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Aaron Hunt war schon immer ein Ver­spre­chen. Als Wer­ders Trainer Thomas Schaaf ihn das erste Mal im Sep­tember 2004 gegen Han­nover 96 ein­ge­wech­selte, war er gerade einmal 18 Jahre alt. Ein halbes Jahr später wurde der Stürmer bei seinem Start­elf­debüt gegen Borussia Mön­chen­glad­bach mit seinem ersten Tor zu Werder Bre­mens jüngstem Tor­schützen aller Zeiten. Bei seinem ersten Cham­pions-League-Spiel von Beginn an spielte Hunt Bar­ce­lonas Rechts­ver­tei­diger Ole­guer Presas Knoten in die Beine und berei­tete Bre­mens Füh­rungstor vor, so dass Barca-Trainer Frank Rij­kaard sich gezwungen sah, auf den jungen Wir­bel­wind zu reagieren und ihm Welt­meister Lilian Thuram ent­ge­gen­stellte. Das Duell endete wie das Spiel: 1:1, unent­schieden.

Thomas Schaaf, der Hunt bereits seit der B‑Jugend kennt, war von der Leis­tung seines Zög­lings begeis­tert. In einem unge­wohnten Über­schwang nannte er seinen Jung­s­türmer nach der Partie einen fre­chen Hund“ und gab der Presse eine Steil­vor­lage. Fortan war in Schlag­zeilen die Rede vom fre­chen Hunt“ (Kicker) oder dem wilden Hunt“ (Finan­cial Times). Werder war auf den Hunt gekommen“ und hatte Hunt von der Leine gelassen“ (Taz). Die Liste der Wort­spiele war lang und die Erwar­tungs­hal­tung an das viel ver­spre­chende Talent groß.

Hunt­s­ge­meine“ Dis­ko­schlä­ge­reien

Den­noch wurde die Kar­riere des Junioren-Natio­nal­spie­lers zum Ritt auf der Rasier­klinge: Denn das Pri­vat­leben des Offen­si­v­ju­wels wider­sprach oft­mals den Leis­tungen auf dem Platz. Nicht weniger als Hunts Per­sön­lich­keit wurde in Frage gestellt, nachdem es wie­der­holt zu nächt­li­chen Eska­paden in Bremer Diskos gekommen war. Der unrühm­liche Höhe­punkt war ein Abend im Mai 2005, als Hunt von der Polizei fest­ge­nommen wurde, nachdem er unter anderem eine Frau geschlagen haben soll. Fal­sche Freunde“, sagt Hunt rück­bli­ckend zu dieser Zeit. Die Presse zeigte wenig Gnade. Der wilde Hunt“ war nun hunt­s­ge­mein“ (Bild).

Thomas Schaaf und Klaus Allofs kannten den Spieler jedoch besser, sie wussten schon lange um seinen wei­chen Kern. Den puber­tie­renden Aaron Hunt, der schon als 14-Jäh­riger ins Werder-Internat zog, plagte oft das Heimweh. Nach zwei Wochen in der fremden Stadt war es sogar so groß, dass Hunt in der lau­fenden Saison, ohne ein Ster­bens­wört­chen zu ver­lieren, nach Hause ins 200 Kilo­meter ent­fernte Goslar flüch­tete. Vor diesem Hin­ter­grund erscheinen die Dis­ko­ge­schichten des jungen Hunt in einem anderen Licht. Sie sind Aus­drücke von Unsi­cher­heit, von einem Leben zwi­schen den Welten.

Zieh­väter Schaaf und Allofs

Dass das väter­liche und fami­liäre System von Werder Bremen sich dadurch aus­zeichnet, junge und skan­dal­träch­tige Spieler auf­zu­fangen und ihnen Halt zu geben, dafür ist Aaron Hunt der beste Beweis. Allofs und Schaaf ver­ord­neten Hunt Sit­zungen beim Klub­psy­cho­logen Uwe Hart­tgen. Die Skandal-Geschichten fanden ihr Ende und Hunt revan­chierte sich mit guten Leis­tungen für das Ver­trauen seiner Zieh­väter. Nachdem er 2009 ver­let­zungs­frei blieb, avan­cierte er im Vor­feld der WM 2010 mit neun Sai­son­tref­fern und sechs Vor­lagen sogar vor­über­ge­hend zum Natio­nal­spieler. Die kurz­wei­lige Presse vergaß seine Eska­paden und lobte wieder die wert­volle Hun­t­ar­beit“ (Kicker) auf dem Fuß­ball­platz.

