Heute vor einem Jahr verstarb Hans Tilkowski. Ein großer Torhüter und ein Zeuge des Fußballs im Ruhrgebiet der alten Zeit. Erinnerungen an eine letzte Begegnung mit ihm.
Dieser Text erschien erstmals im Januar 2020 zum Tod von Hans Tilkowski.
Fünf Jahre ist her, dass wir uns zum letzten Mal sahen, in einem Café gegenüber des Stadions am Schloss Strünkede in Herne, wo seine Karriere ihren ersten großen Aufschwung genommen hatte. 79 Jahre alt war Hans Tilkowski damals und sah immer noch unverschämt gut aus. Hätte seine Karriere nicht schon in den späten fünfziger und sechziger Jahren stattgefunden, wäre er ein umschwärmter Star geworden. Vielleicht aber auch nicht, denn Tilkowski war kein Mann, der es darauf anlegte, beliebt zu sein. Er war immer direkt, manchmal hart, er verbarg seine Herzlichkeit mitunter dahinter.
„Der Ball war nicht drin“
Wir wollten nicht über das WM-Finale 1966 reden, dazu hatte er schließlich schon alles gesagt, und zwar immer das Gleiche: „Der Ball war nicht drin.“ Etliche Male hatte er Geoff Hurst getroffen, den Schützen des Tores, das keines war und England im Finale von Wembley den Weg zum Titel ebnete. Wahrscheinlich konnten sie beide die Geschichte längst nicht mehr hören, aber sie waren darüber zu Freunden geworden, und meistens kam auch etwas Geld für wohltätige Zwecke zusammen.
Bei unserem Treffen wollten wir über den Fußball im Ruhrgebiet reden, dessen Kind Tilkowski war, geboren 1935 in Dortmund als Sohn eines Bergmanns. Mit 20 Jahren war er von der kleinen SuS Kaiserau zu Westfalia Herne gewechselt, obwohl der Klub eigentlich schon mit Schalke 04 einig war. Aber Tilkowski hatte eben seinen eigenen Kopf, und wurde Torwart der Herner Mannschaft, die zweimal in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft spielte.
90 Minuten Krieg
Fußball war damals noch kein richtiger Profisport, Tilkowski arbeitete nebenbei, und das Ruhrgebiet war noch das Land der tausend Derbys. „Bei meinem ersten Spiel mit Westfalia gegen unseren Ortsrivalen SV Sodingen gab es zwei Knochenbrüche. Was ich erst überhaupt nicht verstehen konnte, war der Hass einzelner Spieler aufeinander. Die haben erst im Café Funke zusammengesessen, und dann ist es hart zur Sache gegangen.“ Aber diese Härte gegen die Gegner und gegen sich selbst gehörte zum Selbstverständnis der Spieler jener Zeit. „Über Bochums gefürchtete Innenverteidigung hat man immer gesagt: Die holen den Blinddarm mit den Fingern raus. Mein Schwager und Mannschaftskamerad Kurt Sopart gegen deren Erwin Schneider: Das war 90 Minuten Krieg. Und anschließend haben sie an der Theke zusammen Bier getrunken, bis sie umgefallen sind. Das war die Mentalität des Reviers.“