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Die fol­gende Repor­tage stammt aus unserem Heft #124.

Zwei­ein­halb Stunden vor Trans­fer­schluss sitzt Giu­seppe Cosen­tino, der zu Hause einen blü­henden Handel mit Küchen­ge­räten betreibt, in einer Mai­länder Hotell­ounge und wartet auf gute Nach­richten. Der Prä­si­dent von US Catanzaro, einem kala­bri­schen Tra­di­ti­ons­verein von der Stie­fel­spitze, hat blit­zende Knopf­augen und trägt einen penibel gestutzten Schnauzer. Seine dunklen Haare hat der 62-Jäh­rige mit Pomade nach hinten fri­siert und wirkt ins­ge­samt so, wie man sich einen gewieften Geschäfts­mann aus dem hin­tersten Winkel Ita­liens vor­stellt.

Man sieht es Cosen­tino nicht an, aber in Mai­land gehört er zu den Anfän­gern. Es ist erst das zweite Mal, dass er auf dem Cal­cio­mer­cato, dem ita­lie­ni­schen Trans­fer­markt mit­mischt. Und als Cosen­tinos Handy klin­gelt, muss er erfahren, dass der AC Perugia ihm gerade seinen Wunsch­spieler abge­jagt hat. Der Prä­si­dent ringt einen Moment um Fas­sung, dann ent­lädt sich ein Schwall von Beschimp­fungen aus seinem Mund, der ins­be­son­dere der Kon­kur­renz aus Umbrien gilt, aber irgendwie auch dem gesamten Betrieb um ihn herum. Mör­der­bande!“, ruft er zum Schluss voller Ver­ach­tung. Und dass Catanzaro die vierte Liga auch ohne diesen dre­ckigen Söldner gewinnen werde.

Zweimal im Jahr, zum Ende der Trans­fer­pe­ri­oden im Januar und im August, ver­wan­delt sich die Lounge des Ata Exe­cu­tive Hotels in Mai­land in eine Schlan­gen­grube.

Spieler, Jour­na­listen und Prä­si­denten in der Ein­gangs­halle

Jeweils die letzten vier Werk­tage vor Trans­fer­schluss kommt Ita­liens Fuß­ball­branche in dem neu­rei­chen Eta­blis­se­ment zusammen, um sich zu infor­mieren, zu ver­han­deln, zu ver­kaufen und zu mau­scheln. Etwa 1000 Spie­ler­agenten, Sport­di­rek­toren, Manager, Prä­si­denten, Jour­na­listen und der eine oder andere ori­en­tie­rungs­lose Jung­profi treten sich in der Ein­gangs­halle auf die Füße. Auch einige fins­tere Typen ohne Bera­ter­li­zenz mischen sich unter die Leute und ver­su­chen, an der großen Fuß­ball­torte mit­zu­knab­bern. Alle müssen auf­passen, nicht übers Ohr gehauen zu werden, aber natür­lich gelingt das nicht immer. Hier werden zum irre­füh­renden Sound­track von Strei­ch­er­klängen, die zur Besänf­ti­gung des fre­ne­ti­schen Basars aus den Boxen an der Decke rie­seln, Gerüchte ver­breitet, Kar­rieren erst mühsam gezim­mert, mit einem Feder­strich beendet und nebenbei viele Mil­lionen ver­dient.

Je näher der Trans­fer­schluss am letzten Tag um 19 Uhr rückt, desto hek­ti­scher wird es. Absätze kla­ckern übers Par­kett, unter­setzte Manager, deren Gürtel nur noch mit Mühe die längst auf Halb­mast hän­genden Anzug­hosen fest­halten, kämpfen sich schwit­zend mit flat­ternden Ver­trags­pa­pieren durch die Masse. Regel­mäßig fliegen auch die Fäuste. Am vor­letzten Tag in diesem Januar musste eine Poli­zei­streife zwei Streit­hähne aus­ein­ander bringen.

Der Spie­ler­agent von Fabio Canna­varo hatte einen auf­müp­figen Jour­na­listen zweimal geohr­feigt, weil er in den Augen des Bera­ters ehr­ver­let­zend über seinen Kli­enten berichtet hatte. Es ist schwierig, unter der­ar­tigen Bedin­gungen dis­krete Ver­hand­lungen zu führen.