Meisterschaften, Pokalsiege und Champions-League-Titel. Der FC Porto hat Benfica Lissabon längst als Nummer eins in Portugal abgelöst. Hinter den Erfolgen steht Klubpräsident Jorge Nuno Pinto da Costa, der in der Vergangenheit oft die Grenzen der Legalität auslotete. Ein Porträt.
27 Titel in der Primeira Liga, 16 Pokalsiege, die Champions-League-Titel 1987 und 2004 sowie Siege in der Europa League 2003 und 2011. Die Titelsammlung des FC Porto liest sich beeindruckend.
Nicht minder bemerkenswert sind die Erfolge auf dem Transfermarkt. Ricardo Carvalho, Pepe, Luis Fabiano sowie Hulk und Radamel Falcao – wie viele andere kamen sie für Schnäppchenpreise in den Norden Portugals und wurden später für ein Vielfaches an europäische Spitzenklubs verkauft. In den vergangenen zehn Jahren sollen sich in Porto um die 300 Millionen Euro an Transferüberschüssen angehäuft haben. Für Torwart-Legende Vitor Baia ist deshalb klar: „Porto ist die Mannschaft in der Welt, die am besten verkauft.“ Dass das System funktioniert, beweist ein Blick auf den aktuellen Kader. Im Sturm steht etwa Jackson Martinez, der 2012 für acht Millionen Euro von Chiapas FC aus Mexiko kam und dessen Marktwert sich aktuell auf 30 Millionen Euro beläuft. Extremer sieht die Sache bei Fernando aus. Der Brasilianer kam 2007 für 750.000 Euro vom Vila Nova FC, sein Marktwert beträgt heute 17,5 Millionen Euro.
Den Mann hinter diesen Erfolgen kennt man allerdings kaum. Er heißt Jorge Nuno Pinto da Costa, ist 76 Jahre alt und gilt als Profi des modernen Fußball-Geschäfts. In seinen blauen Anzügen, mit der rahmenlosen Brille und dem sorgfältig gepflegten XXL-Scheitel könnte er ebenso gut als Wall-Street-Mogul durchgehen.
„Er hat eine Mystik und eine Siegerkultur geschaffen“
Tatsächlich arbeitete Pinto da Costa in seinen Jugendjahren als Bankangestellter, er stand an der Kasse, nahm Geld entgegen und gab Geld aus. 1953 nahm ihn seine Großmutter mit zum FC Porto und hielt ihm einen Mitgliedsantrag unter die Nase. „Unterschreib“, sagte sie, und der 16-jährige Pinto da Costa tat, wie ihm geheißen, denn er liebte den Klub seit seiner Kindheit. Danach begann eine steile Karriere.
Zwar arbeitete er anfangs noch tagsüber in der Bank, doch er übernahm im Klub immer mehr Verantwortung. Als Leiter der Fußballabteilung führte er den Verein 1978 zur ersten portugiesischen Meisterschaft nach 15 Jahren. 1982 wurde er Präsident, und er versprach schon bei seinem Amtsantritt, den kriselnden Verein an die Spitze Portugals zu führen. Pinto da Costa behielt Recht. Der FC Porto löste Benfica Lissabon als Nummer Eins ab, und der Präsident genießt seitdem Heldenstatus.
André Villas-Boas, zwischen 2010 und 2011 Trainer des FC Porto, sagte einst über seinen damaligen Präsidenten: „Er ist der Mann, der die Richtung des Klubs geändert hat. Er hat eine Mystik und eine Siegerkultur geschaffen.“
Und doch hat das Denkmal Pinto da Costas in über 60 Jahren Vereinszugehörigkeit so manche Delle abbekommen. Schon 1994 stand der Vereinspräsident im Mittelpunkt der größten Korruptions-Krise des portugiesischen Fußballs. Fernando Barata, ehemaliger Präsident des FC Farense, warf Pinto da Costa vor, schon 1984 den rumänischen Schiedsrichter Ioan Igna bestochen zu haben – mit 50.000 Dollar vor dem Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger gegen den FC Aberdeen.
Pinto da Costa bestritt sämtliche Vorwürfe. Er sagte, die Medien hätten eine Verleumdungs-Kampagne gegen ihn geführt. Ohnehin glaubt er fest daran, einen andauernden Kampf gegen Verschwörungen führen zu müssen. Seinen Verein sieht Pinto da Costa vom portugiesischen Staat seit jeher benachteiligt – vor allem gegenüber den Haupstadtklubs Benfica und Sporting. „Portugal ist Lissabon. Der Rest ist bloß Landschaft“, ist in diesem Zusammenhang ein häufig verwendetes geflügeltes Wort. Der Erfolg Portos sei allein deshalb ein Kampf „Gegen alles und gegen alle“.
Die Luft wurde langsam dünner
Trotz aller Unschuldsbekenntnisse gelang es Pinto da Costa nie vollständig, den Verdacht der Korruption abzulegen. 2004 wurde die Luft für Portos Helden schließlich immer dünner. Es war ihm zwar mit Hilfe von Portos Bürgermeister gelungen, im Vorfeld der Europameisterschaft 2004 ein neues Stadion und zu dessen Finanzierung ein gewaltiges Einkaufszentrum zu bauen. Die hierfür enteigneten Besitzer der Nachbargrundstücke klagten jedoch später auf Schadensersatz in mehrstelliger Millionenhöhe.
Zudem durchsuchte die portugiesische Polizei im Zusammenhang mit der Bestechungsaffäre „Goldener Pfiff“ die Geschäftsräume des FC Porto und die Privatwohnung Pinto da Costas. Gegen eine Kaution in Höhe von 125.000 Euro kam er damals auf freien Fuß, und selbst in einem der größten Prozesse in der Geschichte Portugals konnte Pinto da Costas Schuld nicht hinreichend bewiesen werden. Für drei Stunden und fünf Minuten Untersuchungshaft wurden ihm 2008 sogar 20.000 Euro Entschädigung zugesprochen.
Der Auftritt eines Helden
Dass damit erneut ein Sturzversuch seiner Gegner gescheitert war, festigte Pinto da Costas Bild unter seinen Anhängern und ließ ihn schier unbesiegbar erscheinen. Auch die Stimmen derer, die sich fragten, was genau mit den hohen Transfereinnahmen des FC Porto passiert oder ob Pinto da Costa tatsächlich Prostituierte zur Betreuung von Schiedsrichtern bezahlt hatte, wurden mit der Zeit immer leiser.
Pinto da Costa selbst lässt den Heldenmythos gern über sich ergehen und trägt seine Macht gekonnt zur Schau: 2004, nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft geleiteten ihn Mitglieder der „Superdragões“, eine in Bandenkriege verwickelten Fan-Gruppe des FC Porto, ins Stadion. Dort nahm er bei laufendem Spiel und unter tosendem Applaus der Porto-Fans auf der Tribüne Platz. Es war ein Auftritt voller Pathos und Kitsch. Ein Auftritt wie gemacht für das Finale eines TV-Blockbusters.
Vermutlich zählt der Film „Corrupção“ auch deshalb zu den drei erfolgreichsten portugiesischen Filmen aller Zeiten. Pinto da Costas Name wird zwar nicht genannt, doch die Parallelen kann man nicht übersehen. Er basiert auf dem Buch von Carolina Salgado, der ehemaligen Freundin Pinto da Costas.