Kicken konnte unser Autor nie. Also hat er Nachhilfeunterricht in Ingo Anderbrügges Fußballschule genommen.
Ich bin kein Problem. Zumindest nicht für Marlon. Obwohl er neun Jahre jünger ist und nur halb so groß, bin ich chancenlos. Und das weiß er. Finte rechts, Körpertäuschung, dann ist es passiert: Der Ball rollt durch meine Beine. Und gleich noch einmal. Getunnelt. Von einem Elfjährigen. Gedemütigt sacke ich auf dem Kunstrasen zusammen. Mein Bezwinger hält kurz inne, zeigt einen Jubel, den er sich bei Cristiano Ronaldo abgeschaut hat, die Denkerpose. Dann dribbelt er weiter und schießt den Ball mit der Hacke zwischen den neongelben Plastikhütchen hindurch. Ich verliere den Zweikampf. Und wie. „Mach mal Pause, du siehst nicht gut aus“, ruft der Trainer. Ich nicke hektisch und schnappe nach Luft. Marlon hält währenddessen gelassen den Ball hoch.
„Mit deinen Quadratlatschen wird dat schwierig“
Zwölf Stunden zuvor verspürte ich zum ersten Mal die Angst davor, dass so etwas passieren würde. Ich war auf dem Weg nach Oberhausen, in die Fußballschule von Ingo Anderbrügge, und es gab einen dieser Zugmomente, bei denen man über Minuten gedankenversunken in die vorbeirauschende Landschaft starrt. Dabei erlebte ich einen Flashback in meine kurze, glanzlose Vergangenheit als Vereinsfußballer. FC Karnap, Altenessen 12, dann BV Altenessen, bereits mit zehn Jahren hatte ich einige Klubs abgeklappert. Ich liebe Fußball, nur selbst kicken, das ging nie gut. „Fußball kann man nicht lernen, dat kannse oder du kanns’ dat nich’“, sagte mein Opa immer. Auf welcher Seite von Können und Nicht-Können ich stand, erklärte er mir mit entwaffnender Ehrlichkeit: „Mit deinen Quadratlatschen wird dat schwierig.“
Mein Opa war für mich immer ein Wahrheitsgarant. Ein Typ mit einer Aura, die einen alles glauben ließ, was er so behauptete. Außerdem verbrachte er schon bevor es DAZN gab jeden Tag damit, rund um die Uhr Fußball zu schauen, und sei es auf Videokassetten. Zwischen Schnupftabak und Alt-Bier schrie er aus seinem ranzigen Ledersessel den Fernseher an und versicherte mir, er hätte das früher besser gekonnt als all diese „Mimosen“ von heute. Auch das glaubte ich ihm. Einmal kam er zu einem Spiel von mir und riet meinen Eltern anschließend, mich besser abzumelden. Ich beendete meine Karriere also vorzeitig, in der E‑Jugend.
Drei Tage, sechs Stunden Training
Doch kann man Fußball wirklich nicht lernen? Ich wollte es noch einmal versuchen, an drei Tagen mit jeweils sechs Stunden Training. Zusammen mit 65 Kindern im Alter von sechs bis dreizehn Jahren. Fußballschulen schienen mir die Bootcamp-Variante zu sein, um schnell erhebliche Fortschritte zu machen. Ingo Anderbrügge selbst war doch das beste Beispiel für mein Vorhaben. Kein großer Techniker, keiner mit überragender Spielübersicht. Aber ein Arbeiter, der wusste, wie man seine Defizite wettmacht. Trotzdem legte ich mich daheim bei den Eltern mit gemischten Gefühlen unter die Schalke-Bettwäsche im alten Kinderbett.