Jon Moss zählt zu den besten Schiedsrichtern der Premier League. Wer dem Mann trotzdem die Meinung geigen will, kann ihn einfach besuchen: in seinem Plattenladen mitten in Leeds.
Jon Moss hat darüber nachgedacht, ob es gut ist, seinen Beruf und sein Hobby zu vermischen. Ob es nicht besser wäre, das Leben als Profischiedsrichter in der Premier League von seiner Leidenschaft für Musik zu trennen. Er war sich unsicher, wie die Leute reagieren würden. Wie vielleicht auch das Fußball-Establishment reagieren würde, wenn er offensiv damit umgeht, dass er ein Nerd ist. Doch er ist zu dem Schluss gekommen, dass sich die beiden Seiten seiner Persönlichkeit nicht trennen lassen. Er ist nun mal ein Schiedsrichter, der Gitarre spielt und, wie er selbst sagt, ziemlich schlecht singt. Der auf Konzerte geht und stundenlang in Plattenläden stöbert. So what?
Also hat Moss alles auf eine Karte gesetzt, als er einen Namen für seinen eigenen Plattenladen suchte, den er neuerdings in Leeds betreibt, mitten im Studentenviertel Headingley. Er hat ihm den schönen Namen „The Vinyl Whistle“ gegeben. Ein Wortspiel mit „Final Whistle“, dem englischen Ausdruck für Schlusspfiff. „Die meisten Leute verstehen das sofort“, sagt er, „bei einigen dauert es ein bisschen. Sie sehen den Namen, sie sehen mich, dann geht die Lampe an. Wie bei einem Witz.“
Die Idee für den Namen kam einem Kollegen, als die Schiedsrichter der Premier League nach einer anstrengenden Einheit im Trainingszentrum St. George’s Park beim Kaffee zusammensaßen. Moss berichtet von vielen guten Vorschlägen und manchen schlechten. Es wurde angeregt debattiert. Das zeigt, dass die Branche kein Problem damit hat, wenn ein Schiedsrichter mit seinem branchenfernen Hobby in die Öffentlichkeit tritt.
Kaffee, veganer Kuchen, Bilder von Oasis
Im Gegenteil, die Engländer lieben es, wenn die Referees ihre menschliche Seite offenbaren. Im Frühjahr 2019 sorgte der für seine Theatralik bekannte Mike Dean für große Heiterkeit, weil er einen Erfolg seines Lieblingsklubs Tranmere Rovers in den Playoffs um den Drittligaaufstieg so leidenschaftlich auf der Tribüne bejubelte, als wäre er einem Hooligan-Film entstiegen. Auch die Premier League scheint erkannt zu haben, dass es nicht schaden kann, wenn die Schiris ein bisschen nahbarer wirken, und arrangierte das Treffen mit Moss in seinem Plattenladen verdächtig unkompliziert.
Die Sonne scheint durch die Fensterfront, es riecht nach frischem Kaffee, den er von einem lokalen Händler bezieht. Ebenso wie den veganen Kuchen, der auf dem Tresen angerichtet ist. Die weißen Wände hat Moss mit gerahmten Bildern von Oasis, den Gorillaz oder dem verstorbenen Prodigy-Sänger Keith Flint dekoriert, dazu gibt es Textzeilen von Joy Division, The Smiths und dem schottischen Newcomer Gerry Cinnamon. Auch eine Erinnerung an den größten Tag seiner Schiedsrichterlaufbahn hängt an der Wand: ein Rahmen mit seinem Trikot, seiner Medaille und dem Stadionheft vom FA-Cup-Finale 2015 zwischen Arsenal und Aston Villa.