21 Jahre lang konnte unser Autor und BVB-Fan Uli Hesse seinem Klub eine 2:5‑Derby-Niederlage nicht verzeihen. Doch dann setzte Christoph Metzelder zum Sprint seines Lebens an und sorgte bei ihm fortan für einen warmen Hals.
„Und Sie sind aus Dortmund?“, fragte Ottmar Hitzfeld mich interessiert, als die Sky-Kameras eine Pause einlegten. Moderator Michael Leopold hatte mich kurz zuvor als BVB-Fan und „Dauerkartenbesitzer seit 1982“ vorgestellt, was Hitzfeld sichtlich freute.
„Bis 1991 stand ich sogar immer mit Schal auf der Südtribüne“, antwortete ich. „Aber dann bekamen wir einen neuen Trainer, von dem wir noch nie etwas gehört hatten. Angeblich ein Schweizer.“ Hitzfelds Augen funkelten lustig, aber er unterbrach mich nicht. „Gleich das fünfte Spiel der Saison war das Derby“, fuhr ich fort. „Und das hat der neue Trainer auswärts doch tatsächlich 5:2 vergeigt. 5:2! Von dem Tag an habe ich aus Protest meinen Schal nicht mehr mitgenommen.“ Hitzfeld hob entschuldigend die Hände. „Mir hat damals keiner erklärt, wie wichtig dieses Spiel ist!“, verteidigte er sich. „Ich kam aus der Schweiz und hatte keine Ahnung von der Bedeutung des Derbys.“ – „Nun ja“, sagte ich. „Sie haben dann ja einiges getan, um es wiedergutzumachen.“
21 Jahre ohne Schal
Was ich ihm allerdings nicht sagte, war, dass auch ein paar Meisterschaften und selbst ein Champions-League-Sieg mir als Wiedergutmachung nicht reichten. Nach der Derby-Niederlage vom August 1991 sollte es knapp 21 Jahre dauern, bis ich versöhnt genug war, um wieder mit einem Schal ins Stadion zu gehen.
Ja, so wichtig war das Derby nicht nur mir, sondern auch allen anderen Dortmundern. Bis etwas gänzlich Unerwartetes passierte – der BVB wurde gut. Unter Hitzfeld wurde er so gut, dass wir plötzlich regelmäßig um Titel spielten und sogar auf der ganz großen Bühne mittanzten. Und das, so merkten wir bald, verschiebt die Prioritäten. Plötzlich hießen die wahren Rivalen Bayern München und Juventus Turin, das Derby wirkte immer öfter wie eine lästige Pflichtveranstaltung. Und je höher wir in Dortmund die Nase trugen, desto entschlossener gingen die Schalker in diese Duelle.
Lange Jahre war es praktisch unmöglich für uns, ein Derby zu gewinnen. Und zwar nicht, weil die Mannschaft zu schlecht gewesen wäre (sie wurde 2002 ja sogar Meister), sondern weil sie jene Spiele als ganz normale Bundesligapartien betrachtete und dann auf einen Gegner traf, der um Leben und Tod spielte. Jahr um Jahr, Derby um Derby rannten die Blauen wie unter Drogen, während irgendwelche gerade von irgendwoher gekauften Typen in schwarz-gelben Trikots ihnen kopfschüttelnd nachschauten und, so sah es jedenfalls von außen aus, dabei murmelten: „Was ist denn mit denen los? Warum sind die so aufgekratzt?“
Eine schlimme Saison mit drei Trainern
Diese Vorgeschichte – nur ein Sieg aus den letzten 18 Derbys und viel zu viele Spiele ohne Herzblut, ohne Leben – muss man kennen, um zu verstehen, warum der 12. Mai 2007 zum größten Dortmunder Tag jenes Jahrzehnts wurde. Es war der vorletzte Spieltag einer weiteren schlimmen Saison, mit vielen schlimmen Spielen und gleich drei Trainern, von denen der letzte der schlimmste war, obwohl unter ihm wenigstens die Abstiegsgefahr gebannt wurde. Aber eine aus Sicht aller Fans noch viel größere Gefahr bestand noch, dass nämlich Schalke – nach 32 Spieltagen Tabellenführer – mit einem Sieg im Westfalenstadion nicht nur ein weiteres Derby gewinnen würde, sondern sogar nach fast einem halben Jahrhundert wieder die Meisterschaft. Auf Dortmunder Boden!