Nach wie vor tummeln sich Wettbetrüger im Fußball. Gejagt werden sie in einem Büro in London, von blassen Jungs vor großen Bildschirmen. So wie im Fall des spanischen Drittligisten CD Eldense.
Im oberen rechten Rand des Bildschirms leuchtet plötzlich ein kleines Symbol auf, ein hellgrünes Ausrufezeichen. Es fällt nicht gleich ins Auge, so unscheinbar ist es – nicht größer als ein normales Minesweeper-Feld. Aber das genügt, um ein steriles Großraumbüro in der City of London, dem an Wochenenden nahezu ausgestorbenen Finanzviertel der Stadt, in helle Aufregung zu versetzen. Gerade haben noch die meisten hier dem Merseyside-Derby zugeschaut, das auf den Flatscreens an den Wänden zu sehen ist, jetzt springen die Mitarbeiter auf. Sie drängen sich um den Bildschirm, wo der Warnhinweis angeschlagen hat. Gemeinsam diskutieren sie Zahlen, Diagramme und Quotenverläufe, denn es besteht die Möglichkeit, dass ein Spiel manipuliert worden ist.
Weicht eine Quote ab, schlägt das System Alarm
Das Frühwarnsystem hat bei einem Juniorenspiel in Deutschland angeschlagen, und wenn so etwas passiert, muss man das ernst nehmen. Das sogenannte Fraud Detection System ist keine kleine Nummer, die hauseigene Entwicklung ist mittlerweile sogar als Beweismittel beim internationalen Sportgerichtshof CAS anerkannt. Benutzt wird diese Methode zur Betrugserkennung in ähnlicher Form auch von großen Wirtschaftsunternehmen. Also prüfen die Analytiker in London nun sorgfältig alle Informationen auf dem Bildschirm. Sie können die Geldbewegungen und Veränderungen von Wettquoten bei 550 Buchmachern aus aller Welt verfolgen. Wenn eine Mannschaft ein Tor erzielt, bewegen sich die Quoten in einem gut zu berechnenden Korridor. Weichen sie massiv davon ab, schlägt das System Alarm.
Genau das ist gerade passiert, doch nach wenigen Augenblicken hat sich die Aufregung in London wieder gelegt. „Falscher Alarm“, sagt Ben Thomas, der hier bei Sportradar als Analyst arbeitet. Seine Augen huschen gerade noch über die Brillenränder, prüfen die letzten Zahlen. Thomas ist vorsichtig, auch damit, was er einem Journalisten erzählt. In seinen Britpop-Klamotten könnte er aber genauso gut grölend in der Kurve eines Fußballstadions stehen. Thomas erklärt, dass der Alarm so scharf eingestellt ist, dass er schon bei kleinsten Abweichungen von der Norm anschlägt. Vielleicht gibt es einen unwichtigen Fall von Insiderwissen, weil der Kumpel eines Spielers erfahren hat, dass ein wichtiger Teamkollege verletzt ist. Vielleicht hat auch ein übereifriger Vater etwas Erspartes gesetzt, oder jemand geht einfach nur eine richtig dumme Wette ein.
Mitarbeiter auf dem ganzen Globus
Sicherheitshalber wird Thomas einen freien Mitarbeiter vor Ort verständigen, um nach dem Rechten schauen zu lassen. Sportradar hat ein weltweites Netz von Scouts, Journalisten oder Hobbyfußballern. Sie wurden von dem Unternehmen auf ihre Integrität geprüft und haben im Zweifelsfall 24 Stunden Zeit, einen umfangreichen Lagebericht abzugeben. Ansonsten sind sie im Einsatz, um mit einer speziellen App vor Ort alle Tore, jede Auswechslung und selbst jeden Eckball für die immer beliebteren Live-Wetten zu erfassen.
Thomas führt die Aufsicht über eine Gruppe junger Männer, die diese Bezeichnung kaum verdienen. Blasse Studenten sind sie, frische Absolventen der verschiedensten Studiengänge aus allen Ecken des Königreichs, die eindeutig mehr Sport beobachten, als ihn selbst zu betreiben. Ben Thomas selber hat ursprünglich Politikwissenschaften studiert, der erste Gelegenheitsjob im Wettbüro um die Ecke diente ihm eigentlich nur dazu, etwas Taschengeld zu verdienen. Nun arbeitet er seit vier Jahren für Sportradar, und nicht immer geht es so vergleichsweise gemütlich zu wie an diesem Wochenende.