Journalisten sind dankbar über jede persönliche Randnotiz und natürlich musste deshalb auch der Argentinier Gabriel Milito vor dem Halbfinal-Rückspiel seines FC Barcelona diverse Fragen zu seinem Bruder Diego beantworten. Der steht bei Barca-Gegner Inter Mailand im Kader und versohlte den hoch gelobten Katalanen im Hinspiel dermaßen den Hintern, dass der stolze Klub wie ein geprügelter Hund in den Bus Richtung Heimat einstieg. Milito also sagte: »Für mich ist er mit dem Anpfiff ein Gegenspieler wie jeder andere. Unsere familiäre Beziehung liegt dann auf Eis.« Das war nett gesprochen. Aber dramatisch untertrieben. Denn wenn Abwehrspieler Gabriel auf Angreifer Diego trifft, fliegen die Fetzen.
Selbstverständlich haben sich die spanischen Zeitungen nicht lumpen lassen und holten vor wenigen Tagen eine Anekdote aus den Untiefen der Familienhistorie, die Ihresgleichen sucht. Im März 2003, wenige Wochen vor dem Länderspieldebüt von Diego, trafen die Brüder in Avellaneda, einem Vorort von Buenos Aires, aufeinander. Gabriel, im Trikot von Independiente, holzte einen Gegenspieler um, der frei auf das Tor zugelaufen war. So weit, so unfair. Bis plötzlich der gut ein Jahr ältere Diego (FC Racing) den Schiedsrichter wild bestürmte, seinen um sich tretenden Bruder doch bitte vom Platz zu schmeißen. Der Legende nach soll nun Gabriel, zutiefst getroffen ob des brüderlichen Verrats, die Mutter seines Kontrahenten beschimpft haben. Der Schiedsrichter unterbrach die Partie kurzzeitig – er wäre vor Lachen beinahe zusammengebrochen.
Wie zu Hause im Garten
Selbstredend, dass Mutter Marta Milito den verzogenen Gören nach Spielende die Ohren lang zog. Noch während der Partie hatte sie auf der Tribüne gesessen, umrahmt von den zukünftigen Schwiegertöchtern, den Tribünenplatz allerdings vor lauter Scham vorzeitig verlassen. Und Sohnemann Gabriel gab später kleinlaut zu: »Wir haben uns so kindisch benommen, als ob wir zu Hause im Garten kicken würden.«
Man darf also durchaus gespannt sein, für welche Kabbeleien die beiden Nationalspieler heute Abend auf der ganz großen Bühne fähig sind. Vater Jorge Milito verkündete – nicht ohne Stolz – schon einmal hackmessernde Prognosen: »Beide töten für ihre Farben, so leben sie halt den Fußball.« Und tatsächlich: Eine fast brutale Hingabe für den Beruf kann man beiden nicht absprechen. Barca-Mann Gabriel gehört bei den Katalanen zwar nicht zur Stammformation, ist allerdings einer der wenigen Fußballer im kreativen Wust der Weltauswahl, der auch mal die Knochen knacken lässt. Das macht ihn zwar nicht zum umjubelten Superstar im knall-verwöhnten Camp Nou, aber zu einer gezielten Waffe für seinen Trainer Pep Guardiola.
Wie ein wilder Stier
Ähnlich rabiat versteht auch Diego Milito das Handwerk – sein Auftritt am vergangenen Dienstag im Giuseppe-Meazza-Stadion war ein Adrenalin-sprühender Kraftakt. Wie ein testosterongepimpter Bulle raste Milito durch die überrumpelte spanische Defensive. Sein überragender Auftritt war entscheidend für das überraschend hohe Endergebnis (3:1).
Der radikale Berufsethos beider Fußballer, die es damit immerhin in die womöglich besten Mannschaften der Welt geschafft haben, dürfte auf des Vaters Misthaufen gewachsen sein. Stolz wie zehn Trompeter gab der alte Herr seine Aussichten für das Duell in Barcelona bekannt: »Ein Milito wird auf jeden Fall überleben und im Finale stehen.« Ob sich dann auch wieder Mutter Marta auf die Tribüne traut, entscheiden alleine die eigenen Söhne.