Dortmund feiert Jürgen Klopp und die gute alte Zeit. Der große Verlierer dabei ist Trainer Lucien Favre. Die Nostalgie verdeckt beim BVB den Blick auf die Gegenwart.
Jürgen Klopp hinterlässt überall ein schwieriges Erbe. Als sein Nachfolger fühle man sich, als würde man nach Thomas Gottschalk „Wetten dass …?“ moderieren. Diesen Vergleich hat Thomas Tuchel einmal gezogen. „Da kannst du machen, was du willst“, meinte Tuchel. „Am Ende sagt jeder auf dem Sofa: ›Ja, bei Thomas Gottschalk war’s aber irgendwie besser!‹“ Tuchel hielt sich in der Rolle zwei Jahre, ungefähr so lange wie Markus Lanz als Gottschalk-Nachfolger. Doch bis heute lässt sich darüber streiten, wessen Ende unschöner ablief.
Vier Jahre nach Klopps Weggang aus Dortmund bleibt er beim BVB allgegenwärtig, ideell und nun auch physisch. Klopp ist die Referenzgröße für eine bessere, erfolgreichere und irgendwie auch wohligere Zeit. Diese Nostalgie verstärkt sich am Westfalenstadion immer dann, wenn es sportlich holpert wie derzeit. Hinein in die zermürbenden Mentalitäts‑, Männer- und Meister-Debatten schwebte nun der einstige Heiland mit dem flutlichtstrahlenden Zähnen und treffsicheren Gottschalk-Pointen ein. Klopp erschien unter frenetischen Ovationen zur Buchpräsentation von Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der mit den alten Anekdoten im Gepäck danach durch weitere Talkshows ritt.
„Wenig-Puls-Favre“
„Echte Liebe“ heißt das Buch, angelehnt an den überstrapazierten Marketingslogan der Klopp-Jahre. Und tatsächlich lesen sich manche Wortmeldungen von Watzke so schmachtend, dass man eigentlich nur noch Whitney Houstons „Bodyguard“-Hymne darunter legen und Kerzenlicht entzünden müsste.
„Manchmal, wenn ich heute im Trainingslager bin und dann spätabends hochgehe auf mein Zimmer und mich noch mal auf die Terrasse setze, überkommt mich ein wehmütiges Gefühl. Da denke ich an die vergangenen Jahre, als ich da auch so gesessen habe und dann irgendwann auf der Terrasse dieses wiehernde Lachen von Jürgen gehört habe. Da wusste ich immer: Es ist alles in Ordnung. Aber das gibt es jetzt nicht mehr.“
Natürlich war weit im Voraus geplant, dass Watzke gerade jetzt sein Buch vorstellt. Es mag Zufall sein, dass der große Melancholie-Diaabend in die aktuelle Großzeterlage fällt. Der Klub hadert schließlich nicht nur mit späten Gegentreffern, sondern „verliert seine innere Mitte“, wie eine lesenswerte Analyse des Fanzines „schwatzgelb“ befindet. Im Endeffekt ist aber ganz gleich, ob geplant oder nicht – die Klopp-Preisung bringt einen Verlierer hervor: den aktuellen Trainer Lucien Favre.
Hier der impulsive Motivationskünstler, dort der zaudernde Tüftler; hier prosten sich Akki und Kloppo beim Pils zu und wärmen alte Hühnerwagen-Geschichten auf, dort nestelt Favre an seinem Hemd und sagt immer wieder „Es wird schwer, das ist klar“. Ein Komiker im Dortmunder Lokalradio nennt ihn „Wenig-Puls-Favre“ und arbeitet sich allwöchentlich an der Emotionslosigkeit des Trainers ab.