Als Ajax Amsterdam um das Weiterkommen ins Champions-League-Finale kämpft, streikt bei unserem Autor die Technik. Ein Protokoll der Verzweiflung.
Um 20.55 Uhr nahm ich den Gummihenkel meines Reisekoffers in die Hand und die Welt war noch in Ordnung. Gleich sollte Ajax Amsterdam gegen Tottenham Hotspur spielen. Ein ungleiches Duell. Weil Ajax aus einer Mannschaft voller supersympathischer Toptalente besteht, die Real Madrid und Cristiano Ronaldo nacheinander aus der Champions League warfen. Weil Ajax’ Mannschaft in wenigen Wochen zerbrechen wird, am eigenen Erfolg und dem Geld der größeren Klubs. Tottenham hingegen, nun ja, ehrlich gesagt, ist das ein Verein, der im Vergleich schnurzpiepegal erscheint.
Allein: Das Rückspiel des Champions-League-Halbfinals würde ich nicht sehen können. Mein Zug sollte um 21.45 Uhr, also zur Halbzeit, den Bahnhof Hamburg verlassen. Ein kapitaler Planungsfehler meinerseits? Sicher. Aber nur bedingt. Es war, wenn man das so sagen kann, eine Dienstreise. Ich musste zurück nach Berlin. Und seine Feinde sucht man sich bekanntlich nicht aus.
Das Problem: Milchkannen
Und so landete mein Leben in der Vorsteinzeit. Oder zumindest in eine Zeit, als Livestreams noch nicht auf einem Smartphone abgespielt werden konnten, und man sich stattdessen die Informationen mühsam über einen schriftlichen Ticker einholen musste. Immer wieder durch den Wörterwust kniffelnd, immer wieder aktualisierend.
Ja, eigentlich schien die Sache, als ich den Zug nach Berlin bestieg, längst entschieden. Matthijs de Ligt hatte zum 1:0 für Amsterdam geköpft, Hakim Ziyech vor der Pause auf 2:0 gestellt. Tottenham fehlten drei Tore. Und so betrat ich entspannt den cremeweißen Waggon des Intercity-Expresses.
Es ist dieser Tage nicht einfach mit der Technik. Während ich kürzlich im schweizerischen Zürich – andere Reise und andere Spiele, die ich verpasste – ein Plakat sah, dass den Ausbau des 5G-Netzes bis Jahresende versprach, sagt unsere Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig.“ Ich weiß nicht, wie viele Milchkannen genau zwischen Büchen und Ludwigslust stehen. Es müssen einige sein.
Lol
Ich hatte nur soviel Internet, dass es genügte, um die Nachrichten von Freunden zu lesen. Zitat: „Alter. Onana hatte den doch schon.“ Ich bekam Angst. Und alles, was ich von diesem Spiel sah, war ein dunkelblauer Samtsessel der Deutschen Bahn und ein davor installiertes Esstablett.
Freund 1: „Abseits. Lol Llorente massiv knapp.“ Ich (meine Situation schildernd): „Leute, bitte ein kleines bisschen genauer.“ Freund 2: „Es steht 2 – 2.“