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Peer Posipal wirft seinem Sohn Patrick über den Café-Tisch einen kurzen Blick zu und sagt dann: Nein, ich habe ihm nicht die Daumen gedrückt, dass er in die dritte Liga auf­steigt. Er ist 25, wovon soll man da noch träumen? Patrick soll sich auf sein Stu­dium kon­zen­trieren und gut.“ Sein Sohn schweigt, schaut aus dem Fenster und nimmt einen Schluck Apfel­schorle. Patrick ist Kapitän des Regio­nal­li­gisten TSV Havelse und schnup­perte im Früh­jahr mit dem Team aus Garbsen bei Han­nover an der Sen­sa­tion, ein Sieg im Spit­zen­spiel gegen Hol­stein Kiel und das Über­ra­schungs­team wäre in die Auf­stiegs­runde ein­ge­zogen. Ich weiß ja, was mein Vater meint. Aber als wir das Spiel ver­loren hatten, habe ich schon geweint“, erklärt Patrick. Es war eine ein­ma­lige Chance.“ Der Traum von der Pro­fi­kar­riere, er ist wohl end­gültig vorbei.

Opa Jupp Posipal hat den ganz großen Traum gelebt, war Erst­liga-Spieler und Welt­meister. Der Donau­schwabe wurde wäh­rend des Zweiten Welt­krieges aus dem heu­tigen Rumä­nien nach Deutsch­land gerufen, um seinen Dienst in einer Rüs­tungs­fa­brik zu leisten. Nur mit ein paar Hab­se­lig­keiten in einem Papp­karton kam er nach Deutsch­land. Nebenbei spielte Jupp Fuß­ball und kam nach dem Krieg als Mit­tel­läufer des Ham­burger SV groß raus. Mit 27 Jahren stand er auf dem Rasen, als Deutsch­land 1954 das Wunder von Bern erlebte. Der Name Posipal war auf einen Schlag welt­be­kannt.

Enkel des Welt­meis­ters“

Als Enkel des Welt­meis­ters von 1954“ betrat Patrick im ver­gan­genen Jahr die große Fuß­ball­bühne. Havelse schal­tete im DFB-Pokal zunächst Nürn­berg aus und unterlag Bochum erst nach großem Kampf. Patrick war als dop­pelter Tor­schütze erst in aller Munde, aber auch schnell wieder ver­gessen. Nur eine lose Anfrage“ aus Liga drei gab es für den Mit­tel­feld­mann. Doch er ent­schied sich für sein Sport­ma­nage­ment-Stu­dium und für Havelse. Als TSV-Coach André Brei­ten­reiter im Sommer zu Zweit­li­gist Pader­born wech­selte, nahm er Marc Vuci­n­ovic und Saliou Sané mit – seinen Kapitän fragte er gar nicht erst. Ich weiß nicht, warum“, meint Patrick gleich­gültig. Er könne sowieso nicht sagen, ob er sich für einen Wechsel an die Pader ent­schieden hätte.

Wie es sich für Erben des großen Jupp Posipal gehört, durch­liefen Peer und Patrick die Nach­wuchs­ab­tei­lung des HSV. Bis zu den Ama­teuren lief alles nach Plan. Als Chef­trainer Branko Zebec Peer Anfang der Acht­ziger einen Pro­fi­ver­trag geben wollte, legte Jupp sein Veto ein: Sein Sohn sollte erst das Abitur fertig machen. Ein Jahr später hatte Ernst Happel beim HSV das Sagen, und der fand mich nicht so gut“. Peer hadert aber nicht mit der ver­passten Chance, lehnt sich auf seinem Stuhl im Café zurück und betont, wie zufrieden er mit seiner Kar­riere ist: Mein Name hat es mir sicher nicht ein­fa­cher gemacht. Aber du kannst heulen gehen oder Gas geben.“ Bei Ein­tracht Braun­schweig spielte der 21-Jäh­rige ein Jahr Bun­des­liga, stieg dann aber ab und ver­brachte den Rest seiner Kar­riere in Liga zwei. Zu Beginn seiner Zeit in Braun­schweig machte Peer eine Aus­bil­dung zum Spe­di­ti­ons­kauf­mann und arbei­tete auch ein Jahr in dem Beruf. 1992 über­nahm er schließ­lich die Möbel­han­dels­agentur seines Vaters und ver­kauft bis heute Möbel.

