Kann Bojan Krkic in der Bundesliga endlich durchstarten?
Von der Sonne geküsst
Bojan Krkic flog in Barcelona einst gen Himmel - nach jahrelangem Irrflug quer durch Europa ist er in dieser Woche bei Mainz 05 gelandet. Wie konnte es so weit kommen?
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Entscheidend sind die Mundwinkel. Wenn Bojan Krkic Perez die nach oben zieht, wenn seine weißen Zähne zu sehen sind, wenn er lacht, wenn er glücklich ist, dann können auf dem Platz ganz wundersame Dinge passieren. Dribblings von vollendeter Schönheit, Pässe von kaum zu erreichender Präzision und Ballannahmen, so sicher, das selbst Xavi Hernandez und Andres Iniesta Beifall klatschen würden. Wenn es ihm gut geht, dann werden die Fans von Mainz 05 und überall in der Bundesliga viel Freude haben an dem Mann, der leihweise für die nächsten sechs Monate das Trikot von Stoke City gegen das der Mainzer tauschen wird.
Bojan Krkic kann Fußball spielen wie nur ganz wenige auf der Welt und allein das wäre eine Geschichte wert. Spannender ist aber, warum er es so selten zeigt. Und deshalb, im Alter von 26 Jahren, auf der ganz großen Bühne als gescheitertes Talent gilt. In einem Alter, in dem andere Fußballer ihrem Karriere-Höhepunkt entgegen dribbeln, hat er seinen schon längst hinter sich. Das ist eine These. Eine andere lautet, er hat ihn nie erreicht und wird es auch nicht mehr tun. Tatsächlich ist seine Geschichte eine Geschichte der unerfüllten Erwartungen. Aber auch eine von Unwägbarkeiten, denen viele junge Fußballer begegnen müssen und die nur zu leicht eine hoffnungsvolle Karriere verbauen können.
Trennungsschmerz und Heimweh bleiben ihm erspart
Als Bojan Krkic am 28. August 1990 geboren wird, fließt in ihm bereits das Blut des Profifußballs. Sein Vater Bojan Krkic Senior spielt beim Zweitligisten Joventut Mollerussa, bevor er nach Spanien kommt, trägt er im damaligen Jugoslawien das Trikot von Roter Stern Belgrad. Aber seine Begabung ist gering - verglichen mit der seines Sohnes.
Barcas Talentspäher entdecken den jungen Bojan, da ist der neun Jahre alt. Sie holen ihn in die Masia, Barcelonas legendäre Ausbildungsstätte. Wer dort aufgenommen wird, gehört schon in jungen Jahren zur Elite. Dem ist mindestens eine Karriere bei einem durchschnittlichen Erst- oder Zweitligisten sicher, sofern er nicht vorher aufgibt. Weil Bojan aus der Nähe von Lerída stammt, rund anderthalb Autostunden von Barcelona entfernt, gehört er zu den sogenannten Heimschläfern, er darf jeden Tag nach Hause zu seiner Familie. Trennungsschmerz und Heimweh, wie Andres Iniesta erfahren musste, bleiben ihm erspart.
Weit über 700 Tore in der Jugend
Überhaupt scheint es, als würde Bojan täglich von der Sonne geküsst, bevor seine Karriere später ein Schatten überfällt. In jeder seiner Jugendmannschaften ist er der Jahrgangsbeste, niemand schießt mehr Tore als er. Am Ende sollen es weit über 700 werden. Bojan ist so gut, dass er pro Saison immer für mehrere Mannschaften des FC Barcelona aufläuft. Meist sind es seine eigentlich vorgesehene und die des nächst älteren Jahrgangs.
Auch dort trifft er, wie er will. Das Gleiche gilt für die spanischen Auswahlteams der Junioren. Sein Vater wird später sagen, dass in dieser scheinbar sorglosen Zeit das Fundament für die wechselvolle Karriere seines Sohnes gelegt wurde, weil er nie Tiefen erleben musste und ihm alles zufiel. Bis in den Männerbereich hinein soll er nie das Gefühl kennenlernen, mal draußen auf der Ersatzbank bleiben zu müssen. - Die besten Stürmer der Welt vor der Nase
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Bojans Tricks und Tore fallen just in jene Zeit, in der sich der nur wenig ältere Lionel Messi aufmacht, von La Masia aus die Fußballwelt zu erobern. Der echte Messi ist kaum etabliert, da redet Barcelona schon vom neuen. Verblüffend ähnlich sehen sie sich. Beide keine 1, 70 Meter groß, mit schulterlangen Haaren und der Gewandtheit von Ballettänzern.
