Die erste Zweitligasaison seit 1977, ein umgekrempelter Kader und viele Fragezeichen. VfB-Bloggerin Ute Lochner weiß, wie sich ein Stuttgart-Fan vor dem Saisonstart fühlt.
Nur diese eine Saison. Es ist immer nur „diese eine“. Die eine, die man als Übergangssaison aufgerufen hatte. Die eine, nach der man weit hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben war. Die eine, in der man alles so viel besser machen wollte. Die eine, bei der es bleiben sollte. Seit vielen, vielen Jahren. Dem VfB Stuttgart steht eine weitere Übergangssaison bevor, zwölf Wochen nachdem in Wolfsburg der letzte Vorhang gefallen war. Ob es bei „dieser einen“ im Unterhaus bleiben wird, ist jedoch mehr als ungewiss.
Es entstand etwas Großes – doch die Realität holte uns ein
Im Moment ist alles noch ganz surreal. Nicht allzu lange ist es her, dass der VfB für eine Nacht im Februar auf Rang Neun der Tabelle stand, sechs Siege in Folge verzückten uns ein ums andere Mal, gereicht hat es trotzdem nicht. Mit großen Ambitionen gestartet und mit unheimlich viel Aufbruchsstimmung, ja gar Euphorie, wenn man denn so möchte. Es entstand etwas Großes im Ländle – doch die Realität holte uns schneller ein, als uns lieb sein konnte.
Für niemanden dürfte der Abstieg überraschend gekommen sein, ganz im Gegenteil, er war die logische Konsequenz von zu vielen Fehlern, aus denen man jahrelang nichts gelernt hatte. Besonders weh tat das anscheinend nur uns Fans, die wir stets immer alles gegeben hatten. Wir werden den harten Gang in die Zweite Liga mit antreten, von vielen der Spieler, die den Abstieg zu verantworten hatten, kann man das jedoch nicht behaupten.
Bewegung im Kader: Darfs noch etwas mehr sein?
Einige Wochen sind nun ins Land gezogen und viel hat sich seither im Kader bewegt, Verträge liefen aus und wurden nicht verlängert, manche wollten trotz Treuebekundungen keine zweite Liga spielen und suchen nun ihr Glück woanders und wiederrum einige andere wechselten mit einer ausgesprochenen Ambition fürs internationale Geschäft, beispielsweise zum HSV. Die Kaderentschlackung war dringend notwendig, doch war sie in den Augen vieler Nicht-Sportdirektoren (respektive: VfB-Fans) nicht gut geplant.
Aber wie will man auch vernünftig planen, wenn man sich zwei Monate mit der Präsentation eines neuen Sportdirektors Zeit lässt, um dann Jan Schindelmeiser zu präsentieren, der seit sechs Jahren nicht mehr viel im Fußballgeschäft gemacht hat? Er bekommt wie viele andere vor ihm eine zumindest faire Chance, sich zu beweisen. Das alleine dürfte schwierig genug werden, wenn man mit Timo Werner, Martin Harnik, Serey Dié, Lukas Rupp und Filip Kostic mehr ziehen lässt, als man für die jeweiligen Positionen holt.
Mein persönliches Umfeld und die Leser meines Blogs kennen mich als Schwarzmalerin. An dieser Stelle würde ich normalerweise schreiben, dass der – aktuelle – Kader, sei er auf manchen Positionen nominell gut besetzt, noch lange keine Garantie zum direkten Wiederaufstieg gibt. Es muss noch etwas passieren, ohne jede Frage, und ich möchte darauf vertrauen, dass Jan Schindelmeiser die richtigen Schlüsse zieht. Das dürften viele ähnlich sehen, die dem Brustring gewogen sind.
Dabei ist das Anspruchsdenken rund ums Neckarstadion entsprechend hoch. Direkter Wiederaufstieg, viele Siege, ein mit Euphorie mitgerissenes Umfeld, gute Stimmung und nach dem Wiederaufstieg alles viel besser machen als vorher. Das ist die Theorie. Dass der VfB zeigen kann, dass er aus Schaden klug werden kann, werden wir abwarten müssen. Anspruch und Realität liegen weiter auseinander, als einem im ersten Moment erscheinen mag.
Wie bitter es sein kann, wenn es am Ende trotzdem nicht reicht
Wohin der Weg des VfB Stuttgart führen wird, ist unheimlich schwer zu erahnen. Wir alle haben gesehen, wie es sein kann, wenn mitreißender Offensivfußball nicht mit den gewünschten Ergebnissen belohnt wird. Wir alle haben erlebt, wie sich sechs Siege in Folge anfühlen können und du glaubst, die dunklen Zeiten hinter dir zu haben. Wir alle haben gespürt, wie bitter es sein kann, wenn es am Ende trotzdem nicht reicht. Wer weiß, was ein paar Siege zum Auftakt bewirken können…?
In einigen Stunden werde ich mein Trikot überstreifen, vom Büro aufbrechen und mich spätestens am Neckarstadion mit Freunden und Weggefährten treffen, es wird nach Bier und Wurst riechen und überall werde ich hören, dass man die Hürde zweite Liga nun mit aller Kraft anpacken will – nicht selten gefolgt von einem leisen „Aber“. Es muss einiges zusammenlaufen, dass das Feuer wieder entfacht wird, doch dafür sind ausnahmsweise nicht wir Fans verantwortlich. Wir sind hier. Doch auch die Spieler müssen es sein. Dann wird’s auch was mit dem Wiederaufstieg, auf dass es nur „diese eine Saison“ bleibt.
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Auf vfbegeisterung.de schreibt Ute über ihre Liebe zum VfB Stuttgart