Patricks Nach­name spielte auf dem Platz keine Rolle: Die meisten Jungs in meinem Alter kennen meinen Opa nicht.“ Unter Huub Ste­vens durfte er einen Hauch Pro­fi­luft schnup­pern, im Trai­ning habe ich mal gegen Rafael van der Vaart gespielt.“ Doch zu mehr reichte es nicht. Über Hee­slingen und Ober­neu­land kam Patrick nach Havelse. Seit zwei Jahren stu­diert er in Han­nover und ist Fei­er­abend­fuß­baller. Anders als Jupp damals erlaubte Peer seinem Sohn, die Schule nach der zwölften Klasse zu ver­lassen und voll auf den Fuß­ball zu setzen. Ich habe sein Talent gesehen. Aber man braucht auch Glück und es hat eben nicht geklappt.“

Dass es nicht nur sein Sohn und er beim HSV schwer hatten, weiß Peer genau. Unter Manager Dietmar Bei­ers­dorfer arbei­tete er kurz­zeitig als Scout. Der Ex-Profi und Kenner des nord­deut­schen Jugend­fuß­balls schien für den Job prä­de­sti­niert zu sein. Doch die Freude über die neue Auf­gabe war schnell ver­flogen: Es kam kaum ein Nach­wuchs­spieler bei den Profis an. Und ich habe mich dann dafür ent­schieden, lieber die Spiele meines Sohnes anzu­gu­cken, als andere Jungs zu scouten, die eh keine Chance haben.“ Nach nur einem halben Jahr warf er die Bro­cken hin.

„…dann wärst du auch Natio­nal­spieler geworden!“

Volles Ver­ständnis hat Peer für den Wechsel von Seeler-Enkel Levin Özt­u­nali aus der HSV-Jugend zu Bayer Lever­kusen in diesem Sommer. Er hat es richtig gemacht – nicht wegen des Geldes, son­dern wegen der sport­li­chen Per­spek­tive“, ist der Unter­nehmer über­zeugt. Der Lehr­ling ist im eigenen Stall zu wenig wert. Not­ge­drungen hat danach ein Umdenken ein­ge­setzt.“

Sein eigenes Schei­tern beim HSV allein an einer ver­fehlten Ver­eins­po­litik fest­zu­ma­chen, ist aber nicht die Sache des 51-Jäh­rigen: Mir fehlte alles, was meinen Vater so gut gemacht hat: die Stärke im Zwei­kampf und Kopf­ball und beson­ders die Schnel­lig­keit. In Braun­schweig hat mein Trainer Alex Ristic mal gesagt: ›Wenn du doch nur schnell wärst, dann wärst du auch Natio­nal­spieler.‹ Aber nur mit Technik hat es nicht gereicht.“ Sein Sohn sei immerhin zwei­kampf- und kopf­ball­stärker als er. Patrick muss grinsen, winkt ab und gibt zu: Der Schnellste bin ich auch nicht.“

Jupp Posipal ver­starb am 21. Februar 1997 in Ham­burg. Rund sech­zehn­ein­halb Jahre später geht Patricks Stu­dium in die ent­schei­dende Phase. Im kom­menden Jahr könnte er – viel­leicht im Aus­land – seinen Bachelor machen. Die Aus­bil­dung hat dem Fuß­ball den Rang abge­laufen. Wovon soll man da noch träumen?“, hat Peer gefragt. Patrick hofft, irgend­wann einmal als Manager im Pro­fi­fuß­ball zu arbeiten. Dagegen hätte sein Vater nichts – und viel­leicht hilft ihm dabei sein großer Nach­name.