Ende Juni absolvierte der englische Zweiligaspieler Peter Gregory ein Probetraining bei Hansa Rostock. Ihm gefiel es so gut, dass er über Twitter eine Bewerbungsoffensive startete – selbst nachdem der Verein absagte.
Touristen kehren manchmal mit sonderbaren Dingen aus dem Urlaub zurück. Sie tragen plötzlich Stadtbekennershirts, gemusterte Indio-Leinhosen oder landestypische Hüte. Und wenn man sie fragt, wieso neuerdings eine Holztrommel an der Wand hängt, sagen sie, in Mexiko oder in Marokko oder in Thailand habe sich das immer so schön angehört. Kurzum: Sie haben sich in den Ort verliebt. So ist das mit Touristen.
Peter Gregory hat sich auch verliebt. Nicht in Cancun, nicht in Ko Samui, nicht in Casablanca. Gregory hat sich in Rostock verliebt. „Und in den Hansa-Vibe!“, sagt er im Gespräch mit 11FREUNDE.
Passiert ist es Ende Juni. Bei einem Probetraining. Der FC Hansa hatte den 20-jährigen Engländer für eine Woche an die Ostsee eingeladen, denn Gregory ist ein vielversprechendes Talent, das immerhin schon vier Spiele für die A‑Mannschaft des FC Portsmouth bestritten hat. Zuletzt kickte er für das U21-Team von Nottingham Forest. Hansa Rostock kannte er nur von den Erzählungen seines Beraters Angelo Vier, in den neunziger Jahren Profi beim VfL Osnabrück und Werder Bremen. Gregory sagt: „Ich bin schnell, ich laufe die 100 Meter in 10,4 Sekunden.“
Auch Trainer Bergmann war angetan
Das Training lief gut. Mit den Spielern verstand er sich, und Andreas Bergmann war beeindruckt. „Er ist ein total positiver Typ mit extrem viel Power“, sagt Hansas neuer Trainer zu 11FREUNDE. Zudem bestätigt er das, was Gregory über sich selbst behauptet: „Er ist beidfüßig, kann auf der linken und rechten Seite spielen, er agiert geradlinig und mit hohem Tempo.“
Gregory blieb eine Woche, absolvierte ein Testspiel gegen den VfB Germania Halberstadt, beobachtete am Hafen die großen Containerschiffe und spazierte durch die Altstadt. „Es erinnerte an den Eastbourne, wo ich herkomme. Es fühlte sich an wie Zuhause“, sagt Gregory. Auf der Hansa-Homepage verkündete man stolz: „Internationales Flair: Peter Gregory zur Probe beim F.C. Hansa“. Und weil alles so schön war in Rostock, tat der junge Engländer das, was junge Engländer heutzutage am liebsten tun: Er teilte sich mit, via Twitter.
„Ich vermisse das Rostock-Gefühl“
Am 27. Juni schrieb er: „Day 3: Working hard and enjoying it!“ Am 28. Juni: „I’m ready to #ROCKROSTOCK with the fans!“ (Ich bin bereit, um Rostock mit den Fans zu rocken). Und als er am 1. Juli nach England heimkehrte, trauerte er: „I’m already missing the Rostock vibe!“ (Ich vermisse bereits das Rostock-Gefühl).
Da hatte Andreas Bergmann ihm allerdings schon gesagt, dass ein Vertrag bei Hansa an den finanziellen Mitteln scheitern würde. Man suche auf anderen Positionen dringender nach neuen Spielern. „Peter hat sich trotzdem sehr herzlich für die Zeit bei uns bedankt. Das waren nicht nur Floskeln, das war echt“, sagt Bergmann.
Normalerweise enden hier Transferbemühungen. Die Berater schauen sich nach anderen Vereinen um, während die Spieler den Namen der Vereine, bei dem sie eben noch zur Probe trainierten, schon wieder vergessen haben.
