Oft werden Songs zu Fußballhymnen, obwohl sie nie so angedacht waren. Wie Andreas Bouranis „Auf uns“. Ein Pop-Song zum Vergessen – wenn er die WM2014 nicht vorweggenommen hätte.
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„Noch nie gehört“, sagt mein Kumpel Martin. Und: „Pop-Scheiße.“ Im Radio läuft „Auf uns“ von Andreas Bourani. Es ist Ende Mai 2014 und wir sitzen in der Kaschemme ums Eck. Wie jede Woche. Spielen ein paar Runden Darts und beraten das Leben. Wie jede Woche. Was am Ende immer auch bedeutet, dass wir uns über Fußball unterhalten. Wie jede Woche.
Vor uns der Spielplan der WM 2014. Die Favoriten sind schnell ausgemacht. Brasilien, klar. Argentinien. Vielleicht Chile. Auf keinen Fall eine europäische Mannschaft. Die haben schließlich noch nie außerhalb Europas einen Titel gewonnen. Und die Spanier sind eh satt. Die deutsche Elf? Bitte! Niemals. Mit Marco Reus ist der beste Spieler verletzt. Die leidvolle Debatte um die Außenverteidiger. Khedira, Schweinsteiger – angeschlagen.
„Das wird der WM-Song, wirst sehen.“
Und überhaupt, im entscheidenden Moment wird Jogi Löw sich wieder verzocken, wie bei der EM 2012 gegen Italien. Und während wir uns diese Gewissheiten für die Ewigkeit zuraunen, läuft „Auf uns“ im Radio. Und ich sage zu meinem Kumpel Martin: „Das wird der WM-Song, wirst sehen.“ Es wird der einzige WM-Tipp bleiben, mit dem ich Recht behalten sollte.
Mit WM-Songs ist es ja so eine Sache. Es gibt die „offiziellen“ WM-Songs, die in der Regel genau nach dem klingen, was sie sind – Auftragsarbeiten. Lieblose Leimungen verschwurbelter Phrasen. Da wird der Fußball zum Zwangsobjekt des Weltfriedens, der entsprechende Song zur in drei Minuten zehn runtergepoppten Menschenrechts-Charta. Ein bisschen „We are one“, ein bisschen „Future“ und „Peace“. Rhythmen aus dem Land des Gastgebers, demonstrativ gute Laune und dann ab zur Bank, den Barscheck einlösen.
Der offizielle Fifa-WM-Song 2014? Stammte von „Gaby Amarantos und Monobloco“ und hieß „Todo Mundo“. Noch nie gehört? Eben.
Dann gibt es eine unüberschaubare Heerschar an Trittbrettfahrern. Zumeist Menschen ohne ersichtliches Talent und dafür umso größerem Sendungsbewusstsein. Menschen wie Oliver Pocher, leibhaftig gewordener Gartenzwerg mit dem Humorpotential einer deutschen Kleingartenverordnung.
Oder Melanie Müller, „Dschungelkönigin“. Deren WM-Song „Deutschland schießt ein Tor!“ immerhin nahtlos an die größten Momente deutscher Dichtkunst anknüpft: „Lang lebe König Fußball, Unser starkes Team, Oheho — Oheho. Flanke frei, Schuss nach vorn und dann den Hackentrick. Und wenn das klappt, dann rufen alle ›Tor, Tor, Tor!‹“ Es ist ein Elend.
Und warum die Peinlichkeit? Weil es am Ende eben doch immer diesen einen Song gibt, der uns Fans durch das Turnier trägt. Egal, ob wir aus Hamburg, München oder Dortmund kommen. Egal ob wir eigentlich Metal‑, Hip-Hop oder Schlager-Fans sind. Dieser eine Song, der für immer mit dem Triumph oder der Niederlage verbunden sein wird, die das Turnier am Ende ins kollektive Gedächtnis stellt. Der wie ein Pavlov’scher Reflex funktioniert. Der Erinnerungen und Emotionen freisetzt, sobald der erste Ton anklingt. Dieser eine Song, der sich verkauft wie Deutschlandfähnchen auf der Fanmeile. Ein Song wie „Auf uns“.
„Ein Hoch auf uns“
Und je näher die Weltmeisterschaft rückte, umso häufiger lief er – Radio Bourani. Die ARD übernahm ihn als Titelsong ihrer TV-Berichterstattung. Und auch wenn ich vermutlich lieber eine Woche Nacktwandern im Spessart abschrubben würde, als zu einem Andreas-Bourani-Konzert zu gehen – auch ich konnte mich nicht dagegen verwehren, gute Laune zu bekommen, sobald „Auf uns“ lief. Ohne dass ich genau wusste, warum.
„Dein Song“, sagte mein Kumpel Martin dann immer. Aber das sagte er auch, wenn in der Kaschemme „Dancing Queen“, „Beat It“ oder „Ryhthm is a Dancer“ lief. Dabei war auch er längst infiziert. Summte die Melodie, in Gedanken verloren. Nach dem 4:0 im ersten Gruppenspiel gegen Portugal wankte er auf mich zu, einen Pfeffi in der Hand: „Ein Hoch auf uns.“