Niall Quinn, ein erfolgreicher Stürmer in England, zechte eine Nacht lang mit Fans. Wenig später besangen Sunderland-Anhänger Quinns Discohosen aus jener Nacht – und stürmten damit in die britischen Charts. Martyn McFadden, der Initiator des Hits, erinnert sich.
Martin McFadden ist einer der Köpfe hinter dem genialen Sunderland-Fanzine A Love Supreme. Hier beschreibt er die kuriose Geschichte des Songs über Niall Quinn.
Heutzutage würden wir Niall Quinn mit Fragen durchlöchern, so viel steht fest. Aber als ich ihn für das Sunderland-Fanzine „A love supreme“ im Jahr 1997 traf, war er noch nicht die Klub-Legende, die er heute ist. Als wir also fast fertig waren mit dem Interview, fiel mir noch eine Geschichte meines Kumpels Iain ein. Er hatte mir von dem Niall-Quinn-Gesang der Fans von Manchester City, Quinns vorherigem Verein, erzählt.
Ich erinnerte mich vage und sprach Quinny darauf an. „Es scheint, als hätten die City-Fans einen Gesang über dich. Es soll irgendetwas mit schlimmen Tanzschritten in einer Disco zu tun haben.“ Quinny lächelte. „Wie hast du das denn rausgefunden?“, fragte er mich. Und dann hat er mir tatsächlich die ganze Geschichte erzählt.
FlipFlops, abgeschnitte Jeans, Unterhemd
Quinn befand sich mit City irgendwann Mitte der Neunziger auf einer Vorbereitungstour in Italien. „Ich saß auf meinem Balkon, als ich plötzlich bemerkte, dass meine Mitspieler ohne mich in die Klubs gezogen waren.“ Wenig später kamen Fans vorbei, die Quinn fragten, ob er nicht mitkommen wolle in eine Bar. „Ich gab ihnen zu verstehen, dass ich nur FlipFlops, eine abgeschnittene Jeans und ein Unterhemd trug. Doch sie schafften es tatsächlich, mich zu überreden.“
Wenig später – und nach ein paar Drinks – fand sich Quinn mitten auf der Tanzfläche in genau jenem Look. Neben dem Mann in Unterhemd tanzten Italiener in Armani-Anzügen. Die umstehenden Fans dichteten sogleich: „Niall Quinn‘s Disco Pants are the best, they go up from his arse to his chest, they are better than Adam &the Ants, Niall Quinn’s disco pants.“
(Anm. der Red. Quinn erwähnte es in jenem Interview nicht, aber an besagtem Abend in Italien soll es noch hoch hergegangen sein, inkl. Boxkampf und Oben-Ohne-Tanz. Hier erzählt Quinn selbst. Für alle, die Adam & the Ants nicht kennen, hier ein Vorgeschmack.)
„Der Gesang verflüchtigte sich wenig später“, erklärte Quinn. Auch ich dachte mir nichts dabei und notierte es als kleine Anekdote für mein Interview. Doch mein Kumpel Iain war gleich wieder Feuer und Flamme, als er die ganze Geschichte erfuhr. Er stachelte mich an, den Gesang im Stadion von Sunderland anzustimmen. Tatsächlich versuchten wir es während einer Halbzeitpause, doch es endete eher im Desaster. Alle Umstehenden schauten uns an, als seien wir komplett irre geworden.
Sch.., jetzt ist es raus
Doch unser Tag sollte kommen. Am 3. November 1998 spielten wir auswärts gegen Crewe und nach ein paar – okay, zugegeben – nach sehr vielen Bieren und vor allem nach Quinns Treffer zum 3:0 stimmten wir das Lied an. Der Auswärtsblock war nicht groß, gerade mal 900 von uns fanden Platz. Und dieses Mal lachten sich die Fans um uns herum schlapp, als sie den Text hörten, dann stimmten sie mit ein.
Ein unglaubliches Gefühl, schließlich hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie einen Chant gerufen, bei dem der ganze Block einstimmte. Es war sogar so laut, dass selbst Quinn sich auf dem Platz umdrehte. Er hatte einen Gesichtsausdruck, als wollte er sagen: „Verdammte Scheiße, jetzt ist es raus.“
Besäufnisse mit The Clash
Einige Wochen später traf ich Tim Madgwick, der bei Cherry Red Records arbeitete. In den achtziger Jahren war das Label richtig im Geschäft, doch zu dieser Zeit brachten sie auch Fußball-Songs heraus. Ich hatte Tim bei einer früheren Aufnahme eines Sunderland-Songs geholfen, also stellte er mir zwischen Geschichten um geplatzte Verträge mit New Order und Besäufnissen mit The Clash die Frage, ob ich neue Ideen für Fußball-Lieder hätte.
