Rechte Fans in New York
Fußball in Zeiten des Trump
Seit ihrer ersten Saison 1994 hat die MLS versucht, ihren Rückstand auf den europäischen Fußball aufzuholen. Mittlerweile scheint sie bei rechten Hooligans angekommen zu sein. Doch auch die Gegenseite steht schon bereit.
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Der Start der neuen MLS-Saison lief nicht wirklich prickelnd für New York City FC. Der Conference-Halbfinalist von 2018, der gegen den späteren Meister Atalanta United ausgeschieden war, kam bei Orlando City SC nach einer 2:0-Halbzeitführung nicht über ein 2:2 hinaus. Am ersten Spieltag beim Schlusslicht der letzten Saison kann NYCFC-Trainer Dome Torrent dennoch damit leben: »Wenn du auswärts nicht gewinnen kannst, darfst du zumindest nicht verlieren.« Der Fokus in New York liegt jetzt auf dem ersten Heimspiel der Saison am kommenden Wochenende gegen Wayne Rooney und DC United – auf dem Spielfeld ebenso wie auf den Tribünen.
Für viele aktive Fans wird es abseits des Platzes entscheidender als auf dem Rasen. Denn in den Blöcken 235 bis 238 des Yankee Stadium, wo seit der ersten MLS-Saison von NYCFC 2015 die aktive Fanszene steht, spitzt sich ein seit Jahren brodelnder, aus deutschen Stadien leider nur zu bekannter Konflikt zu, wie die Huffington Post berichtet.
Seit Jahren machen sich rechte Fans breit
Schon in der Debüt-Saison 2015 gab es erste Berichte, dass sich eine kleine Gruppe von Skinheads um die bekannten rechten Aktivisten Irvin Antillon, Denis Davila und Joseph Dellapina im Block 237 breit machen würde. Mitten in der Heimat von »The Third Rail«, dem damals einzigen anerkannten Fanklub, gab es angeblich rassistische Beleidigungen, Neo-Nazi-Propaganda und andere diskriminierende Äußerungen.
Die rechten Fans in der Kurve organisierten sich unter dem Namen Empire State Ultras (ESU). Obwohl andere ihre Aktivitäten im Stadion und außerhalb der Klubführung bekannt machten, unternahm das Franchise laut Huffington Post nichts. ESU konnten weiter Hass verbreiten, »White Power«-Aufkleber anbringen oder außerhalb des Stadions mit SS-Totenkopf-Banner posieren.
Sie waren nicht die erste rechte Gruppe, die sich im nordamerikanischen Fußball zu etablieren versuchten. In der Vergangenheit, und gerade im New York der 90er, hatten sich in den Szenen aber linke Fangruppen durchgesetzt und Neo-Nazis aus den Kurven geworfen – zur Not auch mit Gewalt. Auch beim NYCFC organisierten sich Fans gegen die unwillkommenen Elemente in ihrem Block, woraufhin sie zumindest vorrübergehend nicht mehr ins Stadion kamen. Dauerhaft verdrängt wurden sie aber nicht.
- Donald Trump hat den Konflikt befeuert
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Mittlerweile treten die Skinheads nicht mehr unter dem Label ESU auf, im Stadion sind sie aber immer noch anzutreffen. Andere Gruppen wie New York City Hooligans oder Los Templados 12, die mit ESU in Verbindung standen, schlossen sich 2017 der zweiten offiziellen Fan-Organisation New York City Supporters Club an.
Im März 2018 tauchte dann der Instagram-Account einer Gruppe namens River Ave Casuals, oder kurz: RAC, auf. RAC steht in rechtsradikalen Kreisen ebenfalls für Rock Against Communism - ab den 70er Jahren zunächst eine rechtsnationale Konzertreihe und mittlerweile ein eigenes Musik-Genre. Auf dem Account werden Gewalt verherrlicht, Slogans wie »Love Football – Hate Antifa« verbreitet und weiter mit dem Label ESU geworben. Auch die Freilassung des zwischenzeitlich inhaftierten Tommy Robinson, Gründer der rassistischen English Defense League und Gastredner bei PEGIDA, forderten die River Ave Casuals, die sich nach der Hauptstraße vor dem Yankee Stadium benannt haben.
»Früher oder später wird jemand umgebracht«
Alles deutet darauf hin, dass ESU und RAC ein und dieselbe Gruppierung sind. »Es ist ein zyklisches Phänomen«, sagte ein anonymer NYCFC-Fan gegenüber Huffington Post, »und jedes Mal, wenn es wiederkommt, wird es schlimmer.« Früher oder später würde die Gruppe Schlagringe ins Stadion schmuggeln und jemanden umbringen, prophezeit er. Trotz all der Warnungen wäre der rechten Gruppierung außerhalb der Fanszene vermutlich weiterhin keine große Aufmerksamkeit beigemessen worden. Hätte Donald Trump eine sowieso polarisierte Gesellschaft nicht noch weiter gespalten.
Im Oktober 2018 trat Gavin McInnes, Mitgründer des Magazins VICE und Initiator des neo-faschistischen Männerbunds »Proud Boys«, in New York City vor weit rechts zu verortenden Mitstreitern auf. Mitglieder von McInnes Bruderschaft und andere Teilnehmer der Veranstaltung griffen anschließend eine Gruppe von linken Demonstranten an. Mit dabei: Antillon, Davila und Dellapina. Mindestens Antillon hatte 2017, berichtet Huffington Post, auch am »Unite The Right«-Aufmarsch in Charlottesville, Virginia teilgenommen, in dessen Anschluss die Gegendemonstrantin Heather Heyer von einem Neo-Nazi getötet worden war, der mit seinem Auto in eine Gruppe Demonstranten raste.
