HSV-Trainer ist der schlimmste Job der Welt? Immerhin weiß man, dass man nach ein paar Monaten wieder zwei Jahre Urlaub machen kann. Abfindung sei dank.
Natürlich, es geht immer schlimmer. Zum Beispiel beim FC Sion, wie die Kollegen vom „Runden Leder“ heute dokumentierten: Dort haben die Fans seit 1997 sage und schreibe 42 Übungsleiter erlebt. Dennoch: Der HSV liegt zumindest national in puncto Trainerwechsel ganz weit vorne. In den vergangenen 17 Jahren versuchten 16 Übungsleiter ihr Glück beim HSV.
Was für ein beschissener Job, mag man meinen. Allerdings wurden die Trainer bei ihren Entlassungen zumeist fürstlich entlohnt. Konkret: Der HSV zahlte seit 2001 Abfindungen in einer Höhe von ungefähr 11,7 Millionen Euro.
Frank Pagelsdorf
Zeit: 01.07.1997 – 17.09.2001
Siegquote: 35.9 Prozent
Abfindung: 4,2 Millionen D‑Mark (2,1 Millionen Euro)
Der Hannoveraner führte den HSV im Jahr 2000 in die Champions League, wo die Fans eine der raren Sternstunden der jüngeren Klubhistorie erlebten. Zuhause erkämpfte sich der HSV gegen das Starensemble von Juventus Turins um Zinedine Zidane und Filippo Inzaghi ein 4:4, im Stadio delle Alpi gewann der HSV sogar mit 3:1. Pagelsdorf durfte – für heutige Verhältnisse – sensationelle vier Jahre beim HSV arbeiten.
Holger Hieronymus
Zeit: 18.09.2001 – 03.10.2001
Siegquote: 0 Prozent
Abfindung: – (Interimstrainer)
Nach der Entlassung von Frank Pagelsdorf sprang Sportchef Holger Hieronymus für zwei Wochen als Trainer ein. Zugleich präsentierte die Hamburger Presse alle paar Tage einen potenziellen Nachfolger: Alleine am 19. September 2001 standen drei Top-Namen auf der Liste: Kevin Keegan, Christoph Daum, Ivica Osim. Am Ende kam Kurt Jara.
Kurt Jara
Zeit: 04.10.2001 – 22.10.2003
Siegquote: 37,7 Prozent
Abfindung: 1 Million Euro
Der knurrige Österreicher hatte zuvor den FC Tirol Innsbruck trainiert. Bei seiner Vorstellung in Hamburg verkündete er: „Beim HSV wächst was zusammen.“ Immerhin: Er gewann mit dem HSV den Ligapokal und zog in den Uefa-Cup ein. Doch dort war schon in der ersten Runde gegen Dnjepr Dnjepropetrovsk Schluss. Nach einem 0:4 in Kaiserslautern am 9. Spieltag entließen Dietmar Beiersdorfer und Bernd Hoffmann den Trainer. Später sagte Jara: „Ich kam mir damals vor wie der Volltrottel. Erst der Schulterschluss vor der Presse, zwei Tage später klingelt es dann abends an meiner Haustür und Dietmar Beiersdorfer sagt mir, dass alles vorbei ist.“ Der Sportdirektor verhandelte zu dem Zeitpunkt bereits mit Jaras Nachfolger.
