bundesliga und Champions League, fernab von Weltmeisterschaften und allem, was einem eben so geläufig ist?
Die Prämisse meines Versuchs: Ich schaue nichts illegal. Nur das, was man eben so schauen kann in Deutschland. Sky, Laola1.tv, DAZN, Eurosport. Und das bewusst nicht am Wochenende, wenn es in Europa rund geht, sondern ganz ordinär unter der Woche. Wenn Fußball immer verfügbar sein soll, dann doch wohl auch an einem Dienstag im Oktober.
Und der Tag verspricht Einiges. Die Highlights am Abend, Champions League, klar. Manchester City gegen den SSC Neapel. Real Madrid gegen Tottenham Hotspur. Aber auch sonst ist mit dem Blick auf die Ansetzungen viel Schönes dabei.
11 Uhr
Gleich die erste Enttäuschung. Zwar laufen schon einige Partien, und vieles davon klingt verheißungsvoll, aber ich kann nichts davon sehen. Ich würde ja gern einen Blick auf die U19 des Angthong FC gegen die U19 des Chainat FC werfen. Der thailändische Coke U19-Cup klingt nach einem großartigen Wettbewerb. Aber nix da. Und weder kann ich mir Psir Rembang gegen Persik Kediri (Indonesien) noch FK Maktaaral gegen FK Kaspyi Aktau (Kasachstan) anschauen. Ich bedauere beides. Und weil ich mich eben nicht auf illegalen Seiten herumtreiben möchte, verschiebe ich den Start meines Mini-Marathons auf 13 Uhr.
13.20 Uhr
Beim Eurosport-Player startet die Übertragung des Achtelfinales der U17-WM zwischen Frankreich und Spanien. Live aus dem Indira Gandhi-Stadion in Guwahati. Einer Stadt, die 8500 Kilometer entfernt ist von Berlin. Das Stadion fasst 23,850 Zuschauer und ist angeblich 2007 eröffnet worden. Tatsächlich sieht es aus wie das Nationalstadion in Sofia. Im Jahr 1983. Und voll ist die Schüssel nun auch nicht gerade. Vielleicht 1000 Neugierige.
Laut der Wettanbieter ist Spanien leichter Favorit. Kann ich schwer einschätzen, ich kenne keinen einzigen Spieler. Die einzigen Kicker, denen transfermarkt.de einen Marktwert spendiert, sind Frankreichs Amine Gouiri (Olympique Lyon, 150.000 Euro Marktwert) und Spaniens Abel Ruiz (FC Barcelona, 200.000 Euro Marktwert). Der hat immerhin schon vier Zweitligaspiele (1 Tor) für die zweite Mannschaft der Katalanen absolviert.