Lazio-Präsident Claudio Lotito hat die Römer wieder in die schwarzen Zahlen geführt. Warum gilt er trotzdem als „meistgehasster Präsident im europäischen Fußball“?
Es dürfte längst kein Zufall mehr sein, dass der Adler auf dem Wappen von Lazio Rom so grimmig dreinschaut. Auch er hat vermutlich langsam genug davon, was sich beim Hauptstadt-Klub so abspielt. Einst waren es die rechtsradikalen Ultras der „Irriducibili“, die regelmäßig für Negativschlagzeilen sorgten. Zwar sind die „Unbeugsamen“, so der deutsche Name der Fangruppierung, noch heute für den ein oder anderen Eklat gut, auf den Titelseiten der italienischen Gazzetten wurden sie aber schon lange von ihrem Klubpräsidenten abgelöst.
„Ich übernahm diesen Klub bei seiner Beerdigung“
Täglich berichtet Jacopo Simonelli von den Geschehnissen um Lazio und Lotito, er ist Hauptstadt-Korrespondent für den italienischen Transferexperten Gianluca Di Marzio von „Sky Italia“. „Die Ära von Vorgänger Sergio Cragnotti setzte den Fans schwer zu“, erzählt der Journalist. „Sie hatten nach der Jahrtausendwende Angst um das Fortbestehen ihres wirtschaftlich maroden Klubs und sehnten sich nach einem Führungswechsel.“
Im Jahr 2004 wurde Claudio Lotito, ein erfolgreicher Reinigungsunternehmer, neuer Eigentümer von Lazio. Der 59-Jährige kaufte den hochverschuldeten Verein mit dem Ziel, ihn zu sanieren und wieder wettbewerbsfähig zu machen. „Ich übernahm diesen Klub bei seiner Beerdigung und führte ihn zurück ins irreversible Koma. Ich hoffe, ihn bald aufwecken zu können“, sagte Lotito bei seinem Amtsantritt. Er hatte nicht zu viel versprochen, der strikte Sparkurs zeigt Erfolg. Seit Jahren schreibt Lazio schwarze Zahlen und gehört innerhalb Italiens mittlerweile zu den Vereinen, die am gesündesten wirtschaften.
Der gute Geschäftsmann
„Finanziell hat Lotito einen fantastischen Job gemacht“, sagt Simonelli und fügt hinzu: „Trotz aller Einsparungen hatte Lazio stets eine Mannschaft, die gut genug war, um national eine ordentliche Rolle zu spielen.“ Bei Lotito gebe es für Spieler keine Fabelgehälter und wenn er welche verkauft, dann meist über deren Marktwert. Der gebürtige Römer sei ein knallharter Geschäftsmann, der es schafft, bei Verhandlungen so gut wie immer am längeren Hebel zu sitzen.
Was Lotito aber auch ist: Einer dieser unkonventionellen, autoritären Patriarchen, die im italienischen Fußball seit jeher ihr Unwesen treiben und versuchen, Macht und Einfluss zu maximieren. Wenn den Calcio mal wieder ein Skandal heimsucht, dann ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit mitbeteiligt. So auch beim Betrugsskandal Calciopoli im Jahre 2006, in dessen Zuge Lotito bereits eine viermonatige Berufssperre verbüßt hat. Eine Haftstrafe blieb ihm wohl nur wegen Verjährung erspart.
Verwicklungen in Skandale
Lotito ist außerdem bei der letzten Vergabe der Serie A‑Fernsehrechte in Konflikt mit dem italienischen Kartellamt gekommen. Die Pakete wurden nicht an den Höchstbietenden verkauft, der Lazio-Präsident ließ seine Kontakte spielen, strategisches und machtorientiertes Kalkül steckten dahinter. Sein Name fiel vergangenes Jahr auch im Zusammenhang mit dem Manipulationsskandal im Amateurfußball.
Längst gilt Lotito als vielleicht einflussreichste Person im italienischen Fußball. Er ist der entscheidende Mann hinter Verbandspräsident Carlo Tavecchio und beeinflusste dessen Wahlerfolg hinter den Kulissen maßgeblich. Der Großteil der Lazio-Fans sehe Lotito als „korrupten Kriminellen“, sagt Simonelli, doch auch viele Journalisten und Präsidenten anderer Klubs seien die Ellenbogen-Mentalität des Lazio-Präsidenten leid.