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Das Wetter ist beschissen. Aber soll daran etwa auch der BFC schuld sein? Fast möchte man meinen, dass diese bul­ligen Jungs mit den harten Gesichts­zügen auch in der Lage wären, den abend­li­chen Himmel über dem Ber­liner Jahn­sport­park mit fins­teren Wolken zuzu­ziehen. Dann die Erkenntnis des Neben­mannes: Scheiß Wetter, ist ja wie in Ham­burg.“ Immerhin: Mit dem Nie­sel­regen hat der BFC Dynamo an diesem Tag nichts zu tun.



Frei­tag­abend in Berlin. Der BFC Dynamo emp­fängt Union Berlin. Ein echtes Stadt­derby mit langer Tra­di­tion. Zu DDR-Zeiten trennten beide Ver­eine tiefe Gräben. Weil der BFC auf seiner Ehren­tri­büne Stasi-Chef Erich Mielke sitzen hatte und des­halb nicht zu Unrecht als Klub der Staats­si­cher­heit und Polizei ver­schrien war und weil die Ber­liner im letzten Jahr­zehnt der DDR ein­fach jede Meis­ter­schaft gewannen, hatten der Klub und seine Fans bald keine Freunde mehr. Schon gar nicht im Ber­liner Stadt­teil Köpe­nick, wo seit jeher Union Berlin regiert. Regel­mäßig bekamen die Unioner auf dem Platz den Hin­tern ver­sohlt und um diese Ungleich­heit aus­zu­glei­chen, ver­kloppten Union-Fans BFC-Anhänger. Die haben uns schon bei den FDJ-Ver­an­stal­tungen ver­hauen. Irgend­wann haben wir zurück­ge­schlagen“, erin­nert sich am späten Frei­tag­abend einer, der schon in den sieb­ziger Jahren Teil der Ost-Ber­liner Fuß­ball-Riva­lität war. Kein Wunder, dass sich am gegen­sei­tigen Hass beider Lager bis heute nicht viel geän­dert hat.

Stadt­derby mit Schwach­köpfen“ – Frank Will­mann über das Derby »

BFC gegen Union, das hört sich noch immer an wie großer Fuß­ball. Ist es aber nicht mehr. Der BFC, einst fester Bestand­teil im Klas­sen­kampf von Europas Spit­zen­ver­einen, spielt inzwi­schen in der Ober­liga Nordost, fünfte Liga. Hinter dem Gegner aus Köpe­nick steht eine II. Die erste Mann­schaft von Union spielt zwar zeit­gleich nur 15 Kilo­meter ent­fernt gegen den VfL Osna­brück, sport­lich trennen die alten Feinde aller­dings Welten. Union Berlin spielt in der zweiten Bun­des­liga und das Ber­liner-Derby findet längst nicht mehr im Jahn­sport­park statt, das Ber­liner Derby ist jetzt Hertha gegen Union. 74.000 Zuschauer, aus­ver­kauftes Olym­pia­sta­dion. Eigent­lich hätte man sich beim BFC schon längst neue Feinde suchen müssen.

BFC-Fans schmieren sich kleine Kinder auf die Stulle

Weil aber nun mal trotzdem Derby ist und allein die Erin­ne­rung an die gol­denen Zeiten vor mehr als 20 Jahren der geschun­denen Fan­seele gut tut, sind fast 2800 Men­schen gekommen, um sich in Prenz­lauer Berg selbst zu feiern. Viele, die hier Brat­wurst und Bier durch Gegend balan­cieren, würden rein optisch in den meisten Bun­des­li­ga­sta­dien für Angst und Schre­cken unter den Lang­nese-Fami­li­en­block-Besu­chern sorgen. Der BFC Dynamo hat spä­tes­tens seit den regel­mäßig wüsten Aus­schrei­tungen in der Jahren der Wie­der­ver­ei­ni­gung einen mise­ra­blen Ruf in der Öffent­lich­keit. Nazi-Schläger, alle mit­ein­ander. Bös­ar­tige Hoo­li­gans, die sich in ihrer Frei­zeit kleine Kinder aufs Bröt­chen schmieren, sowieso. Vor Jahren warf das SZ-Magazin der Süd­deut­schen Zei­tung mal ein The­men­heft mit dem Titel Mut­probe“ auf den Markt. Ein Redak­teur traute“ sich tat­säch­lich zu einem Heim­spiel des BFC in dessen eigent­liche Heimat Sport­forum Hohen­schön­hausen. Nach der Lek­türe seiner Beob­ach­tungen musste man davon aus­gehen, dass Dynamos Anhänger voll­ständig aus wilden Berg­go­rillas und mies gelaunten Wirts­haus­schlä­gern bestünden.

Und das hier sind die Gesichter, die zu diesem Ruf passen: Täto­wierte Schränke, lang­haa­rige Bud-Spencer-Typen, kahl rasierte Zehn­kämpfer mit Camou­flage-Jacken. Lässt man den Blick durch die Zuschau­er­reihen schweifen, dann erscheint die Idee, man sei auf einer Weih­nachts­feier von Ber­lins Tür­ste­her­szene gelandet, gar nicht so abwegig. Ehr­lich gesagt, auf einer Hoch­zeit würde man sich eine andere Gesell­schaft wün­schen. Aber das hier ist Fuß­ball, Stadt­derby in der fünften Liga noch dazu, und dazu passt dieses Tri­bü­nen­volk so gut wie leckeres Bier in Plas­tik­be­chern. Viel­leicht hat der SZ-Redak­teur auch ein­fach einen schlechten Tag erwischt. Der Frei­tag­abend im Jahn­sport­park ver­läuft jeden­falls so fried­lich wie ein Som­mer­fest der Süd­deut­schen Zei­tung.

No one likes us, we don´t care“ – das Motto der BFC-Fans

Was nicht heißen soll, dass sich inzwi­schen nur noch lamm­fromme Sta­di­onmönche zu den Spielen vom BFC bewegen. Der Klub hat das Image des guten alten No one likes us, we don´t care“ längst in die wein­roten Ver­eins­farben inte­griert. Hier treffen sich erwach­sene Männer, die früher die wilden Jungs der Haupt­stadt waren, und ganz sicher findet man auf den Tri­bünen vom BFC mehr Men­schen mit rechten Über­zeu­gungen als bei Rot-Weiss Ober­hausen. Das muss man nicht toll finden. Man muss es dem Verein aller­dings auch nicht jede Woche unter die Nase reiben.

Das Spiel endet 0:1. In Köpe­nick ist der­weil die zweite Bun­des­liga um ein wildes 3:3 rei­cher. Kurz nach dem Abpfiff im Jahn­sport­park hört der Nie­sel­regen auf. Auf dem Grill brennen die letzten Würst­chen an. Die zehn Union-Fans auf der anderen Seite des Sta­dions sind bereits auf dem Heimweg. Wie sollen die nur heile nach Hause kommen?“, fragt einer und lacht. Ein letzter grober Witz, dann endet der Abend in der nahen EMPOR-Sportsbar“. Auf dem Weg zur Bahn kommen mir fünf BFC-Fans ent­gegen. Kiek mal, ein Unioner!“ Nie­mand reagiert. Ich komme gerne wieder.