Die Bestechungsvorwürfe rund um die WM-Vergabe an Katar werden konkreter. Neuen Enthüllungen zufolge floss Geld aus dem Wüstenstaat an den ehemaligen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner. Nun könnte noch mehr ans Tageslicht kommen – das FBI ermittelt.
Worum drehen sich die aktuellen Enthüllungen?
Der Funktionär Jack Warner aus Trinidad und Tobago war bis 2011 Vizepräsident der Fifa und eines der 22 Mitglieder des Fifa-Exekutivausschusses. Dieser entschied im Dezember 2010 über die Vergabe der WM nach Katar.
Nach Informationen der britischen Zeitung „Daily Telegraph“ sollen Jack Warner, sein Mitarbeiter und seine Söhne in der Folge umgerechnet knapp 1,5 Millionen Euro erhalten haben. Die Zahlungen stammten laut der Zeitung von der katarischen Firma Kemco und erfolgten nach der WM-Vergabe. Zwei Wochen nach der Entscheidung pro Katar forderte demnach eine von Warners Firmen die Katarer in einer E‑Mail zu einer Zahlung in Millionenhöhe auf. Das hieße nichts anderes als: Eine Firma aus Trinidad und Tobago stellt einem katarischen Unternehmen für Elektromechanik eine Rechnung in Millionenhöhe. Ein seltsamer Vorgang.
Kemco gibt auf der eigenen Homepage stolz an, innerhalb kürzester Zeit eine gute Reputation erlangt zu haben. Viel interessanter aber ist, wer seit 1985 einziger Inhaber ist: Mr. Mohammed Bin Hammam Al Abdulla. Eben derjenige, der 2011 als Gegenkandidat von Sepp Blatter nach dem Amt des Fifa-Präsidenten strebte. Bin Hammam zog seine Kandidatur seinerzeit aufgrund von Korruptionsvorwürfen zurück.
Das war im Juni 2011 – und genau dieser wilde Fifa-Sommer wird nun wieder interessant.
Was passierte im Sommer 2011?
Am 4. Juli soll Bin Hammams Firma 1,2 Millionen Dollar auf ein Bankkonto von Warners Firma auf den Cayman Islands überwiesen haben. Überweisungsgrund: ein Ausgleich für juristische und andere Ausgaben. Die Bank aber habe aus Zweifeln an der Legalität des Geschäfts die Transaktion verweigert, schreibt der „Telegraph“. Bislang waren Beschäftigte auf den Cayman Islands nicht als große Bedenkenträger beleumundet.
Nur zwei Tage später floss die gleiche Summe wohl auf ein anderes Firmenkonto von Warner – diesmal in New York, diesmal mit einem anderen Überweisungsgrund („professionelle Dienstleistungen zwischen 2005 und 2010“).
Wenige Wochen nach der Katar-Entscheidung forderte Warner demnach Geld von Hammam. Wenige Wochen nach dem Ausscheiden der beiden aus der Fifa fanden demnach die Überweisungen statt. Wer glaubt da an Zufälle?
Die Frage ist, wie Mohammed Bin Hammam aus Katar und Jack Warner aus Trinidad zusammen arbeiteten: Der eine wollte eine WM in Katar – der andere entschied mit darüber.
Um wen geht es?
Jack Warner erlangte bereits einen zweifelhaften Ruf als Präsident des Fußball-Verbandes CONCACAF, der Vertretung von Nord- und Zentralamerika sowie der Karibik.
Er galt lange als Vertrauter Blatters und soll dem Schweizer während dessen Stimmenfangs nicht unwesentlich geholfen haben. Unumwunden gab Warner an, für die Unterstützung von Blatter bei dessen Amtsantritt als Fifa-Präsident sechs Millionen Dollar erhalten zu haben. Ohne die Stimmen seines Verbandes, so Warner, hätte Blatter „nie das Tageslicht als Fifa-Präsident gesehen“. Damit nicht genug der Dankbarkeit aus Zürich: Warner erhielt eigenen Angaben zufolge die Übertragungsrechte für die Weltmeisterschaften 2002 und 2006 zu Spottpreisen. Außerdem soll er durch den Verkauf von Schwarzmarkttickets seinen Kontostand aufgebessert haben.
Auch der Katarer Bin Hammam war lange Zeit ein wichtiger Unterstützer von Sepp Blatter, doch das Bündnis zerbrach. Bei der Präsidentschaftswahl 2011 wollte Bin Hammam dann als einziger Gegenkandidat gegen Blatter antreten. Es ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Berichte interessant, dass sowohl Warner als auch Bin Hammam von Sepp Baltter abgerückt sind.
Die Fifa verstieß die beiden im Mai 2011, nachdem Details einer zwielichtigen Zusammenkunft in der Karibik publik wurden. Dabei drängte Warner andere wahlberechtigte Fifa-Delegierte in einem Hotel dazu, kurz vor der Wahl Gelder und Geschenke von Kandidat Bin Hammam anzunehmen. Es ging wohl um 40.000 Dollar für jeden Funktionär. Tonbandaufnahmen belegen Warners Aufruf. „Geschenke gehören schon immer zur Kultur der Fifa, ich empfinde die Vorwürfe als scheinheilig“, sagte Warner zwar lapidar. Doch er legte seine Ämter bei der Fifa nieder, die Ethikkomission stellte daraufhin ihre Verfahren gegen Warner ein. Bin Hammam zog drei Tage vor der Präsidentschaftswahl seine Kandidatur als Fifa-Präsident zurück.
Auch nach der Affäre blieben Warner und Bin Hammam in Kontakt. Berater der beiden tauschten sich im Juni 2011 in E‑Mails über die nun enthüllten Zahlungen aus, so der „Telegraph“.
Was bedeuten die Enthüllungen für die WM in Katar?
Das katarische Organisationskomitee reagierte umgehend auf die aktuellen Berichte: „Das Bewerbungskomitee der WM 2022 hat sich strikt an die Fifa-Regeln gehalten und steht im Einklang mit dem Ethik-Kodex.“ Das Komitee erklärte zudem, dass es „keine Kenntnis zu den Vorwürfen rund um die Geschäfte zweier Privatpersonen“ habe.
Am Donnerstag trifft sich das Fifa-Exekutivkomitee in Zürich, Katar steht auf der Tagesordnung. Bisher wirkten die Aufklärungsambitionen der Funktionäre und der Fifa-Ermittler rund um die WM-Vergabe recht halbherzig, doch der aktuelle Fall könnte den Bewegung in die Angelegenheit bringen.
Denn weitere Enthüllungen sind möglich. Eine Schlüsselrolle könnte Jack Warners Sohn Daryan zukommen, der als eine Art Finanzchef seines Vaters agierte. Der „Telegraph“ zitiert aus E‑Mails, die dessen Verstrickung belegen. Er soll umgerechnet knapp 228.000 Euro aus Katar erhalten haben – über eine Firma mit dem Namen „We Buy Houses“. Und das ist bei Weitem nicht alles: Daryan Warner geriet wegen anderer Machenschaften in den Fokus des FBI und steht seitdem in Florida unter Hausarrest. Er soll als Kronzeuge der Behörde fungieren, so berichteten Nachrichtenagenturen.
Jack Warner selbst äußerte sich knapp, er bezeichnete die Anschuldigungen als „Dummheit“. Und weiter: „Ich werde mich an der Hexenjagd auf die WM 2022 nicht beteiligen. Das ist mein letzter Kommentar dazu.“