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Tor­hüter sind eine beson­dere Spe­zies. Der chi­le­ni­sche Natio­nal­keeper Roberto Rojas fügte sich einst selbst mit einem Skal­pell eine Schnitt­wunde über dem Auge zu, brach dann nach einem Pyro-Wurf der geg­ne­ri­schen Fans zusammen und erzwang so den Spiel­ab­bruch. Hin­ter­grund: Chile brauchte in diesem WM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel gegen Bra­si­lien 1989 zwin­gend einen Sieg, um doch noch an der Welt­meis­ter­schaft teil­zu­nehmen. Die schau­spie­le­ri­sche Glanz­leis­tung flog auf, Chile durfte doch nicht zur WM und Rojas wurde lebens­lang gesperrt.

Leh­mann fuhr S‑Bahn, Schu­ma­cher ließ sich in die Eier schießen

Anderes Bei­spiel: Jens Leh­mann. Der wurde 1993 nach drei Gegen­toren im Schalker Dress bereits zur Halb­zeit aus­ge­wech­selt, inter­pre­tierte die Worte seines Trai­ners Jörg Berger („Wir sehen uns morgen“) falsch, ver­ließ das Sta­dion unge­duscht und fuhr mit der S‑Bahn nach Hause. Und einer von Leh­manns Vor­gän­gern, Toni Schu­ma­cher, ließ sich in spe­zi­ellen Trai­nings­ein­heiten regel­mäßig Bälle aus kür­zester Distanz in die Kron­ju­welen schießen, um sich für den Wett­kampf abzu­härten.

Nor­male Men­schen machen so etwas nicht. Tor­hüter schon.

Der Este Vitas Mali­s­auskas hat sich nahtlos in die lange Reihe ver­rückter Tor­wart-Aktionen ein­ge­fügt. Am ver­gan­genen Freitag spielte seine Mann­schaft, Tal­linna FC Puuma in der zweiten est­ni­schen Liga gegen JK Vändra Vaprus. Für Vitas Mali­s­auskas, das sollte man wissen, lief die Saison bis­lang ziem­lich beschissen. In den drei Par­tien zuvor hatte der 29-Jäh­rige zehn Gegen­tore kas­siert. Seine Mann­schaft, auf­grund einer Ver­bands­strafe mit minus drei Punkten in die aktu­elle Spiel­zeit gestartet, lag vor der Partie gegen Vaprus abge­schlagen auf dem letzten Platz. Mit minus einem Punkt und 33 Gegen­toren aus neun Spielen. Der Vor­letzte, eine Mann­schaft mit dem schönen Namen Kiviõli Irbis, hat zwar eben­falls nur drei Punkte, dafür aber drei Spiele weniger als der FC Puuma. Kurzum: Es macht der­zeit kein Spaß, Tor­wart beim FC Puuma zu sein.

Doch gegen den Dritt­letzten Vändra Vaprus durfte die leid­ge­plagte Mann­schaft end­lich mal wieder Mor­gen­luft schnup­pern. Zur Halb­zeit stand es noch 0:0. Welch Balsam auf die Seele des Schluss­manns. Nach genau einer Minute in der zweiten Halb­zeit fiel das 0:1. Zehn Minuten später das 0:2. Dann das 0:3, 0:4 und in der 81. Minute das 0:5. Roberto Rojas hätte sich ver­mut­lich mit dem Skal­pell ein Ohr­läpp­chen abge­schnitten, Toni Schu­ma­cher mit der Faust in die Hoden geboxt, Jens Leh­mann die nächste S‑Bahn-Sta­tion gesucht. Vitas Mali­s­auskas hatte die Faxen dicke und ver­ließ ein­fach den Platz. Ohne seinen Mit­spie­lern Bescheid zu sagen.

Die stellten sich anschlie­ßend zum Anstoß auf – und dürften spä­tes­tens dann den Ver­lust ihres Kee­pers bemerkt haben, als der nächste Rück­pass nicht von Vitas Mali­s­auskas, son­dern von Abwehr­spieler Rames Mamedov auf­ge­nommen wurde. Was der arme Aus­hilfs­tor­wart Mamedov in diesem Moment offenbar ver­gessen hatte: Auch Tor­hüter müssen nicht jeden Ball mit der Hand auf­nehmen. Statt das Spiel­gerät also mit einem weiten Befrei­ungs­schlag ins Aus zu beför­dern, um die Sache mit dem ver­schol­lenen Schluss­mann zu klären, warf sich Mamedov im Stile eines Klas­se­kee­pers auf den Ball. Rück­pass, Hand­spiel, ver­hin­dern einer klaren Tor­chance – Mamedov sah selbst­ver­ständ­lich die Rote Karte. Der erst 17-jäh­rige Marco Lukka durfte den Elf­meter treten und das erste Tor seiner jungen Kar­riere feiern. Mit neun Spie­lern brachte der FC Puuma das Spiel ohne ein wei­teres Gegentor zu Ende.

Und die Moral von der Geschichte? Nor­male Men­schen machen so etwas nicht. Tor­hüter schon.