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Als Man­chester United am 18. Mai 1997 ver­künden ließ, dass Eric Can­tona sechs Tage vor dem 31. Geburtstag seine Kar­riere beenden würde, war das nur scheinbar über­ra­schend. In Wahr­heit war es ein Abschied mit Ansage. Ein Blick in sein im Vor­jahr erschie­nenes Buch Can­tona on Can­tona“ hätte genügt: Wenn ich mit dem Fuß­ball auf­höre, wird es auf der Höhe meines Kön­nens sein, weil ich nie unter das Spit­zen­ni­veau fallen will. Wenn ich spüre, dass ich nach­lasse, ist sofort Schluss.“

Und einen deut­li­chen Leis­tungs­ab­fall hatte es in der Saison 1996/97 zwei­fels­frei gegeben, man denke nur an die beiden CL-Halb­fi­nal­spiele gegen Borussia Dort­mund. Weil er mit dem, was aus dem Fuß­ball geworden war, inner­lich längst abge­schlossen hatte (ein inte­graler Faktor war, wie er mehr­mals betonte, der Auf­trags­mord an dem kolum­bia­ni­schen Eigen­tor­schützen Andres Escobar nach der WM 94), ging er ohne melo­dra­ma­ti­sche Abschieds­szenen.

Seine Fil­mo­grafie umfasst rund 60 Titel

Man konnte allemal gespannt sein, wel­chen neuen Formen der Selbst­ver­wirk­li­chung er sich zuwenden würde. Um sich auf die faule Haut zu legen und von der mit dem Fuß­ball ver­dienten Kohle zu leben, dazu war er viel zu umtriebig und neu­gierig, zu extro­ver­tiert und nar­ziss­tisch. Da er sich schon lange danach gesehnt hatte, aus dem ein­engenden und intel­lek­tuell unbe­frie­di­genden Milieu des Pro­fi­fuß­balls aus­zu­bre­chen, kamen die übli­chen Betä­ti­gungs­felder für aus­ge­diente Kicker (Trainer, TV-Experte) für einen hoch­in­tel­li­genten, viel­seitig inter­es­sierten und äußerst risi­ko­freu­digen Zeit­ge­nossen wie ihn nicht in Frage.

Bald war klar, dass sich Can­tona fortan als Film­dar­steller defi­nieren würde, erste Erfah­rungen hatte er ja schon wäh­rend seiner aktiven Zeit gesam­melt. Seit fast zwanzig Jahren tritt er mit zuneh­mender Aner­ken­nung in Kino­filmen und TV-Pro­duk­tionen der unter­schied­lichsten Art auf, seine Fil­mo­grafie umfasst mitt­ler­weile rund 60 Titel – was nur die­je­nigen ver­blüffen kann, die ver­gessen haben, dass er schon als Fuß­ball­star ein Meister der Selbst­in­sze­nie­rung war.

Was braucht man, um als Film­dar­steller – was etwas anderes ist, als ein kon­ven­tio­nell aus­ge­bil­deter Schau­spieler – zu über­zeugen? Aus­strah­lung, Cha­risma und, um von der Kamera geliebt zu werden, das, was man phy­si­sche Prä­senz nennt. All dies kann man nicht lernen, man hat es oder hat es eben nicht. Und Can­tona besitzt alles drei in rauen Mengen, erwies sich, so abge­schmackt es klingen mag, vom ersten Film an als Natur­ta­lent.

Die Aura des mys­te­riösen Fremd­lings

Aber natür­lich trug er auch das Image, das er sich als Fuß­baller erworben hatte, in seine Film­ar­beit hinein. Neben seinem betont männ­li­chen, aber nicht plump macho­haften Auf­treten zählte zu den Bau­steinen dieses Images seine als lust­volles Dau­er­spiel mit der Öffent­lich­keit betrie­bene Stra­tegie, sich die Aura eines mys­te­riösen Fremd­lings zu ver­leihen. Eines Fremd­lings, der sich aus dem Mythen­reich alter, von einem starren Freun­d/­Feind-Denken und abso­luten, nicht hin­ter­fragten Moral- und Ehr­be­griffen geprägten Gangs­ter­filme in die prag­ma­tisch-oppor­tu­nis­ti­sche Szene des modernen Fuß­balls ver­irrt hatte.

Man fragte sich ständig, ob er eine Rolle spielt bzw. in welche er gerade an diesem Tag, in diesem Augen­blick geschlüpft war. Welche seiner enig­ma­ti­schen Ver­hal­tens­weisen und welche der kryp­ti­schen Sätzen, die er von sich gab, waren ernst gemeint und ließen Rück­schlüsse darauf zu, wie er wirk­lich tickt? Und was war nur zur bewussten Irri­ta­tion ein­ge­setztes Impo­nier­ge­habe, hinter dem er, wie manche vul­gär­psy­cho­lo­gisch deu­teten, eine tief­sit­zende Unsi­cher­heit ver­steckte? Wies das alles nicht schon, genau wie sein sicheres Gespür für dra­ma­ti­sche Auf­tritte und sinis­tere Abgänge oder auch die Marotte, den Kragen seines Tri­kots hoch­zu­stellen wie Alain Delon den seines hellen Trench­coats, in Rich­tung Kino?