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Jeder Fan von Dynamo Dresden kennt Mickaël Poté. Seit 2011 spielt der in Lyon gebo­rene Fran­zose mit ben­i­ni­schen Vor­fahren in Dresden. In der ver­gan­genen Saison gelangen dem Angreifer in 27 Sai­son­spielen zwölf Tore und fünf Tor­vor­lagen, in dieser Spiel­zeit ist seine Quote sogar noch besser: In den ersten beiden Spielen gegen Bochum und 1860 Mün­chen erzielte Poté jeweils ein Tor.

Auch im DFB-Pokal hat Poté getroffen. In der Erst­run­den­be­geg­nung gegen den Chem­nitzer FC schoss der Fran­zose das zweite Tor des Spiels. Dresden gewann mit 3:0. Und den Namen Mickaël Poté kennen seither auch Fuß­ball­fans, die sich sonst nicht für Dynamo Dresden inter­es­sieren. Was leider nicht an Potés Tor lag.

Der 27-Jäh­rige ist dun­kel­häutig und weil er dun­kel­häutig ist, meinten einige Zuschauer im Chem­nitzer Fan­block, den Dres­dener Stürmer mit Affen­rufen belei­digen zu müssen. Uh, uh, uh.“ Die viel­leicht wider­lichste Form der ver­balen Dis­kri­mi­nie­rung im Fuß­ball­sta­dion.

Poté schoss ein Tor und legte den Finger auf die Lippen

Poté hat diese Rufe natür­lich gehört. Er hat erstaun­lich gut reagiert. Für einen Moment schaute er fas­sungslos rauf zu den Arsch­lö­chern, dann kratzte er sich selbst die Ach­sel­höhlen. Die Affen­geste als Ant­wort auf die Affen­rufe. Erstaun­lich auch des­halb, weil man selbst als Zuschauer vor dem Bild­schirm am liebsten in die Chem­nitzer Kurve geklet­tert wäre, um den Idioten die Fresse zu polieren, so wütend machte dieses Uh, uh, uh“. Poté klet­terte nicht, er zeigte den Fans auch nicht den Finger (was ange­messen gewesen wäre), er kratzte sich die Ach­seln. Später schoss er ein Tor, blickte zornig auf die Tri­büne und legte den Finger auf die Lippen. Es muss eine groß­ar­tige Genug­tuung gewesen sein.

Das war am Montag. Natür­lich ist seitdem viel über das Uh, uh, uh“ von Chem­nitz berichtet worden, selbst­ver­ständ­lich hat der Vor­fall eine Debatte aus­ge­löst, wie man auch den letzten ras­sis­ti­schen Dumpf­ba­cken Ein­halt gebieten kann. Das ist gut, weil es zeigt, dass Deutsch­land sehr sen­sibel mit diesen Themen umgeht. Die Zeiten in denen Neo­nazis im Sta­dion unbe­hel­ligt ihren Führer grüßen durften, in denen dun­kel­häu­tige Fuß­baller mit Bananen beworfen wurden und die Werfer dafür dann auch noch Schul­ter­klopfer erhielten, sind zum Glück vorbei. Wenn heute jemand in den oberen Ligen den rechten Arm aus­streckt, die U‑Bahn nach Ausch­witz for­dert oder Uh, uh, uh“ grölt, dann ist er ent­weder Ein­zel­täter oder Ange­hö­riger einer Min­der­heit. Von extremen Bei­spielen oder dun­kel­braunen Ama­teur­ver­einen einmal abge­sehen. Im Ide­al­fall bekommen die Ein­zel­täter oder Min­der­heiten gleich schon im Sta­dion die Quit­tung, werden nie­der­ge­sungen, bier­ge­duscht oder ein paar Mal geohr­feigt. Distan­ziert sich der Verein von ihnen, bestraft, ergreift Gegen­maß­nahmen, arbeiten die Fan­pro­jekte auf Hoch­touren. In Chem­nitz wurde immerhin ein biss­chen nie­der­ge­sungen, für Bier­du­schen und Ohr­feigen fehlen bis­lang die Beweise. Der Klub hat sich distan­ziert, die Strafe ist ange­droht. Das Fan­pro­jekt arbeitet ohnehin auf Hoch­touren. Das kommt dem Ide­al­fall schon recht nahe.

