Vermutlich wird in ein paar Jahren Hollywood in Dortmund durchklingeln, um sich die Rechte an der heldenhaften Darbietung der Borussen gegen Real Madrid zu sichern. So lange wir es also noch dürfen: der BVB in der Einzelkritik.
Roman Weidenfeller
Der Mensch gewordene Defibrillator. Wie häufig war Borussia Dortmund in der Champions League eigentlich schon so gut wie tot und wurde von Roman Weidenfeller wiederbelebt? Auch gestern hätte in der 16. Minute alles schon vorbei sein können, Schiedsrichter Damir Skomina hatte Real einen Elfmeter zugesprochen, der gleich doppelt unberechtigt war (siehe: Lukas Piszczek). Und dann standen sie da: Angel di Maria und der etwa achtmal so große und breite Weidenfeller. Der Keeper hielt den Ball, schmiss die Pumpe seiner Mannschaft wieder an und die spielte anschließend mit Puls 180. Wann sehen wir Weidenfeller bei Dr. House?
Lukasz Piszczek
Wenn Verteidiger dieser Welt in Zukunft noch angelegtere Arme beim Zweikampf zeigen müssen, um keinen Elfmeter zu verursachen, dann sollten Trikothersteller darüber nachdenken, die Gliedmaßen von Defensivspielern ab der neuen Saison ins Leibchen einnähen zu lassen. Piszczek sprang nach 16 Minuten in eine Flanke, der Ball prallte gegen seinen Arm, aber der war – genau – angelegt. Außerdem befand sich der Pole außerhalb des Strafraums. Dortmunds Außenverteidiger hätte der unglücklichste Mensch des Abends sein können, sein Torwart verhinderte das. Zum Dank lief sich Piszczek anschließend so dermaßen die Lunge aus dem Leib, dass er bei seiner Auswechslung nach 81 Minuten mit seiner Zunge den Rasen berührte. Graslecken ist das neue Grasfressen.
Manuel Friedrich
Der „From Zero to hero“-Award in Überraschungssilber geht nach dieser Partie an Manuel Friedrich. Dem traute man nach wenigen Minuten zu, dass er das Spiel im Alleingang verlieren würde, dann fing er sich und mit „fangen“ meinen wir in diesem Fall einen 80-Meter-Pass in der letzten Minute des Superbowl. Rückwärts, im Fallen. Friedrich rasierte nacheinander Benzema, Bale und Co. so dermaßen gründlich, dass Gillette bereits über einen Blitzvertrag nachgedacht haben soll. In dieser Form Stammspieler.
Mats Hummels
Vor 20 Jahren hätte dieser Mats Hummels einen astreinen Libero abgegeben. Weil wir aber 2014 haben, ist Hummels ein astreiner Innenverteidiger, dem es in seinen besten Momenten gelang, wie ein Günter-Netzer-Körperdouble in die freien Räume zu galoppieren und dann seine Vorderleute einzusetzen. In den weniger besseren Momenten produzierte er damit Fehlpässe und Konter der Gäste. Aber er hatte ja Manuel Friedrich, seinen Partner mit der kalten Schnauze.
Erik Durm
Schon komisch. Da standen gestern bei Real Angel di Maria, Gareth Bale und Luka Modric auf dem Patz und bei Dortmund ein junger Typ mit Allerweltsgesicht namens Erik Durm. Und wer spielte am auffälligsten von allen Genannten? Ganz genau, das Allerweltsgesicht. Das ist nämlich mit einem Ausnahmetalent gesegnet und erst 21 Jahre alt. Vielleicht haben wir gestern den Beginn einer großen Champions-League-Karriere gesehen.
Milos Jojic
Gestern bejubelten wir noch voller Fachwissen das Können von Real-Mann Luka Modric, insbesondere dessen Ball- und Passsicherheit. Modric wird in Madrid nur „das Pony“ genannt. Dann müsste man Milos Jojic nach dem gestrigen Abend „den Zuchthengst“ nennen, so erstaunlich sicher, wie der Serbe das Mittelfeld verwaltete. Bitter nur: Das führte am Ende zu nichts. Das Leben ist eben kein Ponyhof.
Oliver Kirch
Kurz mal anschnallen: Oliver Kirch ist bereits 31 Jahre alt. Den Mann hätten wir gegen Real auch ohne Zweifel für ein 19-jähriges Edeltalent gehalten, so wenig hatte man bislang von ihm gesehen und so erstaunlich war seine Leistung. Jede noch so angestrengte Offensivbemühung der Offensivmaschine aus Madrid wurde von Kirch im zentralen defensiven Mittelfeld im Keim erstickt. Fazit: Vergesst in Zukunft die Sandsäcke und stellte einfach Oliver Kirch auf die Deiche. Der wird die Sturmflut schon irgendwie aufhalten.
Kevin Großkreutz
Auch wenn Kevin Großkreutz nach dem Spiel Rotz und Wasser heulte – die 90 Minuten vorher müssen sich für ihn angefühlt haben wie für Junkies der nächste Schuss. Volles Haus, Europapokal, Real Madrid, gelbe Wand auf der Süd und auf dem Rasen: Beinahe-Sensation. Für solche Spiele hätte sich Klein-Kevin wahrscheinlich im Teenager-Alter freiwillig einen kleinen Finger abgehackt. So spielte er dann auch: wie ein Wahnsinniger.
Henrikh Mkhitaryan
Ach, Micky. Ach, Micky! Der Armenier hätte gleich mehrfach das 3:0 machen können, vielleicht sogar machen müssen. Auf jeden Fall aber machen sollen, denn das hätte die bewundernswerte Leistung von ihm und seiner Mannschaft verdient gehabt. So aber muss sich Mkhitaryan in den kommenden Tagen fragen lassen, was eigentlich Chancentod auf armenisch heißt. Treffendes Fazit gestern im Ticker: „Mkhitaryan würde momentan wahrscheinlich nicht mal seine Verwandten an Weihnachten treffen.“
Marco Reus
Erstaunlich, wie es Marco Reus trotz einer Weltleistung schaffte, unauffällig zu bleiben. Der Mann mit der Nicht-Weltfrisur ist eben keiner für die ganz großen Gesten und Charaktergrätschen. Er zieht sein Spiel mit so viel Raffinesse und filigraner Kunst auf, dass es in Spielen wie diesem nicht schwer fällt, den Dortmunder als besten deutschen Mittelfeldmann der Gegenwart zu bezeichnen. Schoss zwei Tore, ließ sich sogar dazu herab, die zweite Hütte einfach plump abzustauben, statt den Ball mit der Außenrist-Hacke über Casillas zu heben. Hätte man ihm am gestrigen Abend nämlich auch noch zugetraut.
Robert Lewandowski
Vermutlich war Robert Lewandowski früher in der Schule der Typ, der während Klausuren immer seinen Zettel in die Höhe hielt, wenn sich der Lehrer mal wieder zur Tafel umdrehte. Der Pole machte mal wieder alle Kollegen in seiner Nähe ein Stückchen besser. Irgendwo in den USA saß ganz sicher Jürgen Klinsmann und ballte die Faust.
Pierre-Emerick Aubameyang
Kam nach 81 Minuten, konnte aber nicht mehr ins Spielgeschehen eingreifen. Vielleicht war er auch einfach zu schnell für unsere müden Augen.