Nur für Shaqiri: die schönsten Fallrückzieher aller Zeiten
Der du stehst im Himmel
Xherdan Shaqiri hat das vielleicht schönste Tor des Turniers geschossen. Hier kommen seine ebenso schmückenden Vorgänger.
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Mauro Bressan
2.11.1999, AC Florenz – FC Barcelona 3:3
Mauro Bressan kann sein Glück kaum fassen. Erst wedelt er mit dem Zeigefinger, dann breitet er die Arme aus, er weiß gar nicht wohin mit seinen Emotionen. Ein Körper voller Glückshormone. Wie soll man sich auch fühlen, wenn man nach 14 Minuten im Champions-League-Spiel gegen den großen FC Barcelona ein Tor schießt, von dem die eigenen Enkel noch schwärmen werden?
Ein Schussversuch der Gastgeber aus Florenz wird zunächst abgeblockt, über Umwege kommt der Ball zu Mauro Bressan, einem bis dato ziemlich unbekannten Italiener, der aus Bari in die Stadt am Arno geholt worden war. Auf dem Rasen springt der Ball hoch auf, Bressan steht mit dem Rücken zum Tor. Jetzt oder nie. Er legt sich waagerecht in die Luft und schmettert das Spielgerät mit dem rechten Fuß Richtung Tor. Und der Ball nimmt die perfekte Kurve, segelt knapp 20 Meter durch die Luft um dann gegen Unterlatte platschend ins Tor zu fallen. Welch ein Treffer! Bressan dreht jubelnd ab, lässt den Zeigefinger rotieren, breitet die Arme... das hatten wir ja schon.
Rivaldo
17.6.2001, FC Barcelona – FC Valencia 3:2
Noch eine Tag danach befindet sich eine ganze Stadt im Ausnahmezustand: »St. Rivaldo, der Du bist im Himmel!«, titelt die Sportzeitung El Mundo Deportio und drückt damit aus, was ganz Katalonien noch 24 Stunden nach dem Naturereignis innerlich vibrieren lässt: Rivaldo, der Brasilianer mit den schmalen Wangenknochen, ist zum Nationalheiligen für alle Fußball-Gläubigen aufgestiegen.
89. Minute, letzter Spieltag in der Primera Division. Barcelona empfängt Valencia, der Tabellenfünfte gegen den Tabellenvierten. Nur ein Sieg kann Barca nach einer durchwachsenen Saison noch Rang vier und damit die Qualifikation für die Champions League sichern. Alles andere als die Königsklasse, wäre nicht hinnehmbar für den Verein, der von sich selbst behauptet »mes que un club«, mehr als ein Klub, zu sein. 89 Minuten sind gespielt und Valencias Baraja und Barcelonas Rivaldo haben sich zu den Protagonisten des Spiels ausgeschwungen, beide haben jeweils zwei Treffer erzielt.
Doch der Gastgeber braucht den Sieg. Eine Flanke aus dem Mittelfeld sucht und findet Rivaldo, der sich mit dem Rücken zum Tor stehend Platz zu verschaffen sucht. Wie an der Schnur gezogen segelt der Ball auf seine Brust, Rivaldo lässt das Spielgerät hoch abtropfen und schmeißt sich dann nach hinten. Mit links erwischt er den Ball und trifft ihn perfekt. Was danach kommt, ist ein Orkan: auf der Tribüne rastet Klub-Präsident Joan Gaspart völlig aus und »umarmt alles, was sich ihm in den Weg stellt« (RP-Online). Rivaldo hat wie im Rausch sein Trikot ausgezogen und verschwindet unter einer Traube an glücksbeseelten Mitspielern. Per Fallrückzieher hat der Brasilianer das 3:2 erzielt, Barcelona spielt in der Champions League. - Jancker und Palermo
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Martin Palermo
30.4.2009, Boca Juniors – Dep. Tachira 3:0
Die »Süddeutsche Zeitung« brachte vor einigen Jahren mal eine ziemlich gehässige Personenbeschreibung über Rolf Töpperwien: »Rolf Töpperwien kennt jeder. Weniger, weil er wunderbare Fragen stellt, sondern weil er mal eine Puff-Rechnung nicht begleichen wollte, und weil er sich einmal im Rausch selbst angezündet hat.« Ähnlich geht es Martin Palermo. Dem gelang das Kunststück 1999 gegen Kolumbien drei Elfmeter in der regulären Spielzeit zu verschießen und muss sich seitdem Hohn und Spott gefallen lassen. Dass die Kollegen vom »Guiness Buch der Rekorde« Palermo später auch noch einen bis dato unerreichten Rekord zusprachen, wird Palermos Situation nicht verbessert haben.
Das wird der aufregenden Karriere vom argentinischen Stürmer nicht gerecht: völlig vergessen hat man zum Beispiel längst einen ganz anderen Rekord: am 30. April diesen Jahres gelang dem Boca-Idol nicht nur der Siegtreffer zum 3:0 gegen den venezuelanischen Klub Deportivo Tachira in der Copa Lipertadores, es war auch sein 22. Tor und damit eine neue Bestmarke im südamerikanischen Elite-Bewerb für Vereinsmannschaften. Gleichzeitig war es Palermos 200. Pflichtspieltreffer für den Traditionsklub aus Buenos Aires. Warum das hier alles so von Bedeutung ist? Nun ja, der blonde Südamerikaner erzielte dieses vor Rekorden strotzende Tor mit einem sensationellen Fallrückzieher.
Carsten Jancker
26.5.1999, Manchester United – Bayern München 2:1
Hätte, wenn und aber. Wenn Carsten Jancker in der zweiten Halbzeit des Champions-League-Endspiel gegen Manchester United seinen etwas unbeholfenen Fallrückzieher aus vier Metern nicht an die Latte, sondern ins Tor geballert hätte, wäre das Drama von 1999 sicherlich kein Drama geworden.
Jancker wäre der verrückte Hüne gewesen, der mit einem Fallrückzieher im Finale der Königsklasse das entscheidende Tor erzielt hätte, ein neuer Hugo Sanchez, bloß 2,35 Meter groß und einem Oberkörper aus Messing! Aber: der Bayern-Stürmer wuchtete seinen Fallrückzieher nur an den Querbalken, völlig unbedrängt und – wie gesagt – vier Meter vor dem Tor von Peter Schmeichel. Hätte, wenn und aber.