Heute vor 85 Jahren empfing die englische Nationalmannschaft im Londoner Highbury-Stadion Weltmeister Italien. Wir erinnern an das heimliche WM-Endspiel, das zu eine der brutalsten Begegnungen der Geschichte mutierte.
London, am 14. November 1934. Im Highbury-Stadion vom FC Arsenal treffen England und der frisch gebackene Weltmeister Italien zum Freundschaftsspiel aufeinander. Eine hanebüchene Bezeichnung für ein Spiel solcher Brisanz, denn für Anhänger beider Nationen steht nicht nur das sportliche Prestige auf dem Spiel. England, das selbst ernannte „Mutterland“ des Fußballs, gibt sich schließlich nicht häufig die Blöße, gegen eines der Teams vom Festland anzutreten. 1928 aus der FIFA ausgetreten, galt die bereits zweimal ausgetragene „Weltmeisterschaft“ auf der Insel als lahme Farce minder talentierter Fußball-Nationen in der Wickelphase. Ganz klar: Den besten, den erfolgreichsten, den fortschrittlichsten Fußball spielt nur England und damit basta.
Und weil zeitgleich das europäische Festland auf dem besten Wege ist, größenwahnsinnigen Diktatoren aus Deutschland und Italien scheinbar hörig, in die braune Sülze des Faschismus zu schliddern, gilt das Match England vs. Italy auch außerhalb des Fußballplatzes als internationaler Machtkampf. Denn war es nicht „„Il Duce“, Benito Mussolini höchstpersönlich, gewesen, der seinen weltgewandten (und englischsprachigen) Nationaltrainer Vittorio Pozzo mit der Forderung nach England geschickt hatte, ein Länderkampf zwischen dem Weltmeister und dem Mutterland zu vereinbaren? Im Sommer 1934 hat Italien, teils unter äußerst verdächtiger Mithilfe scheinbar bestochener und bedrohter Schiedsrichter, die zweite Fußball-WM für sich entschieden. Ein solch sportlicher Erfolg im eigenen Land – für den Duce grandiose Propaganda.
Keine Chance für italienische Faschisten
Die englische Football Association stimmte dem italienischen Vorschlag schließlich – auch aufgrund der charmanten Anfrage von Fußballlehrer Pozzo – zu. Für Italien soll es das erste Länderspiel nach dem Endspielsieg über die Tschechoslowakei werden, für Englands stolze Nationalmannschaft der Beweis der eigenen Unfehlbarkeit und Größe. Was gilt es gegen diese auf der Insel weitestgehend unbekannten italienischen Faschisten schon zu verlieren? Gar nichts, tönt die heimische Presse, und verweist auf die Stammbesetzung, in der allen sieben Akteure von Serienmeister FC Arsenal auftauchen, dazu solch ein Ausnahmetalent wie der blutjunge Stan Matthews, ein begnadeter Dribbelkönig und Hochgeschwindigkeitsfußballer der Extraklasse.
Am 14. November 1934 ist also alles hergerichtet für eine weitere grandiose Erfolgsgeschichte der Mutterländler. Zwischen 51.000 im Highbury-Stadion sitzt die internationale Prominenz, vertreten durch Arthur, den Prince if Connaught (einen Enkel Queen Victorias) und den italienischen Botschafter; in Bern hockt derweil Fußball-Freund Mussolini an seinem Schreibtisch, bereit die minütlich eintreffenden telefonischen Berichterstattungen durch seine Hausdiener vorgetragen zu bekommen.