Torwartheld, Muskelberg, Hobbywrestler. Die Karriere des Tim Wiese ungewöhnlich zu nennen, wäre untertrieben. Ein Gespräch über den ewigen Kampf gegen die anderen und sich selbst.
Tim Wiese, welcher war der dunkelste Moment Ihrer sportlichen Karriere?
Das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League 2006 gegen Juventus Turin.
In der 87. Minute fingen Sie eine harmlose Flanke, rollten sich danach ab, verloren den Ball und Turins Emerson schoss das 2:1. Werder schied aus. Wie erinnern Sie sich an die Szene?
Ich wollte Zeit schinden, warf mich auf den Boden, der Ball rutschte mir irgendwie aus den Händen und Emerson schob ein. Ein ganz bitteres Ding.
Sie hatten zuvor ein großartiges Spiel abgeliefert, waren erst 24 Jahre alt und trugen ein hautenges, rosafarbenes Trikot. Hand aufs Herz, mit dieser Rolle wollten Sie Ihren Auftritt an diesem Abend endgültig zur großen Show werden lassen.
Ich bin ein Showmann, ein Entertainer, das war ich schon immer. Aber in dieser Szene war ich einfach ein Torwart, der einen Fehler machte. Mehr nicht.
Mehr nicht? Sie sagten vor der Partie, dass dies das wichtigste Spiel Ihrer Karriere sei, und wollten anschließend nach eigener Aussage „im Boden versinken“. Wie lange saßen Sie nach dem Schlusspfiff in der Kabine?
Nicht so lange. Ich habe geduscht und bin nach Hause gefahren. Okay, zwei Tage lang ging es mir beschissen. Andere Torhüter zerbrechen vielleicht sogar an so einer Szene. Aber ich nicht.
Ihr Torwartspiel war immer sehr spektakulär. Gehörte das auch zur Show?
Klar. Ich war als Kind schon so: große Klappe, immer sehr selbstbewusst und manchmal halt eine Spur zu viel von allem. Aber ich konnte mir das ja auch erlauben.
Warum?
Weil ich es drauf hatte. Bis ich neun war, spielte ich als Stürmer. Dann verletzte ich mich, mein Trainer stellte mich ins Tor – und da war ich sogar noch besser. Ich wusste schon mit zehn Jahren, dass ich mal mein Geld mit Fußball verdienen würde. Ich hatte mehr Talent – und einen eisernen Willen. Als Kind trainierte ich nach den normalen Einheiten noch mit meinem Vater auf einer Wiese in der Nähe unserer Wohnung in Bergisch Gladbach. Wir stellten zwei Taschen als Pfosten auf und er zimmerte mir die Bälle um die Ohren.
Sind Sie ein Extremist?
Was die Arbeit an meinem Körper und das Erreichen sportlicher Ziele angeht, ja.
Woher kommt diese Einstellung?
Das weiß ich nicht. Meine Eltern waren ganz normale Leute. Ich hatte zu beiden ein enges Verhältnis, und doch bin ich in vielen Dingen sehr anders drauf.