Klaus Toppmöller
Zeit: 23.10.2003 – 17.10.2004
Siegquote: 42,4 Prozent
Abfindung: 800.000 Euro
Ein Jahr durfte Klaus Toppmöller bleiben. In seiner ersten Saison führte er die Mannschaft nach dem Katastrophenstart immerhin noch auf einen akzeptablen achten Platz. Doch weil der HSV im Oktober 2004 auf dem 18. Tabellenplatz stand, zogen die Chefs wieder mal vorzeitig die Reißleine. Martin Pieckenhagen zürnte nach dem Rausschmiss: „Ich hätte gehofft, dass er eine Chance kriegt. Jetzt können wir am Ende unserer Karriere den Namen Toppmöller auf die Karte schreiben. Wir haben auch den rausgeschmissen!“
Thomas Doll
Zeit: 19.10.2004 – 31.01.2007
Siegquote: 45,6 Prozent
Abfindung: 900.000 Euro
Thomas Doll ging als einer der beliebtesten Trainer in die HSV-Geschichte ein. Was auch daran lag, dass ihm anfangs alles gelang. In der Saison 2004/05 führte er die Hanseaten von Platz 18 noch in die Nähe der Uefa-Cup-Ränge. In der zweiten Spielzeit mischte der HSV unter Doll sogar einige Zeit um die Meisterschaft mit. Am Ende wurde er Dritter. Doch wieder ließ der Absturz nicht auf sich warten, wobei der Vorstand vor der Entlassung länger mit sich rang. Erst nach elf sieglosen Spielen in Folge musste Doll im Januar 2007 gehen. Immerhin: Der Trainer gewann die Auszeichnungen „Mann des Jahres im deutschen Fußball 2005“ und „Hamburger 2005“.
Huub Stevens
Zeit: 02.02.2007 – 30.06.2008
Siegquote: 46.9 Prozent
Abfindung: – (freiwillige Vertragsauflösung)
Der Niederländer führte den HSV aus dem Abstiegsschlamassel direkt nach Europa. Dort schied die Mannschaft im Achtelfinale unglücklich gegen Bayer Leverkusen aus. In der Liga stand der HSV am 26. Spieltag auf einem sensationellen zweiten Platz, und Presse, Ex-Präsidenten, Ex-Spieler, Ex-Trainer, Ex-Maskottchen jubelten: „Wir sind wieder wer!“ Am Ende erreichte die Mannschaft allerdings nur mit Ach und Krach die Europa League. Huub Stevens legte Ende Juni sein Amt nieder. Offizielle Begründung: Er wolle sich mehr um seine kranke Frau in Kerkrade kümmern. Wenige Wochen später unterschrieb er bei PSV Eindhoven.
Martin Jol
Zeit: 01.07.2008 – 26.05.2009
Siegquote: 55,9 Prozent
Abfindung: – (freiwillige Vertragsauflösung)
Die Wirren des Sommers 2008. Sogar der junge Mainzer Trainer Jürgen Klopp sprach beim HSV vor, doch weil er Hamburger Seidenschalträgern zu salopp erschienen war – er trug beim Vorstellungsgespräch eine Jeans – entschied man sich gegen Klopp und für einen weiteren Holländer. Doch auch Martin Jol hielt es auch nicht lange in Hamburg aus. Immerhin erlebten die Fans ein paar Glücksmomente: Das Team erreichte die Halbfinals im DFB-Pokal und der Europa League. In der Liga stand der HSV am 26. Spieltag punktgleich mit Tabellenführer VfL Woflsburg auf Platz 2. Wieder: Großes Hallo, große Jubelarien. Doch die Mannschaft rutschte erneut ab, Jols Miene verfinsterte sich und erst in der letzten Saisonminute konnte Piotr Trochowski dem HSV einen Platz im internationalen Wettbewerb sichern. Wenige Tage später bekam Jol ein Angebot aus Amsterdam und sagte zu. Die Fans fühlten sich veralbert, doch Jol versicherte, dass er vor der Entscheidung „ganz schlecht geschlafen“ habe. Außerdem schmierte er noch ein bisschen Honig: „Beide Klubs, Ajax und der HSV, sind ganz große Vereine im Weltfußball, auf Augenhöhe.“ Nun, ja.
Bruno Labbadia
Zeit: 01.07.2009 – 26.04.2010
Siegquote: 37,5 Prozent
Abfindung: 1,2 Million Euro
Der einstige Stürmer der Rothosen trat einen Tag später die Nachfolge Jols an – und eigentlich lief es gar nicht schlecht. In der Europa League erreichte der HSV wieder das Halbfinale, am 24. Spieltag rangierte der Klub auf Platz 4. Doch zwei Spieltage vor Saisonende musste Labbadia gehen. David Jarolim sagte am Tag der Entlassung: „Wir sollten uns schämen.“ Damit meinte er allerdings nicht die Entlassung, sondern die 1:5‑Pleite in Hoffenheim. Das Tischtuch zwischen Mannschaft und Trainer soll zu dem Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen bereits zerschnitten gewesen sein.