Mit Messi und Bojan wird Barca auf Jahre hinaus unschlagbar sein, erzählen sie sich in den Bars rund ums Barrio Gotico. Tatsächlich schlägt Bojan auch bei der ersten Mannschaft ein. Er verbessert Messis Rekordmarken und wird jüngster Spieler der Klubgeschichte und jüngster Torschütze. In seiner Debütsaison 2007/08 kommt er auf zehn Tore in der Primera Division. Nebenbei spielt er noch in der A-Jugend und der zweiten Mannschaft. Barcelona feiert ihn als den nächsten Coup der hauseigenen Talentschmiede, aber kaum jemand bemerkt dabei, wie es in dem jungen Mann aussieht.
Der Funke zwischen Krkic und Guardiola springt nie über
Einen ersten Hilferuf sendet er direkt nach seiner Premierensaison. Nationaltrainer Luis Aragones nominiert das Supertalent für den Kader zur EM in Österreich und der Schweiz, aber anstatt freudig anzunehmen, sagt Bojan ab. Es sei ein stressiges Jahr gewesen, er müsse sich ausruhen, schließlich gehe er noch zur Schule, lässt er verlauten. In Wirklichkeit ist Bojan die Geschwindigkeit, mit der die Dinge auf ihn einprasseln, zu schnell geworden. Er muss Interviews geben, Firmen wollen mit ihm werben und Berater stehen Schlange. Jahre später erzählt er der Zeitung »El Pais«: »Als jungen Spieler bereiten sie dich darauf vor, physisch in der ersten Mannschaft zu bestehen, aber nicht mental. Niemand kümmert sich um diese Seite des Fußballs.«
Bojans Probleme beginnen gleich im zweiten Jahr - als Pep Guardiola neuer Trainer wird. Zwischen beiden springt der Funke nie über, nach seinem Abschied aus Barcelona wirft Bojan dem Trainer »Gefühlskälte« vor. Er flieht zur Roma, zu Luis Enrique, den er aus gemeinsamen Barca-Tagen kennt. Als er mal ein paar Spiele draußen bleiben muss, verlangt Bojan Antworten von Enrique. Der hat aber nur ein müdes Lächeln übrig.
Rom verlassen beide nach einem Jahr, Bojan zieht weiter, zum AC Mailand, zurück nach Barcelona, zu Ajax Amsterdam, dann zu Stoke City. Stationen eines Irrlichternden. Nirgends hält er es länger aus, irgendwas stört immer. »El Pais« sagte er zu seiner Odyssee: »Viel hing auch damit zusammen, dass ich ständig ausgeliehen wurde. Da spielt man automatisch nicht so häufig wie die, die dem Klub gehören. Ich war aber auch nie konstant in meinen Leistungen.«
Die besten Stürmer der Welt vor der Nase
Seine Biografie gleicht in diesem Punkt und ihrem Verlauf der von anderen stürmenden La-Masia-Absolventen. Christian Tello, Isaac Cuenca, Sandro Ramirez, Munir El Haddadi. Sie alle starteten in Barcelona mit großem Zuspruch und großen Ambitionen, wirklich in der ersten Mannschaft durchsetzen können sich aber nur ganz wenige. Was auch daran liegt, dass man sich in Barcelona gerne mit den aktuell besten Stürmern der Welt schmückt (seit 2007 etwa mit Thierry Henry, Zlatan Ibrahimovic, David Villa, Neymar und Luis Suarez), statt darauf zu warten, dass ein Junge wie Bojoan Krkic sich in diese Sphären hochkämpft.
Aus Bojans Jugendteam hat es lediglich Sergio Busquets geschafft, ein defensiver Mittelfeldspieler. Die anderen kamen meist in der Fremde vom Weg ab. Bojan Krkic hofft nun auf das Gegenteil. Weit weg von zu Hause, in Mainz, will er seiner Karriere wieder die richtige Richtung geben.