Uli Hoeneß tritt von der Bayern-Bühne ab. 2012 trafen wir den FCB-Paten am Tegernsee, um mit ihm die Zukunft des Fußballs zu diskutieren. Nach dem Gespräch machte uns Hoeneß mit seiner zweiten großen Leidenschaft vertraut: den Nürnberger Würstchen.
Dieses Interview mit Uli Hoeneß erschien in 11FREUNDE #131. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Der Pate sitzt auf der Sonnenterrasse einer Wirtschaft und schaut vergnügt, wie drüben überm Tegernsee ein Regenbogen erscheint. Das Interview ist vorüber und Hoeneß hat eine Runde Schnitt für alle bestellt. Sein Sohn Florian gesellt sich dazu. Der „Flori“ hat vor einiger Zeit die Leitung der Hoeneßschen Wurstfabriken übernommen. Dem Unternehmen, mit dem der Bayern-Präses parallel zu seinem Job im Fußball ein Vermögen gemacht hat.
Hoeneß fragt nach dem Stellenwert der Berliner Currywurst
Als das Bier an den Tisch kommt, dreht sich das Gespräch. Nun geht es um Fleisch. Ist die Currywurst in Berlin immer noch so angesagt? Wusstet Ihr, dass gerade Kinder die Nürnberger sehr mögen? „Da ham’s was Ganzes,“ sagt Florian Hoeneß. Die handliche Wurst, eingerollt „in ein Kleenex“, da müssten die Eltern nix mehr kleinschneiden. Praktisch sei das und es mache die Kleinen stolz. Die Hoeneß-Wurst, ein kleiner Schritt auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Der Junior erzählt , wohin „HoWe Wurstwaren“ in Berlin inzwischen überall liefert. Die Currywurst bekommt Konkurrenz. Da fragt der Vater beiläufig, ob ein bestimmter Kunde dort oben in Hauptstadt denn nun auch bestellt habe. Die stahlblauen Augen blitzen. Und kurz erwacht im entspannten Antlitz des Patriarchen ein Hauch von „Abteilung Attacke“. Als „Flori“ bejaht, nippt Hoeneß zufrieden an seinem Bierglas. Ein kleiner Sieg am Nachmittag in einem Leben, in dem es schon immer ums Gewinnen geht.
Die Kellnerin tritt an den Tisch und fragt, ob wir was essen möchten. „Mögt’s ihr a Würschtl?“, fragt Hoeneß. Wie könnten wir nach so einer Anmoderation ablehnen? Das Gespräch hat Appetit gemacht. Doch die Wirtschaft hat keine Nürnberger mehr da. „Flori, lauf mal schnell“, sagt der Vater. Und der Sohn macht sich auf den Weg den Hügel hinauf. Die Wirtschaft liegt nur einen Steinwurf entfernt von dem Haus, in dem Uli Hoeneß mit Frau und Hund wohnt. Der Ort, an dem er seit seinem Rücktritt als Managers des FC Bayern die meiste Zeit verbringt. Ein, zwei Mal fährt er in der Woche noch an die Säbener Straße. Aber was soll er da großartig? Das Tagesgeschäft erledigen jetzt andere für ihn. Und überhaupt, die Leute wissen doch, wo sie ihn erreichen. Sein Büro im Bayern-Hauptquartier nimmt Anfragen entgegen und wenn der Präsident draußen auf seinem Hügel am Tegernsee Lust verspürt, dann meldet er sich eben. Auf seinem Handy – einem Modell aus den Millenniumjahren – gingen zwar ständig SMS ein, sagt er. Aber wenn der Speicher voll sei, dann bimmele es. „Und ich lösche die SMS einfach weg – ohne sie gelesen zu haben.“
„Brezen?! Kraut?! Bratkartoffeln?!“
Nach ein paar Minuten kehrt „Flori“ zurück. Die Kellnerin fragt, welche Beilagen gewünscht seien. Uli Hoeneß sagt: „Brezen?! Kraut?! Bratkartoffeln?! Alles, was ihr da habt!“ Eine riesige Pfanne mit Nürnbergern wird aufgetragen. Ein barockes Mahl vor dem Regenbogenpanorama. Über Uli Hoeneß meint man vieles zu wissen: Dass er ein Mann sei, auf dessen Wort man sich verlassen könne. Dass hinter der Fassade der stetig dampfenden Bayern-Lok kein kühler Geschäftsmann lauert, sondern einer, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Eine große Qualität des Uli Hoeneß ist offenbar auch seine leidenschaftliche Geselligkeit. Es gibt diese Geschichte, dass er auf Meisterfeiern, wenn die meisten schon längst nach Hause gegangen sind und der Rotwein lustig plätschert, für den Rest der Feiermeute Backbleche voll mit Spiegeleiern ordert.
Es werden weitere Biere aufgetragen. Gläser klirren. Der Senf-Tiegel wandert über den Tisch. Die Themen gehen wild durcheinander. HSV. Currywurst. Ribéry. Und während andere Fleisch-Fabrikanten längst Vegetarier sind, genießt Uli Hoeneß seine Würschtl. Eine nach der anderen. Kein Zweifel, dieser Mann ist ein Überzeugungstäter. Wie er da sitzt im blütenweißen Hemd und mit roter Hose. Bayern-Style. Er sagt, das sei jetzt keine Absicht, die Klamotten habe er gestern beim Golfen mit Franz Beckenbauer angehabt, da habe er sie heute einfach noch einmal angezogen. Will er damit sagen, dass sich Beckenbauer und er ausschließlich in Vereinsfarben zum Golfen treffen?
Uli Hoeneß sitzt auf seinem Hügel, unter ihm der See und hinterm Horizont all die Probleme, die der Rekordmeister nun ohne ihn lösen muss. Eigentlich müssten wir all unsere Fragen Karl-Heinz Rummenigge stellen, der sei doch nun fürs operative Geschäft verantwortlich, sagt er. Nur ab und an, da könne er nicht anders, da müsse er einen Stachel setzen. Sagt er – in diesem Herbst 2012. Sollte die neue Generation glauben, dass er als Chef des Aufsichtsrat nur noch dazu da sein, um die Anwesenden zur Sitzungen zu begrüßen, hätten sie sich getäuscht.
Vor ihm steht ein großer Teller mit Kraut, Bratkartoffeln und Würschteln. Uli Hoeneß wischt sich den Bierschaum vom Mund und schaut hinüber auf den Regenbogen. Und als es später Zeit zum Aufbruch wird, sagt er: „Flori“, halb seinem Sohn halb uns zugewandt, „die Herrschaften müssen los. Ruf drüben an, sie können die Laserstrahlen jetzt wieder ausstellen.“