Ricardo Moniz
Zeit: 26.04.2010 – 30.06.2010
Siegquote: 50 Prozent
Abfindung: – (Interimstrainer)
Bruno Labbadias Co-Trainer Ricardo Moniz leistete für die letzten zwei Spieltage erste Hilfe. Die wichtigste Partie der Saison, das Europa-League-Halbfinal-Rückspiel beim FC Fulham, ging allerdings 1:2 verloren.
Armin Veh
Zeit: 01.07.2010 – 13.03.2011
Siegquote: 42,3 Prozent
Abfindung: –
Armin Veh begann seine Tätigkeit in Hamburg mit dem Satz: „Der HSV ist für mich eine große Nummer, ein toller Verein.“ In der Winterpause war der HSV dann plötzlich doch eher beschissen. Veh schien keine Lust mehr zu haben und wetterte öffentlich gegen die Klubstrukturen. Die HSV-Führung kam einer Kündigung zuvor: Nach der 0:6‑Pleite beim FC Bayern im März 2011 musste Veh seine Koffer packen. Der HSV belegte zu dem Zeitpunkt Platz 8. Vier Monate später pöbelte David Jarolim: „Wir haben in der ganzen Zeit nicht gewusst, was eigentlich unsere taktische Ausrichtung ist. Bei Huub Stevens sollte möglichst hinten die Null stehen, bei Martin Jol und Bruna Labbadia lautete die Vorgabe, offensiv zu spielen. Bei Veh wurde nicht klar, was er eigentlich von uns erwartete.“ Ein Grund für das Nachtreten dürfte allerdings auch Jarolims Degradierung gewesen sein. Veh hatte ihm vor der Saison die Kapitänsbinde abgenommen.
Michael Oenning
Zeit: 13.03.2011 – 19.09.2011
Siegquote: 7,1 Prozent
Abfindung: 500.000 Euro
Nachfolger Michael Oenning startete im März 2011 mit einem lässigen 6:2 gegen den 1. FC Köln. Danach gelang allerdings nichts mehr. Nach einem 0:1 am 6. Spieltag der Folgesaison belegte der HSV wieder mal Platz 18. Oenning musste als schlechtester Trainer der HSV-Geschichte – lässt man die Interimstrainer außen vor – seinen Stuhl räumen.
Rodolfo Esteban Cardoso
Zeit: 20.09.2011 – 10.10.2011
Siegquote: 50 Prozent
Abfindung: – (Interimstrainer)
Unter Interimstrainer Rodolfo Esteban Cardoso gewann der HSV in Stuttgart und verlor zu Hause gegen Schalke 04. Danach war Schluss, denn Cardoso besaß keine Lizenz als Fußballlehrer, und die DFL stimmte einer Ausnahmeregelung nicht zu. „Es gibt Regeln, und in Deutschland werden diese Regeln eingehalten“, sagte Cardoso enttäuscht.
Frank Arnesen
Zeit: 10.10.2011 – 16.10.2011
Siegquote: 100 Prozent
Abfindung: 1,4 Millionen (als Sportdirektor)
Frank Arnesen konnte machen, was er wollte: Er machte alles falsch. Weil er als Sportdirektor vier Nachwuchsspieler seines alten Vereins Chelsea mit nach Hamburg gebracht hatte, sah er sich vom ersten Tag starker Kritik der Fans und Journalisten ausgesetzt, die vom ihm Spieler vom Kaliber Luca Toni oder Arjen Robben erwarteten. Selbst als er Gökhan Töre, einer dieser Jungspieler, später für sechs Millionen Euro weiterverkaufen konnte, lachte man ihn aus. Wie auch immer: Im Oktober 2011 musste Arnesen als Trainer einspringen, da der HSV noch keinen Nachfolger für Oenning gefunden hatte und Cardoso nicht mehr als Trainer agieren durfte. Mit einer Siegquote von 100 Prozent wurde Arnesen der beste Trainer, den der HSV je hatte. Einziger Schönheitsfehler: Er saß nur bei einem Spiel als Trainer auf der Bank.
