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Jule Ludorf, Sie gelten als eine der großen Legenden des Ruhr­ge­biets. Sind Sie dem Fuß­ball dankbar, obwohl man damals noch keine Mil­lionen ver­dienen konnte?
Natür­lich! Ich wurde in einem ein­fa­chen Berg­ar­bei­ter­haus nahe der Zechen­mauer geboren und war der Älteste von sieben Geschwis­tern. Es war keine schöne Kind­heit. Meine Mutter starb 1934 an Tuber­ku­lose, mein Vater war Berg­mann auf der Zeche Ewald Fort­set­zung hier in Erken­sch­wick. Oft war er aber arbeitslos. Er war ein Säufer und brutal. Ich hab dich nicht in die Welt gesetzt, um Fuß­ball zu spielen, son­dern um die Familie zu ver­sorgen“, hat er mir gepre­digt und mir den Arsch voll­ge­hauen. Als ich zwanzig Jahre alt war, wollte er mich noch einmal ver­prü­geln. Da habe ich zu ihm gesagt: Papa, pass bloß auf! Du hast mir so oft den Arsch voll­ge­hauen, damit ist jetzt Schluss!“ Trotzdem hat er mir eine run­ter­ge­hauen. Ich habe nicht zurück­ge­schlagen, aber ich habe das Haus ver­lassen und bin nicht mehr zurück­ge­kehrt. Später, als ich schon ein bekannter Fuß­baller war, kam der Alte an und wollte 200 Mark von mir geliehen haben. Ich streckte ihm die Scheine hin und sagte nur: Nimm das Geld und geh bloß weg.“

Ihr fuß­bal­le­ri­sches Talent ver­schaffte Ihnen Auf­stiegs­chancen.
Ich war aber auch in der Volks­schule fleißig und hatte gute Zeug­nisse. Auf dem Pütt bekam ich eine Lehr­stelle als Schlosser. Das war etwas Bes­seres, denn ich musste nicht in die Grube. Später hat mich die Zeche zur Sport­hoch­schule nach Köln geschickt. So saß ich zusammen mit Hennes Weis­weiler und Willi Jürissen beim Bun­des­trainer Sepp Her­berger auf der Bank. Ich hatte Bammel vor den Anfor­de­rungen. Zum Glück habe ich mich mit den Her­ber­gers ange­freundet. Frau Her­berger habe ich sogar das Fahr­rad­fahren bei­gebracht. Einen Tag vor der Prü­fung habe ich sie gefragt: Ob ich die Prü­fung wohl schaffen werde?“ Sie zwin­kerte mit den Augen und ant­wor­tete nur: Jule, Sie werden das schaffen!“ Und ich habe es geschafft. Die anderen nannten mich nur noch den Rad­fahrer“! (Lacht.)

Warum reichte es nicht zu einem Län­der­spiel unter Her­berger?
Ich habe ihn in Köln gefragt, warum er mich nicht mehr nomi­niert hat. Er sagte nur: Jule, wie alt waren Sie?“ Das sagte alles. 1950, als die Natio­nal­mann­schaft wie­der­ge­gründet wurde, war ich schon 31 Jahre alt.

Können Sie sich noch an den 14. Sep­tember 1947 erin­nern?
Nicht mehr an das Datum, aber ver­mut­lich war es der erste Spieltag der Ober­liga West. Wir mussten mit der SpVgg Erken­sch­wick bei Ale­mannia Aachen spielen. Wir fuhren am Tag vorher mit der Stra­ßen­bahn nach Reck­ling­hausen und von dort mit dem Zug weiter. Wir über­nach­teten in einem Luft­schutz­bunker in der Nähe des Aachener Haupt­bahn­hofs und gingen am nächsten Tag zu Fuß durch die zer­bombte Stadt zum Tivoli, dem Sta­dion der Ale­mannia. Wir wussten über­haupt nicht, was uns erwarten würde. Wir gewannen mit 5:0 und waren der erste Tabel­len­führer der Ober­liga West. Als wir mit dem Zug zurück­fuhren, kam ein Poli­zist zu uns und sagte: Seid ihr die Erken­sch­wi­cker? Ich habe euch in Aachen spielen sehen. Jun­gens, euch gehört der Himmel!“ Und so haben wir uns auf dem Weg zurück nach Erken­sch­wick dann auch gefühlt.

Was hat die Mann­schaft aus dem kleinen Ort im Vest Reck­ling­hausen so stark gemacht?
Wir waren alle auffem Pütt ver­ei­nigt. Keiner hat aus­wärts gespielt oder aus­wärts gear­beitet – nur Zeche Ewald Fort­set­zung. Einer in der Schlos­serei t, einer beim Bau, ein anderer in der Ver­wal­tung. Sieben Mann von uns waren in der Grube und kamen da noch schwarz raus. Wenn es zum Trai­ning ging, hat der Steiger schon mal ein Auge zuge­drückt. Was wir im Bergbau gelernt hatten, wollten wir als Mann­schaft auf dem Rasen umsetzen: die Zuver­läs­sig­keit, die Kame­rad­schaft, eben jeder für jeden“. Wir standen wochen­lang vor den großen Mann­schaften aus Schalke und Dort­mund. Wir begrüßen die Bergbau-Jüng­linge von der SpVgg Erken­sch­wick“, hieß es in Düs­sel­dorf oder Köln, und wir bekamen schon vor dem Anpfiff Applaus.