Auf der gespaltenen Grünen Insel bahnt sich Revolutionäres an: Iren und Nordiren planen eine gemeinsame Liga – mit Klubs aus beiden Konfessions-Lagern. Geht das?
Rückblick: 26. Dezember 2016. An jenem nasskalten Wintertag empfängt der erzprotestantisch geprägte nordirische Erstligist FC Linfield den – ebenfalls protestantisch geprägten – Lokalrivalen Glentoran Belfast. Noch vor dem Anpfiff kommt es zum Eklat: Aus den Stadionlautsprechern knarzt das alte Hetzlied „The Billy Boys“, in dem lauthals die jahrhundertelange Unterdrückung der katholisch-geprägten Iren durch die Besatzungsmacht Großbritannien bejubelt wird. Darin heißt es, sinngemäß: „Wir stehen bis zu den Knien im Blut der Katholiken. Gebt auf – oder ihr werdet sterben!“ Zwar entschuldigt sich der FC Linfield später und kündigt eine interne Untersuchung des Vorfalls an, doch viel mehr passiert nicht.
Über alle Grenzen hinweg
Keine drei Jahre später bahnt sich auf der gespaltenen irischen Insel eine sportpolitische Sensation an. Am heutigen Donnerstag treffen sich Vertreter führender nordirischer und irischer Traditionsklubs aus beiden konfessionellen Lagern mit dem irischen Geschäftsmann Kieran Lucid. Der hatte zuvor zwei Jahre lang daran gearbeitet, die Vereinsbosse an einen Tisch zu bringen – trotz aller nach wie vor bestehenden politischen, ethnischen und konfessionellen Grenzen, die sich nicht nur durch den Fußball ziehen. Lucid will das scheinbar Unmögliche machen: eine gemeinsame, trans-irische Liga. Und das ausgerechnet in einer Zeit, da der nahende Brexit den Annäherungsprozess zwischen der Republik Irland und dem Norden sowie innerhalb der nordirischen Konfessionslager massiv zu gefährden droht.
Wobei man sagen muss: Die Idee von der gesamt-irischen Liga entspringt nicht in erster Linie friedenspolitischen Überlegungen. Sie folgt eher den schnöden Gesetzmäßigkeiten des modernen Fußballs, die da lauten: Ohne (Irisch) Moos nix los. Und: Je kleiner ein Markt, desto geringer die Überlebenschancen der dort operierenden Profivereine. In einer gemeinsamen Liga hingegen winken den finanziell darbenden und international viertklassigen Insel-Klubs neue Einnahme- und Wettbewerbschancen. Der Internet-Streamer DAZN soll bereits sein Interesse an den Übertragungsrechten hinterlegt haben. Auch namhafte Sponsoren von beiden Seiten der Grenze sollen Schlange stehen. Nur: Wirtschaft ist das eine. Politik und uralte Ressentiments sind das andere.
Ist das möglich?
Nach Jahrzehnten der Bombenattentate und des Bürgerkriegs im abgespaltenen, britisch-regierten Nordirland sollen plötzlich die 14 besten Klubs der Insel gegeneinander antreten – egal, ob sie aus der Republik Irland oder aus dem Norden stammen. Egal, ob sie irisch-republikanisch geprägt sind wie die Vereine aus dem Süden Irlands oder der nordirische Katholiken-Klub Derry City, der seit 1985 „aus sicherheitstechnischen Erwägungen“ in der irischen Liga mitspielt. Egal, ob sie britisch-protestantische Wurzeln haben wie Linfield oder der einstige George-Best-Klub Glentoran. Aber: Kann solch ein Vorhaben wirklich klappen?