Am Sonntag Abend war Jens Lehmann zu Gast in der Talkrunde „Sky90“. Und redete sich beim Thema „Homosexualität“ um Kopf und Kragen.
Jens Lehmann kennt das Mediengeschäft. Er hat als Aktiver unzählige Interviews gegeben und arbeitet seit seinem Karriereende als Experte für Sky. Insofern dürfte es ihn auch nicht überrascht haben, dass in der neunzigminütigen Talkrunde „Sky90“ am Sonntagabend auf dem gleichnamigen Sender auch über eines der großen Themen der Winterpause gesprochen werden würde: das Interview von Thomas Hitzlsperger mit der „Zeit“ über seine Homosexualität. Offenbar hatte Lehmann jedoch zuvor wenig über das Thema nachgedacht, was noch die harmloseste Erklärung für Lehmanns Ausführungen ist.
Lehmann wühlt tief in der Klischeekiste
Um Lehmanns Argumentation, mit der er aktiven Spielern von einem Coming-Out abriet, merkwürdig zu finden, muss man sich nicht einmal an dem auch von Lehmann wieder bemühte Gerede von „Betroffenen“ stören, das ja immer suggeriert, Homosexualität sei so etwas wie Ebola oder die Vogelgrippe. Nein, ärgerlicher ist, wie tief Lehmann tief in der Klischeekiste wühlt und wie wenig er bereit ist, sich in die Situation homosexueller Profis hineinzuversetzen.
Da ist zunächst einmal die offenbar tiefsitzende Angst Lehmanns, von einem homosexuellen Mann in der Dusche angefallen zu werden. „Komisch“ hätte er wohl auf einen schwulen Mitspieler reagiert, sagte Lehmann, denn: „Man duscht jeden Tag zusammen, man hat Phasen, in denen es nicht so läuft“. Ein auf vielerlei Arten rätselhafter Satz. Unklar erstens, was schlechte Leistungen auf dem Platz mit der sexuellen Orientierung der Mitspieler zu tun haben. Unklar zweitens, wie Lehmann auf die merkwürdige Idee kommt, homosexuelle Profis hätten unter der Gemeinschaftsdusche einer Spielerkabine noch andere Interessen als, nun ja, zu duschen. Eine Zwangsneurose vom triebgesteuerten Homosexuellen, die später nochmal wiederkehrt: „Ich weiss nicht, was ich gedacht hätte, wenn ich mit jemandem zusammengespielt hätte: beim Duschen, in den Zweikämpfen.“
In den Zweikämpfen? Schon erstaunlich, wie Lehmann völlig unreflektiert hier das Bild des weichen, den knüppelharten Anforderungen des Männerfußballs nicht genügenden schwulen Profis weitergibt. Und wie erstaunt er ist, dass Thomas Hitzlsperger dem blöden Klischee nicht entsprach: „Thomas Hitzlsperger ist ein Spieler, der erstens sehr intelligent ist und zweitens von seiner Spielweise überhaupt nicht den Anlass gegeben hätte, dass man da hätte denken können, da ist irgendwas.“ Folgt man Lehmanns Argumentation, wird man den nächsten homosexuellen Profi sicher daran erkennen, dass er mit einem spitzen „Huch“ allen Zweikämpfen ausweicht.
Das nächste Coming-out? Bloß nicht!
Was nun: Ein Coming-Out als aktiver Spieler? Bloß nicht, sagt Lehmann. „Es hat niemand daran etwas gewonnen, es ist Privatsache.“ Dass es von einem homosexuellen Profi als Gewinn empfunden werden könnte, wenn er kein Versteckspiel mehr betreiben muss, kommt Lehmann nicht in den Sinn. Und auch nicht, dass es auch eine Mannschaft durchaus weiterbringen könnte, wenn sie keine Kultur pflegt, in der Homosexualität als Schwäche oder Makel angesehen wird und in der alle Lebensformen akzeptiert werden.
Das Fazit des Experten: „Fußball ist eine Männersache. Da muss man nicht soviel nachdenken“. Lehmann sollte da nicht von sich auf andere schließen.