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Kein Bier vor elf Uhr mor­gens. Das ist die Vor­schrift. Und so reihen sich um 10.55 Uhr mehr als 40 Männer ent­lang des langen blau-weißen Tre­sens im fens­ter­losen Glas­gower Pub Louden Tavern auf. Sie lehnen die schweren Ober­körper nach vorn und starren auf die sil­ber­glän­zenden Zapf­hähne Zen­ti­meter vor ihren Augen.

Heute ist Old Firm, Ran­gers gegen den Erz­feind Celtic, der Klub mit pro­tes­tan­ti­schen Wur­zeln gegen den katho­lisch geprägten Rivalen. Es ist eines der här­testen Derbys im Welt­fuß­ball. Es findet erst­mals nach knapp drei­jäh­riger Pause statt. Es ist dazu das Halb­fi­nale im schot­ti­schen Pokal. Da ist Durst gar kein Aus­druck für das, was die Ran­gers-Fans ver­spüren. Am liebsten würden sie sich über den Tresen lehnen und das Bier direkt aus dem Hahn saugen.

Mehr als ein Pub

Das ist das inten­sivste Spiel der Welt“, sagt Robert Mar­shall, ein Mann von kräf­tiger Statur und mit einem herz­li­chen Lachen, ohne Haare, aber mit einem aus­ge­prägten Schnäuzer. Er wirkt, als wäre er die Inkar­na­tion des Ran­gers-Spitz­na­mens The Teddy Bears“. Mar­shall ist der Besitzer des Lokals, das nach eigenem Dafür­halten More Than A Pub“ ist. Die Louden Tavern ist voll­ge­hängt mit gerahmten Por­träts frü­herer Spieler, unzäh­lige Bild­schirme zeigen die größten Par­tien der Klub­ge­schichte, zwi­schen ihnen jeweils ein Wort: We – are – the – people.

Die Decke ist in Blau, Weiß und Rot gehalten, den Farben des Union Jack, der Fahne des bri­ti­schen König­reichs und Nord­ir­land. Überall ist von der Treue zu Eng­land die Rede, gesungen wird God Save the Queen“. Jungs in schwarzen Jacken stehen vor dem Ein­gang. Hou are ye?“ – Fuck the pope.“ Übli­cher Small­talk.

Ran­gers hängen finan­ziell am Tropf

Das Louden mag viel­leicht wirk­lich mehr als eine Schänke sein, ein Museum eher, ein Refu­gium zur Abschot­tung vor der Gegen­wart. Schräg gegen­über liegt das Sta­dion der Ran­gers, das Ibrox, in dem der Verein in den ver­gan­genen Jahren nach dem Zwangs­ab­stieg gegen Gegner wie East Stir­lingshire oder Ayr United antreten musste. Die Namens­rechte der ehr­wür­digen Spiel­stätte hatte der Klub kurz­zeitig für ein Pfund an einen win­digen Geschäfts­mann abge­treten – und von dieser Sorte haben sie bei den Ran­gers zuletzt genug gesehen.

Das ist alles eine kri­mi­nelle Ver­schwö­rung, und diese Ver­bre­cher werden noch vor Gericht gestellt werden“, sagt Mar­shall, seine dunkle Stimme wird schnell, seine Worte klingen nun wie ein Drum­solo. Unter­nehmer an der Spitze des Klubs tricksten mit Steuern, häuften Schulden an und führten die Betrei­ber­ge­sell­schaft des Ver­eins in die Insol­venz. Die ruhm­rei­chen Ran­gers mussten 2012 in der vierten Liga neu starten. Zwar bra­chen sie dort Zuschau­er­re­korde und stiegen zweimal in Folge auf, doch der Klub hängt finan­ziell weiter am Tropf. Das große Spiel gegen Celtic ist das erste nach langer Zeit, aber es kann auch das letzte für lange Zeit bleiben.

Bestimmte Lieder sind ver­boten, die Polizei kon­trol­liert

Um Punkt elf Uhr öffnen sich die Schleusen. Die Kell­ne­rinnen ziehen die Zapf­hähne, es wird laut, nicht lange, bis Gläser auf dem Boden zer­schellen, aus den nun gespülten Kehlen erklingt der Chor: Build my gal­lows“ – baut meine Galgen. Die Fans singen ein Lied über einen aus ihrer Sicht auf­rich­tigen Mär­tyrer, einen Loyal Ulster Man“, einen Ver­tei­diger der bri­ti­schen Mon­ar­chie, der gehenkt werden soll. In dem Song kommt kein ein­ziges Wort über die Ran­gers vor, aber an diesem Ort und an diesem Tag ist alles mit Reli­gion und Politik ver­knüpft.

Wenig später betritt die Polizei unter Buh­rufen das Lokal und spricht mit Mar­shall. Er nickt und nimmt sich das Mikro. Die Musik ver­stummt. Ich soll noch einmal darauf hin­weisen, dass die Polizei ein­greifen wird, wenn bestimmte Lieder gesungen werden.“ Dann zählt er einige der Gesänge auf, die ver­boten sind. 2012 trat der Offen­sive Beha­viour Act“ in Kraft, ein Gesetz, dass Belei­di­gungen, vor allem reli­giöse, beim Fuß­ball unter Strafe stellt. Robert Mar­shall schüt­telt den Kopf. Seiner Mei­nung nach sollten die Leute doch singen können, was sie wollen. Dieses Gesetz för­dere doch nur den Korps­geist unter den Fans und die Ableh­nung gegen­über der Polizei. Ich glaube, es war Hamlet, der sagte: Sie sollten auf­hören, diese Leute zu Helden zu machen, indem sie sie ein­sperren.“ In Glasgow ist alles mög­lich, auch dass kan­tige schot­ti­sche Pub­be­sitzer Hamlet zitieren.

Mar­shall schiebt noch nach: Wenn einer wegen dieser Nich­tig­keit belangt wird, ist er doch unter seinen Freunden der große Mar­tell.“ Karl Mar­tell wurde nach einer Schlacht im frühen Mit­tel­alter als Befreier des Abend­landes“ bezeichnet.

Häus­liche Gewalt dop­pelt so hoch an Tagen des Old Firm

Die schot­ti­sche Polizei hat an diesem Tag ohnehin genug zu tun. Sie stattet allen akten­kun­digen Män­nern, die ihre Frau geschlagen haben, einen Besuch ab. Stu­dien zufolge steigt die häus­liche Gewalt an den Tagen des Old Firm auf das Dop­pelte. Die Kellner in Glasgow wurden ange­wiesen, leere Gläser sofort abzu­räumen, damit sich die Besu­cher diese nicht gegen­seitig über den Kopf ziehen können.

Die Knei­pen­kette Wethers­poon hat sich dagegen ent­schieden, das Spiel in ihren Glas­gower Bars zu über­tragen. Zugunsten der Sicher­heit ver­zichtet sie auf eine der größten Ein­nah­me­quellen des Jahres. Beim Auf­ein­an­der­treffen zwi­schen Ran­gers und Celtic im Jahr 2011 nahm die Polizei 257 Per­sonen fest. Old Firm sei so, sagte einmal der Celtic-Fan Tommy Car­berry gegen­über der Zei­tung Scotsman“, als würde man alle fünf Minuten eine Linie Koks ziehen.