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Wenn sich Gary Lineker öffent­lich Sorgen um die Zukunft des natio­nalen Fuß­balls machen muss, dann ist – frei nach Shake­speare – etwas faul im Staate Eng­land. Und nicht nur der ehe­ma­lige Stürmer, die ganze Insel dis­ku­tiert momentan über Fakten, die Recher­chen der BBC her­vor­ge­bracht haben: Offen­sicht­lich hat Eng­lands Jugend­fuß­ball ein Pro­blem mit dem Fair Play. Ein ganz immenses. 3731 Fälle von unsport­li­chem Ver­halten haben die 50 Bezirks­ver­bände der FA im Bereich des Nach­wuchs­sports regis­triert, von Pöbelei bis schwerer Kör­per­ver­let­zung. Allein inner­halb der letzten 15 Monate wohl­ge­merkt. Begangen nicht etwa von Spie­lern, son­dern von Erwach­senen.

Die Pushy Par­ents“

Heißt im Klar­text: Viele Eltern haben sich nicht mehr unter Kon­trolle, sobald ihre Spröß­linge gegen einen Ball treten. Des­halb sollen sie jetzt nach­sitzen. In Eng­land haben sie sogar einen eigenen Begriff dafür erfunden: Pushy Par­ents“. Die FA bietet seit Januar Benimm-Kurse an, in denen beson­ders tem­pe­ra­ment­volle“ Fans lernen sollen, dass es gar nicht ok ist, wäh­rend einer Partie auf das Spiel­feld zu rennen und die min­der­jäh­rige Schieds­rich­terin zu beschimpfen, bezie­hungs­weise als Trainer seinem Team zu emp­fehlen, die geg­ne­ri­sche Mann­schaft mit Tritten zu atta­ckieren (beides tat­säch­lich regis­trierte Untaten). Sünder, die solche Awa­re­ness Courses“ besu­chen, können damit gegen sie ver­hängte Strafen, zum Bei­spiel Sta­di­on­ver­bote, redu­zieren. Der Ex-Stürmer Lineker unter­stützt diese Initia­tive vehe­ment und for­derte in der eng­li­schen Presse nicht weniger als eine elter­liche Kultur-Revo­lu­tion“. Über­mo­ti­vierte Erzie­hungs­be­rech­tigte würden sonst womög­lich gar die Her­an­bil­dung von poten­ti­ellen Top-Spie­lern behin­dern.

Die drei­stün­digen Kurse beinhalten unter anderem ein Quiz zu Fuß­ball-Spiel­re­geln, um Eltern zu zeigen, dass sie diese eben doch nicht besser kennen als ein Schieds­richter. Um zusätz­li­ches Ver­ständnis für die Schwie­rig­keiten des Jobs eines Unpar­tei­ischen zu schaffen, sehen sich die Kurs­teil­nehmer Videos von strit­tigen Spiel­si­tua­tionen an. Abschlie­ßend gibt es eine Grup­pen­dis­kus­sion, in der die reu­igen Row­dies offen dar­über nach­denken, was sie hätten tun können, um eben nicht zum Besuch des Awa­re­ness Course“ ver­don­nert zu werden. Jeder Kurs­teil­nehmer schreibt dann drei gute Vor­sätze auf eine Post­karte, welche ihm, sozu­sagen als Gedächt­nis­stütze, einen Monat später per Post zukommt.

FA-Respect-Manager Dermot Collins sagte dazu der BBC: Eine unserer Kurs-Prio­ri­täten ist es, ein posi­tives Umfeld zu schaffen, in dem Kinder das Fuß­ball­spiel lieben lernen und eine lebens­lange Bin­dung dazu ent­wi­ckeln. Das Feed­back war bisher exzel­lent.“ Für viele moderne Eltern“ sei das Unter­stützen ihres Kindes vom Spiel­feld­rand aus Teil der Erzie­hung, daher sei es wichtig, ihnen dabei ein wenig Anlei­tung“ zu geben.

Albert Ast­bury, Vor­sit­zender der Schieds­rich­ter­ver­ei­ni­gung, sieht das ähn­lich: Kürz­lich musste einer unserer jungen Refe­rees ein Spiel einer U‑10 vor­zeitig abbre­chen, weil Eltern sich geprü­gelt haben. Es ist traurig, dass die Mehr­heit der Ver­gehen, die von unseren Schiris ver­zeichnet werden, von Erwach­senen begangen wird.“

Benimm-Kam­pagne auch in Deutsch­land

Dem Bezirks­fuß­ball­ver­band von Man­chester genügen die Benimm­kurse nicht: Künftig sollen Vor­fälle“ auf der ver­bands­ei­genen Inter­net­seite öffent­lich gemacht und betrof­fene Klubs damit an den Pranger gestellt werden. Auf der offi­zi­ellen Web­seite der FA findet man einen Ver­hal­tens­kodex, der Fehl­tritte von vorn­herein unter­binden soll. Hier wird Eltern klar gemacht, dass sie im Sinne des Fair Play Ent­schei­dungen des Schieds­rich­ters stets respek­tieren und diese nicht etwa mit Beschimp­fungen kon­tern sollte oder gar dadurch, dass sie aktiv ins Spiel ein­greifen.

Beim DFB gibt es bereits seit 2008 die Kam­pagne Fair ist mehr“, um den Sports­geist im deut­schen Fuß­ball noch stärker zu för­dern. Neben den seitdem jähr­lich ver­lie­henen Preisen hat der DFB zu diesem Thema mitt­ler­weile laut eigener Aus­sage etwa 50.000 Pla­kate und 150.000 Flyer an Lan­des­ver­bände, Ver­eine und Trainer ver­teilt. In einem Eltern-Check können Erzie­hungs­be­rech­tigte anhand einiger Fragen zudem über­prüfen, ob sie denn richtig cool“ sind, wirk­lich über­haupt nicht cool“ oder ob sie sogar eine Rote Karte bekommen und mal prüfen sollten, wie sie cooler und fairer“ werden können. Eigent­lich ziem­lich simpel: Wer bei­spiels­weise die Frage Lobst du dein Kind, wenn es einen geg­ne­ri­schen Spieler gefoult hat?“ mit Ja“ beant­wortet, ist natür­lich wirk­lich über­haupt nicht cool“.

Line­kers Sorgen

Und den­noch brau­chen wohl auch hier­zu­lande einige Erwach­sene diese Art von Nach­hil­fe­un­ter­richt, wie DFB-Pres­se­spre­cher Thomas Hack­barth bestä­tigt: Natür­lich gibt es ›über­mo­ti­vierte‹ Eltern. Manchmal sollen geplatzte Träume von den Kin­dern als Stell­ver­treter aus­ge­lebt werden. Manchmal dient sogar ein Junio­ren­spiel als Ventil, um Stress und Druck abzu­bauen.“ Zwar sei es auch hier bereits ver­ein­zelt zu kör­per­li­chen Aus­ein­an­der­set­zungen zwi­schen Eltern gekommen. Diese Vor­fälle lägen aber in Deutsch­land, ver­gli­chen mit der Anzahl der Spiele, im Pro­mil­le­be­reich“, so Hack­barth.

Zumin­dest um Deutsch­land muss sich Gary Lineker also vor­erst keine Sorgen machen.