Und der schlimmste Fall? Heißt: schweigen. Gebt diesen Chem­nit­zern Idioten doch nicht noch so eine Platt­form. Igno­riert sie und sie wissen gar nichts mehr mit sich sich anzu­fangen“, pos­tete ein User auf die Face­book-Seite von 11FREUNDE. Falsch. Igno­rieren heißt hier weg­gu­cken, heißt unter den Tep­pich kehren, heißt: so schlimm war es dann doch nicht. Der Autor dieser Zeilen wird es mög­li­cher­weise nicht so gemeint haben. Aber sein Lösungs­an­satz ist nicht richtig.

Helfen“, sagt Torsten Rudolph vom Fan­pro­jekt Dresden, kann nur dau­er­hafte Zivil­cou­rage.“ Heißt: Mund auf­ma­chen, bier­du­schen, was auch immer. Zeigen, was man scheiße findet. Das erfor­dert Mut, selbst bei Ein­zel­tä­tern. Wann trai­niert man es schon, einem fremden Men­schen ins Gesicht zu sagen, dass er sich bit­te­schön samt seiner Mei­nung ver­pissen möge? Je größer und zahl­rei­cher der Gegner, desto schwie­riger wird es.

Auf der Dres­dener Anzei­ge­tafel steht: Ras­sismus ist kein Fan­ge­sang!“

In Dresden kennen sie sich damit aus. Dort waren (und sind) die Arsch­loch­gruppen oft ziem­lich zahl­reich, aggressiv und ein­fach unheim­lich. Mit sol­chen Typen will man sich eigent­lich nicht anlegen. Des­halb: Wer Cou­rage zeigt, muss dafür vollste Unter­stüt­zung vom Verein bekommen“, so Rudolph. Im Fall von Dynamo waren das zum Bei­spiel Tri­kots mit der Auf­schrift Love Dynamo, hate racism“ oder die Anzei­ge­tafel, auf der bei Heim­spielen regel­mäßig der Slogan Ras­sismus ist kein Fan­ge­sang“ auf­leuchtet. Der Klub und das Fan­pro­jekt arbeiten seit Jahren eng zusammen, viele kleine Schritte sind bis­lang getan worden, die einst zu Recht gefürch­tete Fan­szene ist zwar noch immer kein Hord der Nächs­ten­liebe und Auf­ge­klärt­heit, hat sich aber deut­lich in eine posi­tive Rich­tung ent­wi­ckelt. Die Kra­walle von Dort­mund vor einem Jahr haben diese Ent­wick­lung glück­li­cher­weise nur über­schattet, nicht rück­gängig gemacht.

Hate racism“-Trikots, Anti-Ras­sismus-Slo­gans, eine gemeinsam auf­ge­nom­mene CD zur finan­zi­ellen Unter­stüt­zung von anti­ras­sis­ti­schen Pro­jekten, Auf­klä­rungs­ar­beit an der Fan­basis – es sind, was die Außen­wir­kung angeht, win­zige Schritte im Ver­gleich zu dem medialen Echo von ein paar Uh, uh, uh“-Idioten. Wer tat­säch­lich glaubt, dass die Affen­laute aus­ge­storben sind, ist welt­fremd“, weiß auch Rudolph, pas­sieren kann das jeder­zeit überall – natür­lich auch bei uns in Dresden.“ Aber alles ist besser, als igno­rieren und schweigen. Jede Maß­nahme ist ein Zei­chen, ein kleines Symbol, ein leiser Wir wollen den Scheiß nicht bei uns haben!“-Ruf. Steter Tropfen höhlt den Stein. Das wissen sie ganz sicher auch in Chem­nitz.