Thorsten Fink
Zeit: 17.10.2011 – 16.09.2013
Siegquote: 32.8
Abfindung: 800.000 Euro
In jenen Wochen geisterten wieder mal illustre Namen durch die Hamburger Presse. Etwa Marco van Basten oder Morten Olsen. Die waren allerdings nicht zu haben, also kam Thorsten Fink. Für den zahlte der HSV nicht nur eine ordentliche Abfindung, sondern auch eine Ablösesumme in Höhe von einer Million Euro an den FC Basel. Man versprach sich viel vom ehemaligen Bayern-Spieler, schließlich hatte er mit den Schweizern zwei Mal die Meisterschaft und einmal den nationalen Pokal gewonnen. Wenige Tage vor seiner Verpflichtung gelang den Baselern unter Finks Leitung ein sensationelles 3:3 gegen Manchester United. Beim HSV startete Fink mit einer Serie von acht Spielen ohne Niederlage (davon allerdings sechs Unentschieden). Am Ende der Saison stand der HSV auf Rang 15, so schlecht wie nie zuvor in der Bundesliga. Die HSV-Bosse hielten allerdings an Fink fest, nach dem Motto: ein bisschen Friede, ein bisschen Hoffnung, ein bisschen Kontinuität. Immerhin konnte Fink so eine komplette Saison (2012÷13, Rang 7) beim HSV erleben. Doch nach nur einem Sieg in den ersten fünf Spielen der laufenden Spielzeit war auch Finks Zeit beim HSV gezählt.
Rodolfo Esteban Cardoso
Zeit: 17.09.2013 – 24.09.2013
Siegquote: 0 Prozent
Abfindung: – (Interimstrainer)
Der Argentinier saß nur bei der 0:2‑Heimpleite gegen Werder Bremen auf der Bank, bis Bert van Marwijk als neuer starker Mann vorgestellt wurde. Die Hamburger dankten dem Vorstand und Gott, denn in jenen Tagen machten auch andere Namen die Runde: Zum Beispiel Lothar Matthäus oder Stefan Effenberg. Van Marwijk passte. Ein weiser und erfahrener Mann im edlen Anzug. Zudem immerhin Vize-Weltmeister von 2010 und ehemals erfolgreicher Trainer von Feyenoord Rotterdam.
Bert van Marwijk
Zeit: 25.09.2013 – 15.02.2014
Siegquote: 20 Prozent
Abfindung: ca. 3 Millionen Euro
Im November schien der HSV sich unter dem Holländer gefangen zu haben, die Mannschaft belegte zwischenzeitlich sogar Platz 11 und hatte die Europa-League-Plätze vor Augen. Dann folgte eine Heimniederlage gegen den FC Augsburg und plötzlich ging nichts mehr. Der HSV verlor sieben Spiele in Folge, zuletzt gegen die Aufsteiger Hertha BSC und Eintracht Braunschweig, dazu setzte es im DFB-Pokal gegen den FC Bayern eine 0:5‑Peitsche. Wenige Stunden nach seiner Entlassung gab Van Marwijk der „Hamburger Morgenpost“ bereits ein erstes Interview: „Ich hatte immer Hoffnung und glaube auch heute noch an die Chance. Sie ist aber nur sehr klein. Letztlich fehlt es auch an Qualität.“
Mirko Slomka
Zeit: 16.02.2014 – ?
Der Hannoveraner Mathematik-Lehrer verhandelte (wie nahezu jeder Trainer) schon zweimal mit dem HSV. Doch einmal erhielt Martin Jol den Vorzug. Ein anderes Mal, als der HSV eine Nachfolge für Armin Veh suchte, ließ Hannover 96 Slomka nicht gehen. Nun also Anlauf Nummer 3, der mit einem besonders schmackhaften Programm beginnt: Nächstes Wochenende geht es zu Hause gegen Borussia Dortmund, danach muss der HSV auswärts bei Werder Bremen ran. Und dann? Sicher ist nichts. Außer dass Slomkas Vertrag auch für die 2. Liga gilt.