Irgendwie schon hart: Ich habe in der 1. und 2. Liga über 40 Elf­meter ver­wan­delt, doch mein ein­ziger Fehl­schuss bleibt hängen. Viele Leute behaupten, ohne den ver­ge­benen Elfer gegen die Bayern würde mich kein Mensch mehr kennen. Keine Ahnung, ob das stimmt.

Tat­sache ist, dass ich heute noch höre, wie der Ball an den Pfosten klatscht. Wäre er rein gegangen, hätten uns die Bayern nicht mehr ein­holen können. Jonny Otten hat später mal im Scherz gemeint, ich hätte ihn um eine Eigen­tums­woh­nung gebracht…

Viel Zeit zum Nach­denken

Wer weiß, ob es jemals wieder so eine Kon­stel­la­tion wie am 33. Spieltag der Saison 1985/86 geben wird: Wir hatten vor dem Heim­spiel gegen die Münchner zwei Punkte Vor­sprung, es galt noch die Zwei-Punkte-Rege­lung. Bis zur 88. Minute stand es 0:0, dann setzte sich Rudi Völler auf der rechten Seite durch. Er flankte nach innen und traf Søren Lerby. Rudi meinte nach dem Spiel, es sei kein Elf­meter gewesen.

Schieds­richter Volker Roth sah aber ein Hand­spiel und pfiff. Danach war der Ball erst mal weg, Bay­erns Co-Trainer Egon Cordes hatte ihn aus Wut weg­ge­dro­schen. Einen Ersatz­ball gab es nicht. Angeb­lich hat es 15 Minuten gedauert, bis die Kugel end­lich auf dem Punkt lag, ich weiß aber nicht, ob das stimmt.

Mir kam es jeden­falls wie eine halbe Ewig­keit vor. Viel­leicht hatte ich zu viel Zeit zum Nach­denken. Die Bay­ern­spieler zogen die übli­chen Mätz­chen ab, sie sagten mir nette Sachen ins Ohr und traten mir auf die Füsse, aber das gehört ja irgendwie dazu.

Michael, Sie genießen mein volles Ver­trauen“

End­lich war der Ball da. Ich lief langsam an, ver­zö­gerte und schickte den Jean-Marie Pfaff in die fal­sche Ecke. Ich machte fast alles richtig, aber leider nur fast: Pfosten. Was danach pas­siert ist, weiß ich nicht mehr genau. Das war wie ein Film­riss. Ich erin­nere mich noch, dass mich Bruno Pezzey ins Mit­tel­feld geschickt hat und für mich die Mann­de­ckung von Dieter Hoeneß über­nahm. Wahr­schein­lich dachte Bruno, dort könne ich weniger anrichten, denn ich lief herum wie Falsch­geld.



Nach dem Spiel kam Rudi mit seiner dama­ligen Frau zu mir nach Hause. Wir tranken ein Frust­bier, und Angela machte etwas zu essen. Aber ich bekam keinen Bissen runter, ich fühlte mich furchtbar. Eigent­lich war danach ja immer noch alles drin, wir mussten in Stutt­gart nur einen Punkt holen. Doch ich hätte schon alles klar machen können, und nun hatte ich ein schlechtes Gefühl. Tat­säch­lich haben wir das letzte Spiel in Stutt­gart mit 1:2 ver­loren.

Die Bayern gewannen dagegen 6:0 gegen Glad­bach und wurden wegen des bes­seren Tor­ver­hält­nisses Meister. Es gab damals keine Vor­würfe, weder von den Mit­spie­lern noch vom Trainer oder den Fans. Michael, Sie genießen mein volles Ver­trauen“, sagte mir Otto Reh­hagel. Wenn es wieder einen Elf­meter gibt, dann schießen Sie den.“ Was ich in der fol­genden Saison auch tat.

Ein Witz unter Freunden

Beim Sai­son­ab­schluss hat Otto Reh­hagel meinen Ver­trag zer­rissen – aus Spaß. Anschlie­ßend ging es mit Werder auf eine Welt­reise. Das hat mir gut getan, ich hatte einen totalen Durch­hänger. Nach der Rück­kehr nervten ein paar beson­ders wit­zige Bayern-Fans, die sich am Telefon immer wieder für den ver­schos­senen Elf­meter bedankten. Ich ließ mir eine neue Nummer geben. 1988 bin ich mit Werder doch noch Meister geworden, Rudi Völler hat da schon beim AS Rom gespielt. Alles habe ich gewonnen, bloß die Deut­sche Meis­ter­schaft nicht, und das nur wegen dir“, muss ich mir gele­gent­lich von ihm anhören. Dann, wenn er ein, zwei Bier getrunken hat.

Natür­lich meint Rudi das nicht ernst, es ist ein Witz unter Freunden. Dieser Elfer gehört zu seiner und meiner Kar­riere ein­fach dazu.