Wir können uns nicht helfen: Bis auf den deutschen Halbfinal-Einzug hat diese EM bislang nicht viel zu bieten. Wenn wir ehrlich sind, ist sie sogar ziemlich langweilig. Fünf Gründe, die dafür sprechen.
1.
Die Spanier
2008 war die Spielweise (siehe auch: Tiki-Taka) der spanischen Nationalmannschaft noch eine Art Weltwunder, 2010 hatten wir uns bereits daran gewöhnt, fanden es aber immer noch recht spektakulär. Dem FC Barcelona, der eigentlich genauso spielt (siehe Xavi, Iniesta, Busquets etc.) kann man ewig dabei zusehen, aber das liegt vor allem an Lionel Messi, der regelmäßig dem ganzen Hin- und Hergepasse die Krone aufsetzt. 2012 spielt Spanien noch immer wie wie 2008, vielleicht sogar NOCH passsicherer. Die große Show ist das nicht mehr. Im Gegenteil: Man ertappt sich dabei, wie man von den Künsten Xavis und Iniestas eingelullt, ja, sogar müde wird. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Und die Spanier spielen wie gewöhnlich.
2.
Die Sensationen
Sind bislang ausgeblieben. Bei der Ukraine dachte man nach dem ersten Spiel (siehe: Schewtschenko) mal kurz, dass sie die Überraschung dieser Euro sein könnten, doch kurze Zeit später waren sie auch schon ausgeschieden. Griechenland überstand zwar irgendwie die Gruppenphase, bewies dann aber gegen Deutschland eindrucksvoll, dass es nicht zu den besten acht Mannschaften Europas zählt. Und sonst? Stehen die Favoriten Deutschland, Spanien und Portugal im Halbfinale, heute Abend kommt mit Italien oder England ein weiterer namhafter (und vorhersehbarer) Kandidat dazu. Aufregende Überraschungen bei dieser Europameisterschaft? Fehlanzeige.
3.
Die Spiele
Tja. Jetzt fassen wir ein ganz heißes Eisen an, aber zieht man all den schwarz-rot-goldenen Hype einmal ab, bleiben am Ende durch die Bank recht lahme Spiele. Spanien gegen Italien, das hatte etwas von großem Fußball, ansonsten verrichteten die Favoriten seriös, aber unspektakulär ihre Arbeit, eierten sich die Mannschaften recht uninspiriert durch das Turnier. Natürlich: Nach einer langen, langen Saison, sparen sich die Künstler aus Spanien, Deutschland oder Portugal ihre Kräfte gut ein, auf rauschhaften Fußball samt Viertelfinalaus hat schließlich auch niemand Lust. Aber dennoch: Wo blieb der aufopferungsvolle Kampf des Underdogs Griechenland? Warum warf Frankreich in den letzten 20 Minuten gegen Spanien nicht alles nach vorne? Warum wirken die meisten Mannschaften schon nach 60 Minuten so müde wie nach der Verlängerung? Ist der Ball diesmal schwerer? Der Rasen tiefer? Die Trikots enger?
4.
Die Fans
Schon klar, das ist nicht die Bundesliga, sondern eine Europameisterschaft. Da mischen sich Neckermänner mit Allesfahrern mit Faschingsclowns mit kamerageilen Ballermännern (und ‑frauen). Bei einer Weltmeisterschaft mag das noch seinen ganz eigenen Reiz haben (siehe Vielfalt), aber bei einer Europameisterschaft ist die Luft schnell raus. Allein die Tatsache, dass die Ordner Menschen in so genannten „Morphsuits“ (siehe würg) ins Stadion lassen, statt sie des Landes zu verweisen, sollte nachdenklich stimmen. Der Hang zur Kostümierung sorgt 2012 auch dafür, dass sich Fans in den Städten nicht mehr gesanglich zu überbieten versuchen, sondern vor allem durch die bekloppteste Frisur, oder die spektakulärste Verkleidung. Das, sagen wir mir zitternder Stimme und erhobenen Zeigefinger, hat mit Fußball nichts mehr zu tun!
5.
Die Organisatoren
Die Stadien sind prima, die Straßen sind sicher, die Menschen in Polen und der Ukraine nett. Aber die Personen, die dafür verantwortlich sind, was IM Stadion passiert (mal abgesehen vom Spiel selbst), sollte man schleunigst in Rente schicken. Gnadenlose musikalische Beschallung und gröhlende Animateure, die 20 Minuten vor dem Anpfiff zur ersten Laola-Welle auffordern, machen vielleicht die Ballermänner selig, ersticken aber jegliche Vorfreude auf Fußball oder einen möglichen Austausch mit Einheimischen und/oder gegnerischen Fans im Keim. Gerne würde man sich diese hässliche neue Welt schön saufen, aber das Bier ist natürlich alkoholfrei. Schockschwerenot! Fazit: Selbst auf der „Fanmeile“ geht es traditioneller zu.