War Momodou Jawara an einem unglücklichen Sportunfall beteiligt oder ist er ein brutaler Wiederholungstäter? Wie der Beinbruch eines Amateurfußballers zum Politikum wurde.
Momodou Jawara, genannt Momo, sitzt nervös in der Mannschaftskabine. Seit Wochen kann der große Mann mit dem fusseligen Backenbart nicht mehr das tun, was ihm wie nichts anderes nach seiner Ankunft in Deutschland geholfen hat: Fußballspielen. Bei einem Turnier in Grana könnte er sein Comeback feiern. Falls der Gegner antritt. „Ich bin kein schlechter Mensch“, sagt Jawara.
Wenn der Wind falsch steht, weht von der Zuckerfabrik ein übler Mief über die Anlage des SV Blau-Weiß Grana. Auf der einen Seite des blass gekreideten Spielfelds erstrecken sich weite Felder, auf der anderen ragen die Fabrikschornsteine in die Höhe. Auf diesem Platz, der für ihn die Welt bedeutet, durfte Jawara zuletzt drei Spiele lang nicht auflaufen. Tatenlos zugesehen hat er aber nicht.
„Da sind einige dabei, die echt gut kicken können“
Von der Seitenlinie aus hat er seine Mitspieler dirigiert, manchmal lauter als der Trainer. Die Kollegen dankten es ihm, in dem sie nach jedem Tor jubelnd zu ihm gelaufen kamen. Und statt „Sport frei!“ hieß es bei den Blau-Weißen vor jedem Spiel „Für Momo!“ Aber was ist eigentlich passiert, dass ein kickender Geflüchteter im Burgenland, Sachsen-Anhalt, nur noch zuschauen darf?
Blau-Weiß Grana schreibt seit einigen Jahren an einer Erfolgsgeschichte. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass das Aus der Mannschaft absehbar war. Zu wenige Spieler kamen nach, der Burgenlandkreis leidet wie kaum eine andere Gegend unter einem massiven Bevölkerungsrückgang. 2015 wurde in der Nähe ein Flüchtlingsheim eröffnet. Einige der Männer von dort seien einfach mal zum Bolzen vorbeigekommen, erzählen der Vereinsvorsitzende Björn Koch und Mannschaftskapitän Johannes Heger. „Dann haben wir gemerkt, da sind einige dabei, die echt gut kicken können.“
„Die haben geguckt! Ausländer auf einer Männertagstour“
Während sich andere Mannschaften in der Region zu Spielgemeinschaften zusammenschließen müssen, weil sie ihre Teams nicht mehr voll bekommen, wächst in Grana bald etwas zusammen. 14 verschiedene Nationalitäten, zwei Herrenmannschaften und eine intakte Jugendabteilung. Der Fußball steht im Mittelpunkt, Integration passiert beiläufig. Etwa, wenn ein ausländischer Spieler bei der Vereinsfeier seine Liebe für den pappsüßen Nordhausener Pfefferminzlikör entdeckt (eine Liaison, die bis heute hält). Oder wenn die Spieler mit dem Bollerwagen gemeinsam durch den Ort ziehen („Die haben geguckt! Ausländer auf einer Männertagstour, so was haben die Leute hier noch nicht gesehen!“). Oder wenn beim Klubfest längst Hühnchen und Limo neben Schwein und Bier gereicht wird. Darüber hinaus organisieren die Vereinsmitglieder Sprachkurse und Arbeitsplätze für ihre Spieler.
Das alles scheint nun in Gefahr. Durch einen unglücklichen Pressschlag, so erzählen es die einen. Durch das brutale Foul eines Wiederholungstäters, so sagen die anderen.