#RockingRostock
Nicht so bei Gregory. Er hatte sich in Rostock verguckt und fing an, sich im Gespräch zu halten. Natürlich wieder über Twitter. Seit Anfang des Monats sind hunderte neuer Tweets in seiner Timeline. Zum Beispiel der vom 4. Juli: „Let’s hope together #RockingRostock“ (Lasst uns hoffen!). Vom 12. Juli: „I had a great time there… great team, city and fans!“ (Ich hatte eine tolle Zeit… Tolles Team, Stadt und Fans!). Oder der vom 13. Juli: „I want to be part of a team, not just sign to a club & be a number! Rostock has a great history, but also a future.“ (Ich möchte Teil eines Teams sein, nicht nur einen Vertrag unterschreiben und eine Nummer sein. Rostock hat eine große Geschichte, aber auch eine Zukunft).
Außergewöhnliche Bewerbungen hat es im Fußball immer wieder mal gegeben. Manchmal führten sie zum Erfolg, manchmal nicht. Der ehemalige kubanische Nationaltorwart Dany Quintero bewarb sich vor einigen Jahren mal über ein Youtube-Video bei deutschen Klubs – und landete beim süddeutschen Kreisligisten SV Nollingen, wo er heute noch spielt. Neulich suchte der südafrikanische Erstligist FC Cape Town gleich eine Armada von neuen Angestellten via Twitter, darunter auch einen Trainer und einen Manager.
Warten auf einen Sponsor – oder einen Engel
Solche Wege sind zwar neu für Bergmann, unprofessionell oder aufdringlich findet er sie nicht. „Ich mag Menschen, die sich für eine Sache engagieren“, sagt er. „Und wenn die Finanzen einen Transfer irgendwie zulassen, dann können wir noch mal darüber sprechen.“ Gregory hat nun via Twitter angekündigt, sein Berater würde auf die Provision verzichten. Er selbst versucht, 100.000 Pfund für sein Gehalt und andere Kosten über Sponsoren aufzutreiben. „Andernfalls warte ich auf einen Engel“, sagt er.
Im Internet hat sich seine Bewerbungsoffensive wie ein Lauffeuer verbreitet. Eine kleine Fangemeinde folgt Gregory. Sie leitet seine Nachrichten weiter. Sie startet Aufrufe an verschiedene Sportportale im Internet und Rundfunksender wie den NDR oder MDR, um ihren liebgewonnenen Spieler bei Hansa und Sponsoren anzupreisen. Gregorys Twitter-Seite hat mittlerweile über 12.000 Follower. In Zeiten, in denen Fußballer ihre Vereine wie Unterhosen wechseln, mag Gregory für sie wie ein Spieler aus einer lange vergessenen Zeit erscheinen. Einer, der sich zu hundertprozentig mit seinem Verein identifizieren würde.
Das Gefühl: Hier bin ich richtig!
Doch ist es so? Oder liegt sein unbändiges Interesse an einem Wechsel vielleicht daran, weil er keinen anderen Verein findet? „Nein, nein, das ist wegen Rostock“ sagt er. Schließlich hat er demnächst auch Tests in England und Italien. Zuletzt spielte er auch in Ingolstadt oder beim MLS-Klub DC United vor. Doch erst bei Hansa habe er gedacht, dass alles passt: „Jeder kennt das Gefühl, wenn er durch eine Tür tritt und denkt: Hier bin ich richtig! Bei Hansa war es genauso.“
Neben seinem Twitter-Kanal hatte er zwischenzeitlich auch eine offizielle Homepage und zuvor einen Video-Kanal bei Vimeo ins Leben gerufen. Da kann man den Stürmer zum Beispiel am Speed-Box-Bag oder bei einem U21-Spiel der zwischen Nottingham Forest und Sheffield Wednesday sehen. Natürlich gibt es auch Tore. Ein besonders schönes hat er von halblinks in den langen Winkel geschossen. Darunter steht: „If I’m asked to attack… I will!“ (Wenn man mich zum Angriff bittet, werde ich angreifen).
Man glaubt es ihm gerne.