Ich erzählte ihm von der Niall-Quinn-Geschichte, und er war komplett aus dem Häuschen. In Windeseile saß Tim am Telefon und erzählte seinem Boss von der Sache. Dieser teilte Tims Enthusiasmus aber keineswegs, und somit hakte auch ich die Sache ab.
Aber am 20. Februar 1998 kamen die Wolves zu uns und alles sollte sich ändern.
Der Gesang über Niall Quinn’s Disco Pants hatte sich durch unser Fanzine und unser Spiel bei Crewe schon verbreitet, doch wir konnten nicht ahnen, was passieren sollte. In der letzten Minute erzielte Quinn den 2:1‑Siegtreffer und 41.268 Leute sangen aus voller Kehle unser Lied (ok, ok, es war Quinns Lied und die Wolverhampton-Fans werden wohl nicht mit eingestimmt haben). Los ging es in den nächsten Pub – was für ein Moment!
Am darauf folgenden Montag hatten wir immer noch glasige Augen von den Feiern des Wochenendes. Mein Telefon klingelte mich also aus dem Halbschlaf. Tim war dran und fragte: „Habt ihr Lust, einen Plattenvertrag zu unterzeichnen?“ Sein Boss hatte am Wochenende die Zusammenfassung des Spiels gesehen und mitbekommen, wie das ganze Stadion den Song intoniert hatte. Ich gab mich am Telefon ganz gelassen, während ich durch die Zimmer rannte, als wäre ich es gewesen, der den Siegtreffer geschossen hat.
Johnny und zu viel Cannabis
Wir unterschrieben also den Vertrag und teilten im Überschwang allen – Nachbarn, Freunden, Verwandten, Bekannten – mit, dass uns nun niemand mehr aufhalten könne und wir Popstars werden würden. Ganz sicher. Bis uns dämmerte, dass wir eigentlich nur einen Vertrag mit einer international agierenden Plattenfirma unterzeichnet hatten. Dieser besagte, dass wir damit einverstanden waren, nicht nur die Aufnahme und Produktion, sondern auch die Veröffentlichung und die Vermarktung zu übernehmen.
Wir hatten keine Ahnung, wie das geht. Um die Sache noch etwas zu verkomplizieren, spielte natürlich keiner von uns auch nur ansatzweise ein Instrument. Wir wussten nicht, was wir verdammt noch mal tun sollten.
Wie immer in solch angespannten Lebenslagen taten wir das einzig Richtige und besofffen uns nach allen Regeln der Kunst im The Ivy House. Sogleich kamen uns die Ideen, wie wir uns aus der misslichen Lage befreien konnten. Wir brauchten zunächst ein Aufnahmestudio. Johnny, ein alter Bekannter von mir, der sich mit einem Musikprogramm herumschlug und viel zu viel Cannabis in seinem Schlafzimmer rauchte, sollte unser Techniker werden. Es bedurfte nur eines Partners, der ihn zum Arbeiten bekommen würde.
Wir suchten Johny auf und wenig überraschend lag er gerade Cannabis rauchend in seinem Bett und kreierte einen Song. Johnny verwies uns an Maz, dem das Studio The Bunker gehörte, das wir fernab der Öffnungszeiten nutzen könnten.
Die Allgemeinbildung eines Goldfischs
Maz konnte Drums spielen und Johnny konnte Gitarre, Bass, Akkordeon, Mundharmonika usw. spielen. Wie auch immer, wir fragten Garry Dunn, ob er Gitarre und Bass spielen wollte. Gary war ebenfalls ein alter Bekannter von mir. Wir hatten also tatsächlich ein Studio und Musiker, doch schnell wurde uns eins bewusst: Wir hatten zwar den Gesang, aber keine Strophen für solch ein Lied. Also machten wir uns auf ins Ivy House.
