Wir haben uns in den letzten Jahren so sehr daran gewöhnt, dass hierzulande fast alle Profimannschaften mit einer Viererkette in der Abwehr spielen, dass wir es uns schon gar nicht mehr anders vorstellen können. Das letzte Mal in der Bundesliga verzichtete Lucien Favre noch bei Hertha BSC darauf und bot hinten nur drei Spieler auf. Im Ausland ist das anders, wo etwa der SSC Neapel regelmäßig oder selbst der FC Barcelona ausnahmsweise mit einer Dreierkette in der Abwehr antritt. Und weil es immer ein Erfolgsfaktor sein kann, wenn man gegen den Trend agiert, stellt sich die Frage: Welche Vorteile kann eine Dreierkette in der Abwehr haben?
Arrigo Sacchi, der als Prophet der Viererkette in die Fußballgeschichte eingegangen ist, hat gesagt, dass eine hintere Kette mit nur drei Spielern die Offensive fördern kann. Das gilt schon allein numerisch, denn in einem 3−4−3 oder 3−5−2 sind immerhin sieben Spieler vor der Abwehr. Das entspricht auch der Forderung von Volker Finke, die er als Trainer zu seinen besten Zeiten beim SC Freiburg erhob, dass der Ballführer immer drei Anspielstationen haben muss. Allerdings ist dabei zu beachten, dass offensive Aktionen aus der Dreierkette oft eher zurückhaltend geleistet werden. Denn rückt einer der Spieler vor, besteht die Deckungsreihe faktisch nur noch aus zwei Spielern und das wagt man nicht immer gerne.
Zu dritt kann man die Spielfeldbreite nicht so gut abdecken
In der Defensive erweist sich die Kette dann als Vorteil, wenn beide Außenbahnspieler im Mittelfeld in der Lage sind, tief nach hinten zu arbeiten. Sind sie für solch weite Laufwege geeignet, können sie die Dreierkette bei gegnerischem Ballbesitz zu einer Fünferkette komplettieren und die Platzbreite extrem dicht besetzen. Das ist deshalb wichtig, weil Diagonalbälle des Gegners eine große Gefahr für die Dreierkette sind. Das liegt auf der Hand, denn zu dritt kann man die Spielfeldbreite nicht so gut abdecken wie zu viert oder gar fünft.
Generell hängen die Vorteile und die Nachteile einer Dreierkette vor allem von der Formation des Gegners ab. Spielt der etwa mit drei weit auseinanderstehenden Spitzen, also klassischen Außenstürmern und einem Mittelstürmer, wird es für die Dreierkette problematisch, weil eine direkte Zuordnung kaum möglich ist. Wird die Dreier- daraufhin jedoch zur Fünferkette, sind zwar die drei gegnerischen Spitzen abgedeckt, aber es fehlt ein Spieler im Mittelfeld. Tritt der Gegner jedoch mit einem 4−4−2 an, bei dem die Ketten auf einer Linie agieren, passt ein 3−4−3 ideal.
Alternative: gependelte Viererkette
Drei Verteidiger gegen zwei Spitzen bedeuten genauso eine Überzahl wie die Raute im Mittelfeld gegen die zwei zentralen Spieler des Gegners in einer solchen Kette.
Eine Alternative zur reinen Dreierkette oder zur beschriebenen Variante, bei der sie sich in eine Fünferkette verwandelt, wäre die „gependelte Viererkette“, wie sie etwa die französische Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1998 zeigte. Die Außenbahnspieler im Mittelfeld sind in diesem Fall eigentlich so etwas wie vorgezogene Außenverteidiger einer imaginären Viererkette und verhalten sich entsprechend. Sie stellen die gegnerischen Außen bereits im Mittelfeld und die Dreierkette schiebt nach (siehe Skizze). Wichtig bei dieser Variante ist aber, dass der Außenbahnspieler auf der Seite, über die der Angriff gerade nicht läuft, ins Mittelfeld schiebt und nicht an die Dreierkette anschließt. Da dies auf beiden Seiten geschieht und die Dreierkette quasi hin und her pendelt, könnte man hier von der „gependelten Viererkette“ sprechen, auch wenn es sich im Grunde nur um eine wechselnd ergänzte Dreierkette handelt.
Diese kurze Kettendiskussion zeigt, dass die Dreierkette der Viererkette weder grundsätzlich über- noch unterlegen ist. Es kommt auf die Formation des Gegners an und wie immer auf die jeweiligen Fähigkeiten der eigenen Spieler. Die wichtigste Aufgabe ist es in allen Formationen, Kompaktheit hinter dem Ball zu bekommen. Weil das mit einer Dreierkette oder einer Variation davon aber nicht nur möglich ist, sondern sich im Einzelfall auch Vorteile ergeben, wird sicherlich demnächst auch mal wieder ein Trainer im deutschen Profifußball darauf zurückgreifen.