Er hat fast alles gehalten und fast alles gewonnen, was es zu halten und zu gewinnen gab. Seinen größten Triumph aber hat Oliver Kahn außerhalb des Platzes errungen. Eine Würdigung zu einem halben Jahrhundert „Titan“.
Als das ZDF 2008 bekannt gab, dass Oliver Kahn Jürgen Klopp als TV-Experte beerben würde, gab es zweierlei Reaktionen. Auf der einen Seite die Leute, die ihn aufgrund seiner Karriere verehrten. Die, die noch dabei waren, zu verarbeiten, dass der „Titan“ nun nicht mehr das Tor des FC Bayern beschützen würde. Die, die in Kung-Fu-Sprüngen, Biss-Attacken und Interview-Ausbrüchen mehr sahen als einen völlig Irren.
Auf der anderen Seite die Menschen, die Kahns Karriereende seit Jahren herbeisehnten. Die ihm das Gehalt bezahlt hätten, wenn er denn nur einfach ginge. Die, die ihn mit Bananen bewarfen und selbst den Golfballwurf nicht ausschließlich schlecht fanden. Oliver Kahn polarisierte wie wenig andere deutscher Fußballer.
Auf Usedom mit Katrin
Und dann kommt das ZDF. Macht all diesen Leuten einen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet den allseits beliebten EM-Talk von 2008 mit Jürgen Klopp, diesem immer gut gelaunten, etwas chaotisch aussehenden und doch sympathischen Trainer von Mainz 05, soll Oliver Kahn beerben. Riesen-Idee. Man brauchte schon eine gewaltige Fantasie, um sich etwas anderes vorzustellen als das dieser wortkarge Torwart die immer gleichen Sätze zum Thema „Druck“ und „Eier“ fallen lassen würde.
Doch er machte einen hervorragenden Job. Auf Usedom neben Katrin Müller-Hohenstein bei der EM 2012, bei den Weltmeisterschaften in Südafrika oder Brasilien. Selbst neben Oliver Welke sah man ihm lediglich aufgrund der Sakko-Auswahl sein zunehmendes Alter an. Kahn wirkt locker, sympathisch, er verträgt sogar Witze auf seine Kosten. Er schaffte den Wandel vom bissigen Vollblutprofi hin zum analytischen Fußballexperten und Geschäftsmann.
Und was für ein Wandel das war! Stammte doch die beliebteste Anekdote, um Oliver Kahn zu beschreiben, stets aus seinen Zeiten beim Karlsruher SC: Als junger Spieler stand er bei einem Vereinsfest im Tor. Für jedes Tor gegen ihn gab es eine Spende. Kahn hielt fast jeden Ball, die Spardose blieb leer. Erst später kam heraus, dass sich der Torwart dessen gar nicht bewusst war. Trotzdem wird und wurde die Geschichte bereits hunderte Male herangezogen, als Narrativ für den Ursprung seiner große Karriere und seines Charakters.