Ledig­lich dem Ver­let­zungs­pech war es danach geschuldet, dass der Stern von Aaron Hunt nicht end­gültig auf­gehen sollte. Schon 2007 hing seine Kar­riere nach Ope­ra­tionen an Leiste und Knie und einer sie­ben­mo­na­tigen Ver­let­zungs­pause am sei­denen Faden. Beschwerden und Ver­let­zungen an Knie, Scham­bein und Leiste blieben ihm auch danach treu. Kaum eine Saison spielte Hunt durch. Für die Fans wurde er auf­grund von unkon­stanten Leis­tungen und vieler Ver­let­zungen vom großen Ver­spre­chen zum ewigen Talent“.

Als Werder 2011 nach dem Abgang von Mesut Özil in Abstiegs­ge­fahr geriet, war Aaron Hunt für viele der Sün­den­bock. Seine von Natur aus zurück­hal­tende Kör­per­sprache deu­teten die Fans als Arro­ganz und Phlegma. Pfiffe der eigenen Fans und wütende Forums­dis­kus­sionen machen die Kör­per­sprache des Hal­beng­län­ders auf dem Platz nicht unbe­dingt sicherer. Hunt-Bas­hing im Sta­dion und Internet-Foren wurde zum Sport. Das junge Ver­spre­chen an den Fuß­ball war längst ein fauler Hunt“. Später ließ Hunt in einem Inter­view mit der Süd­deut­schen Zei­tung“ durch­bli­cken, dass er daran ordent­lich zu knapsen hatte: Über­hören kann man das nicht.“

Mit Herz und Hunt!“

Einige Fans hielten Hunt jedoch die Stange und ließen als Gegen­ge­wicht zu den Pfiffen im Abstiegs­kampf T‑Shirts mit dem Slogan Mit Herz und Hunt!“ und dem Kon­terfei des Linksfuß dru­cken. Sie schenkten dem Linksfuß ihr Ver­trauen: Hunt fing sich, die Pfiffe hörten auf und seitdem geht es bei dem inzwi­schen 26-Jäh­rigen bergauf.

Im viel­be­schwo­renen Umbruch von Werder Bremen nach sport­li­chen Miss­erfolgen und dem mehr­ma­ligen Ver­passen des inter­na­tio­nalen Geschäfts wurde Aaron Hunt als dienst­äl­tester Werder-Profi zur zen­tralen Figur. Top­ver­diener wie Tim Wiese und Claudio Pizarro ver­ließen den Verein, Bre­mens Mann­schaft ist inzwi­schen die jüngste der Bun­des­liga. Als Kapitän Cle­mens Fritz diese Saison ver­letzt fehlte, war Aaron Hunt mit 26 Jahren der älteste Spieler auf dem Platz und über­nahm in sechs Par­tien die Kapi­täns­binde. Aaron Hunts Rolle in Bremen hat sich ver­än­dert. Er ist kein Talent mehr, son­dern Kern­stück in Wer­ders neuen System, das nicht mehr auf die indi­vi­du­elle Klasse eines spiel­starken Zeh­ners setzt, son­dern kol­lek­tive Arbeit in den Vor­der­grund stellt.

Tor­ge­fahr und Füh­rungs­rolle

Die Zahlen spre­chen eine noch deut­li­chere Sprache: Mit sechs Tref­fern und drei Vor­lagen ist Aaron Hunt an knapp der Hälfte der Bremer Tore betei­ligt. Gegen Ham­burg, Mainz und Frei­burg erzielte jeweils er den Sieg­treffer. Der neue Aaron Hunt ist in dieser Saison tor­ge­fähr­li­cher Offen­siv­spieler und Füh­rungs­figur zugleich. Mit ihm steht und fällt die Ord­nung im Bremer Spiel.

Das Gesicht von Aaron Hunt erzählt Geschichten. Dabei ist er erst 26 Jahre alt. Er war Teil von Wer­ders erfolg­rei­chen Zeiten als Cham­pions-League-Abon­nent, er stand im Uefa-Cup-Finale 2009, sah Ball­künstler wie Johan Micoud, Diego und Mesut Özil kommen und auch wieder gehen. Nur er blieb als ein­ziger. Als wollte er sagen: Ich habe noch ein Ver­spre­chen ein­zu­lösen. Hunt drauf!“