Unser Kumpel Peter sollte das Problem lösen, immerhin studierte er in Cambridge, was ausschloss, dass er ein kompletter Idiot war. Seltsamerweise sagten alle, die ihn näher kannten, dass er trotzdem die Allgemeinbildung eines Goldfisches besaß. Peter verlangte Sandwiches, Kaffee und Ruhe und zog sich dann für einige Stunden auf meinen Dachboden zurück.
Mit Bier gefügig machen
Wenig später hatten wir tatsächlich den Text, nun ging es ans Eingemachte. Die lokale Presse bekam schon Wind von der Sache und wollte vorbeischauen, doch das Studio war dafür definitiv kein geeigneter Ort. Aus ihm trat der Gestank von Johnnys Skunk-Tasche und von Maz‘ Töle. Johnny und Maz hatten sich ins Studio einkaserniert, bis der Song aufgenommen war.
Sie schliefen mit dem Hund auf Matratzen. Spätestens da wurde mir bewusst, dass die Musikindustrie bei weitem nicht so glamourös war, wie ich angenommen hatte.
Nach den ersten Aufnahmen und ziemlich viel Geschrei von Johnny und Maz standen wir kurz vor der Ziellinie. Ich sprintete in den nächsten Supermarkt und kaperte so viel Bier, wie ich kriegen konnte. Doch ich kippte sie mir nicht als Belohnung selbst rein, sondern verfolgte einen anderen Plan: Im Studio standen reichlich Fans, um dem Refrain die passende Stadionatmosphäre zu verleihen. Doch die Jungs wollten nicht so recht in Schwung kommen, also machte ich sie mit Bier und Pizza gefügig – plötzlich sangen sie sich die Seele aus dem Leib.
In einer ruhigen Minute wurde mir allerdings etwas bewusst: Ich hatte alle zusammen gebracht, das Cover entworfen, die Verträge klar gemacht, die Band zusammen getrommelt – nur um dann bei den verdammten Aufnahmen des Refrains Pizza zu holen. Zur Hölle, ich war nicht auf der Platte. Ein Schock. Doch im Endeffekt verwand ich auch den.
Das Echo auf den Song in Sunderland war überwältigend. Die Plattenläden stellten ihn sogar im Fenster aus, die Discos und Pubs in der Gegend spielten ihn rauf und runter. Für die Promo hatte ich die Idee, dass wir uns alle wie in den Siebzigern kleiden sollten.
Das würde es uns erleichtern, die Besetzung zu wechseln. Außerdem wollten wir ja weiter unerkannt in Sunderland umherlaufen.
Wie die Ochsen im Stadion
Also fuhren wir das komplette Programm. Ich zog mir eine lila Schlaghose, ein pinkes Shirt und eine Perücke über. Auch die anderen standen mir in Bezug auf dämliche Verkleidung in nichts nach, und so fuhren wir in einem geliehenen, pinken Siebziger-Jahre Capri zum Pressetermin vor. Lokale TV-Sender und sogar Sky brachten die Geschichte groß.
Der Song wurde Nummer eins in den NME Charts und Nummer 46 in den britischen Charts. Wir hatten gar einen Auftritt in der Halbzeitpause, bei dem der idiotische DJ allerdings den Instrumental-Mix auflegte und uns wie die Ochsen dastehen ließ.
Die Mannschaft von Sunderland sang das Lied derweil bei jeder Mannschaftsfahrt. Auch Niall Quinns Kinder trällerten es tagein tagaus. Er hat es natürlich mit Humor aufgenommen. Wenn er nicht so ein guter Typ gewesen wäre, der zusammen mit Fans eine Nacht durchmacht, dann wäre die ganze Geschichte nie ins Rollen gekommen. Und wenn er nicht nach Sunderland gekommen wäre, um den Klub zu retten, wären wir nie auf diesem Zauberteppich geflogen.
(Anm. der Red. An dieser Stelle sei noch einmal auf die grandiosen Lyrics des Songs hingewiesen, Peter hat trotz aller Vorbehalte wohl ganze Arbeit geleistet. Und auch dieses Video verdeutlicht die Bedeutung des Liedes. Die Geschichte des Gesangs zog noch weitere Kreise, so wurden Fans wegen „Niall Quinn’s Disco Pants“ aus einem Flugzeug geworfen. Quinn selbst soll für die ca. 100 Fans Taxis bestellt und die Fahrten aus eigener Tasche bezahlt haben.)