Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Die Männer trugen blaue Ski­mützen mit Seh­schlitzen, als sie am 13. Februar 1985 in eine Spiel­halle in Wup­pertal-Barnem stürmten. Einer von ihnen war Ralf von Die­ricke, 23 Jahre, Stürmer beim Wup­per­taler SV. Ein Jahr zuvor hatte er noch in der Bun­des­liga für For­tuna Düs­sel­dorf gespielt. Jetzt war er an einem Raub­über­fall betei­ligt. Mit einer Gas­pis­tole in der Hand über­sprang er eine Pforte, bedrohte die Kas­sie­rerin und rief: Geld her!“ Anschlie­ßend flüch­tete das Trio, stieg in einen BMW 528i und raste davon. Im Auto zählten sie die Beute – 2000 Mark – und warfen die leere Geld­kas­sette in die Wupper.

Sie begann zu schreien, er schlug sie bewusstlos

Sechs Tage später, am 19. Februar 1985, parkte gegen 11 Uhr ein VW Sci­rocco auf einem Park­platz nahe der Geschäfts­stelle des Wup­per­taler SV ein. Am Steuer: Ralf von Die­ricke. Sein Kom­plize – aus dem Trio war inzwi­schen ein Duo geworden – stieg aus und betrat die Geschäfts­stelle. Er fragte die Mit­ar­bei­terin nach Tickets für das kom­mende Spiel in der Ober­liga. Als die Frau dar­aufhin in ihr Büro ging, folgte er ihr und bedrohte sie mit einer Gas­pis­tole. Sie begann zu schreien, er schlug sie bewusstlos. Das Duo konnte unbe­merkt flüchten.

Knapp vier Jahre zuvor: Nach ersten Bewäh­rungs­proben in der zweiten Liga für den VfL Osna­brück wech­selte der 19-jäh­rige Ralf von Die­ricke in die Ober­liga zum Wup­per­taler SV. Der junge Schlaks war schnell, tech­nisch ver­siert und extrem tor­ge­fähr­lich. In seinen ersten beiden Spiel­zeiten für den WSV wurde er Tor­schüt­zen­könig. Die Wup­per­taler ver­hät­schelten ihren Star. Für die Fahrten zur Berufs­schule stellte man ihm einen Por­sche 924 zur Ver­fü­gung. In den Dis­ko­theken der Stadt resi­dierte der Jüng­ling als unge­krönter König. Es gab Tage“, sagt er, da lag ich mit Zigarre im Whirl­pool und goss mir Cham­pa­gner nach.“

Die Geburt des Barons

Weil der Stürmer das adlige von“ im Namen trägt und nichts gegen die Insze­nie­rung ein­zu­wenden hatte, ließ er sich von einer Zei­tung mit Frack und Zylinder vor einem Sport­wagen ablichten. Fortan war Ralf von Die­ricke der Fuß­ball­baron“. Bleib bescheiden, Junge“, habe ihm sein Vater immer wieder ein­ge­bläut. Doch der Gla­mour stieg ihm zu Kopf. Wenn ich mit meinem Por­sche ins Auto­kino wollte, fuhr ich ein­fach an der Schlange vorbei. Ich war doch der Baron!“

1983 wurde er von For­tuna Düs­sel­dorf ver­pflichtet. Auf den gemein­samen Fahrten zum Trai­ning schärfte ihm sein elf Jahre älterer Mit­spieler Amand Theis ein: Baron, das hier ist deine Chance. Nutze sie!“ Doch über den Status des Edel­re­ser­visten kam er nicht hinaus. Bei seinen 14 Ein­sätzen für die For­tuna spielte er ledig­lich zweimal von Beginn an. Nach nur einem Jahr und mit Blick auf eine unge­wisse Zukunft als Reser­vist in Düs­sel­dorf, ging Die­ricke zurück zum Wup­per­taler SV in die Ober­liga.

Und damit“, so sieht er das heute, nahm die Scheiße ihren Lauf.“

Wer Mitte der Acht­ziger als Profi zu einem Ama­teur­verein wech­selte, wurde für drei Monate gesperrt. Was die Ver­eins­ver­ant­wort­li­chen über­sehen hatten: Wenn sich ein Spieler im bei­der­sei­tigen Ein­ver­nehmen rea­m­a­teu­ri­sieren ließ, wurde er sogar für sechs Monate aus dem Ver­kehr gezogen. Der Rück­kehrer fiel plötz­lich für die gesamte Hin­runde aus. In der als Netto-Liga“ bezeich­neten Ober­liga, in der Fuß­baller vor allem über Prä­mien bezahlt wurden, war eine so lange Sperre auch eine finan­zi­elle Grat­wan­de­rung. In Düs­sel­dorf hatte Die­ricke im Schnitt etwa 5000 Mark netto monat­lich ver­dient. Doch Fehl­in­ves­ti­tionen wie Bau­her­ren­mo­delle und ein Par­füm­ge­schäft hatten einen Groß­teil seines Ver­mö­gens ver­brannt. Mit dem WSV einigte sich der Stürmer auf einen unge­wöhn­li­chen Deal: Eine Zah­lung von 10 000 Mark zu Beginn seines Enga­ge­ments, 15 000 am 1. Januar 1985 und 10 000 zum Ende der Saison.

Aber nur trai­nieren macht einen Fuß­baller nicht glück­lich. Ich ver­brachte viel Zeit in Kneipen, Dis­ko­theken und Spiel­hallen. Jede Woche, die ich nicht spielen durfte, machte mich frus­trierter. Und schon bald gab ich mich mit den fal­schen Leuten ab.“ Wie dem wegen Kör­per­ver­let­zung vor­be­straften Bun­des­wehr­sol­daten W., der seinen Sold regel­mäßig in den Spiel­höllen der Stadt ver­schleu­derte.