Am Samstagabend wird Leon Goretzka mit Schalke 04 auf den FC Bayern treffen, zu denen er im Sommer wechseln wird. Im Juni unterhielten wir uns mit ihm über die Kommerzialisierung des Fußballs, seinen Status auf Schalke und das Leben als Fußballfan.
*Das Interview erschien erstmals in der Ausgabe #187 im Juni 2017.
Leon Goretzka, als wir uns vor knapp zwei Jahren schon einmal unterhielten, sprachen wir auch über ein Online-Managerspiel, an dem Sie teilnahmen. Auf Ihrer Position hatten Sie damals Wolfsburgs Luiz Gustavo verpflichtet. Haben Sie sich mittlerweile selbst gekauft?
Das wollte ich, ich wurde aber leider überboten.
Da dürfte Ihnen eine ordentliche Wertsteigerung entgangen sein. Bei Schalke läuft es zwar eher durchschnittlich, Sie persönlich haben aber einen Schritt gemacht.
Stimmt, die Saison verläuft sehr inkonstant. Wir zeigen immer wieder, dass wir zu viel in der Lage sind, aber können das nicht dauerhaft abrufen. Dass es bei mir persönlich besser läuft als in den Jahren zuvor, liegt daran, dass ich mich fit fühle. Auch weil ich gewisse Dinge geändert und dadurch weniger gesundheitliche Probleme habe.
Was haben Sie geändert?
Ich habe meine Ernährung komplett umgestellt. Vor der Saison war ich bei einem Spezialisten, der mir eine chronische Darmentzündung diagnostizierte. Es heißt ja, der Darm sei das zweite Gehirn. Er bestimmt, welche Stoffe in deinen Körper kommen und welche nicht. Die Entzündung hat sich negativ auf meine Regenerationsfähigkeit ausgewirkt. Ausgelöst wurde sie durch verschiedene Nahrungsmittel. Gluten, Kuhmilch, Schweinefleisch, Nüsse. Seitdem ich die weglasse, erhole ich mich nach einem Spiel viel schneller.
Und das macht einen so großen Unterschied?
Natürlich. Wenn man nicht ständig darauf achten muss, gesund zu werden, kann man daran arbeiten, besser zu werden. Bist du angeschlagen, arbeitest du nur darauf hin, dein altes Level zu erreichen. Bist du fit, kannst du daran arbeiten, das nächste Level zu erreichen.
Woran haben Sie gezielt gearbeitet?
Zum Beispiel an der Torgefahr. Ich habe letztes Jahr nur zwei Pflichtspieltore geschossen. Das war deutlich zu mickrig. Aber ich will mich in vielen Bereichen verbessern. In Sachen Kraft, Ausdauer, Technik. Auch im sozialen Bereich.
Im sozialen Bereich?
Klar, eine Mannschaft ist ein soziales Gefüge, in der du eine Position einnimmst. Seit dieser Saison bin ich im Mannschaftsrat, da habe ich eine Verantwortung. Also versuche ich, für die jungen Spieler da zu sein, ihnen bei der Integration zu helfen und ihnen mit Ratschlägen zur Seite zu stehen.
Sie sind selbst erst 22 Jahre alt. Was sagen Sie einem 19-jährigen Mitspieler, wenn er um Rat fragt?
Beim VfL Bochum war ich schnell Stammspieler, aber aus meiner Anfangszeit auf Schalke weiß ich, was es bedeutet, erst einmal eine Weile draußen zu sitzen. Man wird nervös und unzufrieden und sieht sich mitunter weiter, als man vielleicht ist. Nehmen Sie Thilo Kehrer oder Donis Avdijaj. Beide haben schon länger mit den Hufen gescharrt und auf ihre Einsätze gewartet. Wenn das lange dauert, kann das frustrierend werden.
Und was war Ihr Ratschlag? Geduldig sein und die Füße stillhalten?
Ganz und gar nicht. Manchmal ist es auch der richtige Weg, im Training mal einem der gestandenen Spieler auf die Füße zu steigen und so auf sich aufmerksam zu machen. Danach kriegt man zwar einen drauf, aber so kannst du zeigen, dass du mit der Situation unzufrieden bist. Da reagiert der Trainer eher drauf, als wenn du im Training unsichtbar bist und danach eine Fresse ziehst, weil du frustriert bist. Das sind Erfahrungen, die ich damals gemacht habe und die ich als Führungsspieler weitergebe.
Was macht denn einen guten Führungsspieler aus?
Zuallererst muss die Leistung stimmen. Auf dem Platz musst du unantastbar sein. Dann braucht es eine ausgeprägte Sozialkompetenz, weil man oft Konflikte lösen muss, und zwar so, dass im besten Fall alle zufrieden sind. Und natürlich muss man dazwischenhauen können.