Untätigkeit statt Null-Toleranz-Politik
Die Schlägerei in New York wurde zum nationalen Medienereignis – und rückte auch die Präsenz der Angreifer bei NYCFC-Spielen wieder ins öffentliche Interesse. Während die Präsidentschaft von Donald Trump in den sowieso mehrheitlich linken Fanszenen der MLS antirassistischen Tendenzen weiteren Aufwind gegeben hat, scheint das im Yankee Stadium nur bedingt der Fall zu sein.
Das Franchise selbst veröffentlichte nach dem Proud-Boys-Vorfall ein Statement. »NYCFC hat eine Null-Toleranz-Politik für hassbezogene Angriffe jeglicher Art«, stand darin. Diese würde ohne Zögern durchgesetzt. Tatsächlich wurde Antillon Ende Oktober mit einem Stadionverbot belegt. Seine Kameraden waren aber über den Rest der Saison immer noch in der Arena anzutreffen.
Andere Fans geben gegenüber Huffington Post dem NYC Supporters Club eine Mitschuld daran. Dieser würde die Gruppe beschützen und ihre radikalrechten Positionen herunterspielen. Ähnliche Effekte konnte man bei politischen Auseinandersetzungen in deutschen Fankurven beobachten, wenn sich dominante Fangruppen unter dem Deckmantel des »Unpolitischen« mit rechten Hooligans gemein machten.
Tatsächlich veröffentlichte der NYCSC-Vorstand mittlerweile auf Twitter ein Statement. »NYCSC war und wird nie mit irgendeiner sozialen oder politischen Bewegung gleichgerichtet sein«, heißt es darin. Man verurteile Hass auf Menschen aufgrund derer Hautfarbe, Religion, Herkunft oder sonstiger Eingeschaften. Gleichzeitig akzeptiert der Fanklub Menschen in seinen Reihen, die SS-Totenköpfe oder Blood-&-Honour-Schriftzüge auf ihre Körper tätowiert haben. So geht unpolitisch in der MLS. - Auf Liga und Klubführung ist kein Verlass
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Die Rolle von Fans im durchkommodifizierten Franchise-System der nordamerikanischen Fußballliga ist eine schwierige. Solange sie Choreos zeigen und Bilder produzieren, mit denen die MLS Werbung machen kann, ist alles gut. Doch die kleinste Grenzüberschreitung kann zum Ausschluss führen, wenn die Liga ihr Image in Gefahr sieht.
Diese Grenzen legt der MLS-Fan-Verhaltenskodex fest. Darin stehen auch politische, beleidigende und bedrohende Sprache unter Strafe, »einschließlich rassistisches, homophobes, fremdenfeindliches, sexistisches oder anderweitig unangemessenes Verhalten.« Auf dieser Basis wurde im Yankee Stadium auch schon ein Banner mit der Aufschrift »No Hate« konfisziert. Gegen Rassisten im Stadion bleibt es aber scheinbar beim Lippenbekenntnis.
Vom Journalisten Jonathan Tannenwald auf die Berichterstattung der Huffington Post angesprochen, gab MLS-Commissioner Don Garber zu Protokoll, es handle sich nicht um Verhalten im Stadion, sondern Meinungen von Fans über andere Fans, wie dieser auf Twitter berichtete. »Unser Job ist es nicht, Fans zu beurteilen.« Angesprochen darauf, dass andere Fans sich eingeschüchtert und nicht sicher fühlen, verwies er lediglich erneut darauf, dass bei Fehlverhalten Konsequenzen gezogen würden.
»Das sind alles verdammte Idioten«
Nicht zuletzt sollte auch das Franchise selbst und sein Mehrheitseigner, die City Football Group, ebenfalls Besitzer von Manchester City, Melbourne City und anderen Vereinen, ein Interesse daran haben, weite Teile seiner Fans nicht zu verprellen, indem es eine kleine Gruppe Neo-Nazis im Stadion toleriert. Denn deren Präsenz stößt mittlerweile immer mehr auf Widerstand: »Wir erreichen die Genug-ist-genug-Phase der Angelegenheit«, sagte ein Fan gegenüber der Huffington Post. Ein Lichtblick sei, dass die rechte Gruppe wohl nie das Potential von europäischen Hooligans erreichen würde. Denn: »Das sind alles verdammte Idioten.«
Die mangelnde Organisationsfähigkeit spielt ihren Gegnern zwar womöglich in die Karten. Doch dass Idiotie und rechte Gewalt sich eben nicht ausschließen, sollte ebenfalls bekannt sein. In einem Land, dessen innerpolitische Spannungen im Allgemeinen und dessen Präsident im Speziellen die sozialen Brandherde immer weiter anheizen, sollte man sich besser nicht auf das Versagen der Gegenseite verlassen. Auch in der MLS, diesem künstlichen, totalkapitalisierten Albtraum jedes Fußball-Traditionalisten, müssen Fans um ihren Raum im Stadion kämpfen. Wenn sie denn echte, meinungsstarke Fans sein wollen – und nicht nur Kunden.
Deshalb hoffen eben diese Fans jetzt auf Solidarität von der Zivilgesellschaft und anderen Szenen der Liga. Getreu dem altbekannten Motto: In den Farben getrennt, in der Sache vereint – gegen Neo-Nazis, Rassisten und Nationalisten in der Kurve. Denn auf Liga und Klubführung können sie sich offensichtlich nicht verlassen.