Französische Fußballfans litten jahrelang unter massiven Repressionen der Sicherheitsbehörden. Auswärtsreisen waren oft gar nicht möglich. Jetzt könnte sich endlich etwas ändern.
Man stelle sich das Ganze mal in Deutschland vor: Spiele wie das mit Spannung erwartete Aufeinandertreffen zwischen Dortmund und den Bayern fänden kategorisch ohne Auswärtsfans statt. Was in Deutschland undenkbar erscheint, stand in Frankreich mehrere Jahre lang auf der Tagesordnung – und ließ sich zuletzt beim Classique zwischen Paris Saint-Germain und Olympique Marseille (4:0) beobachten, als der Gästeblock komplett leer blieb.
Doch die „Nullnummer“ der Gästefans ist nicht mit mangelndem Interesse zu begründen, ganz im Gegenteil. Es war ein Ausschluss, geplant und durchgeführt von der französischen Staatsgewalt.
102 Spiele unter Auflagen
Seit 2011 können sowohl das Innenministerium als auch die Präfekte der einzelnen Départements (sie sind Vertreter des französischen Staates in den einzelnen Gebieten) Fans daran hindern, Auswärtsspiele ihres Vereins zu besuchen. Seitdem ist die Zahl der betroffenen Spiele in die Höhe geschossen. Waren es in der Saison 2011/2012 nur vier Spiele, mussten Auswärtsfans in der abgelaufenen Saison bei satten 102 Spielen auf die Unterstützung ihrer Mannschaft verzichten, sei es gänzlich oder zum Teil. In der laufenden Saison waren es in Ligue 1 und Ligue 2 bislang etwa 50 Spiele, bei denen die Auswärtsfans unter Maßnahmen der Sicherheitsbehörden litten.
Dazu gehören unter anderem Betretungsverbote von bis zu 24 Stunden für das Stadtzentrum des Spielortes oder das Stadion und dessen Umfeld. Auch repressive Maßnahmen wie die Anreise über zentrale Anlaufpunkte und Polizeieskorten sind Bestandteile der staatlichen Politik gegen Auswärtsfans. Die Verordnungen richten sich nicht ausschließlich gegen organisierte Fangruppen, sondern gegen alle Personen, „von denen das Verhalten erkennen lässt, dass sie Fans einer bestimmten Mannschaft“ sein könnten.
Beginn der Maßnahmen
Warum agierte der französische Staat in den vergangenen Jahren so strikt? Die Geschichte der französischen Fanszenen ist immer wieder von Gewalt begleitet worden. Im Februar 2010 starb mit Yann Lorence ein Fan bei einer Auseinandersetzung vor einem Spiel zwischen PSG und OM. Der Hauptstadtverein setzte danach strikte Maßnahmen durch: Der „Plan Leproux“ (benannt nach dem damaligen Vereinspräsidenten) sorgt für die Auflösung der Gruppen aus den Kurven „Boulogne“ und „Auteuil“ des Pariser Prinzenparks. Auch ein System der zufälligen Platzvergabe im Stadion wurde installiert. Das war allerdings nur der Beginn der strengen Maßnahmen.
Im März 2011 verabschiedete der französische Staat ein Gesetz, um die „Leistungsfähigkeit der internen Sicherheit“ zu erhöhen. Darin enthalten waren auch verstärkte Maßnahmen und Sanktionierungsmöglichkeiten, um der Gewalt rund um Fußballstadien Herr zu werden. Dieses Gesetz war also definitiv in Zusammenhang mit dem Tod von Yann Lorence zu verstehen. Das Innenministerium war fortan in der Lage, Individuen und Gruppen im Fußballkontext Reisen zu untersagen – die Repressionen nahmen so nochmals zu.