Im Winter traf Leverkusens Angreifer Chicharito monatelang kein Scheunentor. Dabei fließt Torjägerblut in seinen Venen. Im Interview spricht er über seine Fußballfamile, die Negativserie und Wutausbrüche von Alex Ferguson.
Javier Hernandez, Chicha, Chicharito. Wie sollen wir Sie eigentlich anreden?
Chícharo könnten Sie noch sagen. Oder Chicharrón. Stimmt schon, ich habe einige Spitznamen, jedenfalls innerhalb meiner Familie. Chicharito ist der, der sich in der Öffentlichkeit durchgesetzt hat. Wenn ich zu Hause mal Javier gerufen wurde, wusste ich, es gibt Ärger.
Gab’s oft Ärger?
Soweit ich mich erinnern kann nicht.
Sie kommen aus einer Fußballer-Familie. Wo stand Ihre Wiege? Auf Höhe der Mittellinie?
Fußball war von Beginn an Teil meines Lebens. Die Gesänge der Fans, den Torjubel der Spieler, die Anweisungen der Trainer – all das hab ich schon im Bauch meiner Mutter zu hören bekommen. Sie war ja ständig im Stadion. Mein Leben drehte sich schon um Fußball, bevor ich geboren war.
Ihr Opa Tomás Balcazar stürmte für Mexiko bei der WM 1954, Ihr Vater Javier Hernandez war in den Achtzigern Angreifer der Nationalmannschaft und nahm an der WM 86 teil. Liegt Ihnen das Toreschießen also wirklich im Blut?
Wenn man meinen Stammbaum verfolgt, sieht’s tatsächlich so aus. Aber wissen Sie was? Als ich angefangen habe, stellte mich unser Trainer im defensiven Mittelfeld auf. Erst nach und nach bin ich immer weiter nach vorn gerückt.
Im defensiven Mittelfeld? Opa und Vater müssen entsetzt gewesen sein.
Ach, als Kind ist dir doch egal, wo du spielst. Hauptsache, du bist dabei. Mir hat jede Position, auf der ich eingesetzt wurde, auch immer Spaß gemacht.
In Leverkusen war der Spaß in den vergangenen Monaten vermutlich nicht so groß. Bis zum Spiel am vergangenen Sonnabend sind Sie mehr als 1000 Minuten ohne Torerfolg geblieben. Hatten Sie schon mal eine so lange Negativphase?
Jeder Stürmer erlebt solche Phasen in seiner Karriere. Ich versuche, das nicht an mich ran zu lassen, nichts zu lesen, nicht großartig darüber zu sprechen. Auf dem Feld musst du mit Instinkt spielen, gerade als Stürmer. Wer zu viel nachdenkt, kann keine Tore schießen.
Sportdirektor Rudi Völler hatte Sie in der Winterpause ungewohnt deutlich kritisiert.
Das ist sein gutes Recht, also alles in Ordnung. Wir haben als Mannschaft gerade in der Liga nicht gut gespielt und müssen uns alle steigern. Das gilt auch für mich.
Völler war selbst ein erfolgreicher Stürmer. Er hätte Ihnen auch Tipps geben können als Sie nicht getroffen haben. Haben sie in dieser Zeit mit ihm geredet?
Nein, und das ist auch ok. Er muss sich um viele andere Dinge kümmern und ich denke, ich bin mental auch stark genug, um solche Krisen allein zu meistern. Ich habe während meiner Karriere schon viele Probleme bewältigt.