Die Fans am Millerntor dachten, sie sähen ein ganz normales Bundesliga-Tor: Kölns Marco Reich bringt einen Freistoß scharf vor den Kasten, Verteidiger Marc Zellweger hält den Fuß hin, Tor. Es ist das 2:0 am 14. Spieltag der Saison 2001/2002 für den FC im Keller-Duell bei St. Pauli, am Ende siegt Köln 2:1. Die FC-Fans sollten aber noch lange an dieses Tor denken. Denn es dauerte 1033 Minuten, bis ihre Mannschaft wieder traf. Nie in der Bundesliga-Geschichte hat eine Mannschaft länger auf ein Tor gewartet.
Die torlose Zeit begann wenig alarmierend. Einem 0:2 gegen Dortmund am 15. Spieltag folgten drei 0:0 gegen Freiburg, Cottbus und den VfB Stuttgart. Der FC überwinterte auf Rang 15, reagierte entspannt auf die kleine Tor-Krise und holte mit dem Franzosen Lilian Laslandes einen neuen Stürmer. Es würde schon wieder werden.
Nach dem herben 0:3 bei 1860 München nach der Weihnachtspause kippte die Stimmung. Der FC hatte da einen neuen Torlos-Vereinsrekord (509 Minuten) aufgestellt, die Fans belagerten den Mannschaftsbus, beschimpften die Spieler. Wer weiß was geschehen wäre, hätten sie geahnt, dass die torlose Zeit da noch nicht mal zur Hälfte rum war.
Lienen muss gehen, die Tore kommen immer noch nicht
Trainer Ewald Lienen musste gehen. Für ihm kam Christoph John, der seine Mannschaft weder beim 0:1 gegen Kaiserslautern noch bei den 0:4‑Packungen in Gladbach und beim HSV zu einem Treffer animieren konnte. Das öffentliche Minutenzählen wurde immer lauter. Selbst der „kicker“ machte mit, erinnerte den FC nach der Klatsche in Hamburg, dass er „seit 779 Minuten ohne Tor“ sei.
Die Vereins-Spitze reagierte mit dem nächste Trainerwechsel. Friedhelm Funkel löste John ab. Der begann ohne Tor, aber immerhin mit einem Punkt gegen Werder Bremen – 0:0. Der „kicker“ addierte korrekt, dass „jetzt schon 869 Minuten ohne Bundesliga-Tor“ zusammen gekommen waren. Es folgte ein 0:2 in Nürnberg, Köln war jetzt epische 959 Minuten ohne Treffer.
Bis zum 2. März 2002 aber war der FC aber nicht Rekordhalter, weil der 1. FC Saarbrücken es 1992/1993 geschlagene 964 Minuten nicht geschafft hatte, das Runde ins Eckige zu bugsieren. In der 6. Minute beim Heimspiel gegen Hertha BSC war es dann soweit: Der FC überholte Saarbrücken, die Fans stimmten ein sarkastisches „Und wir haben den Rekord“ an. Als Stefan Beinlich dann in der 12. Minute das 1:0 für Hertha erzielte, gingen die ersten nach Hause.
Sie verpassten die Erlösung. Die 75. Minute im Spiel gegen Hertha. Timm legt auf für Libero Cichon, der schießt aus zehn Metern mit links drauf – drin. Ganz einfach. Nach 1033 langen Minuten. Von „Ballast“, der auf dem Team gelastet habe, spricht Cichon nach dem Spiel. Es war endlich vorbei. Natürlich endete die Rekord-Saison für den FC mit dem Abstieg in die 2. Liga. Nicht zuletzt deshalb, weil die Kölner am Ende der Saison die mit Abstand wenigsten Tore geschossen hatten.
Peter der Große erleichtert
Einer aber konnte dem Kölner Rekord Positives abgewinnen. Peter Neururer, für Saarbrückens Tor-Flaute verantwortlicher Trainer, grüßte den neuen Rekordhalter nach dem Hertha-Spiel im Fernsehen: „Ich freue mich, dass ihr diesen eigenartigen Rekord gebrochen habt. Er hat doch schwer auf mir gelastet.“
Die Freude darüber, Neururer eine Sorge abgenommen zu haben, hielt sich in Köln in überschaubaren Grenzen.